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BGH Urteil v. - 6 StR 248/24

Instanzenzug: Az: 46 KLs 24/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 300 Euro angeordnet. Dagegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten auch wegen Körperverletzung und eine Erhöhung des Einziehungsbetrages erstrebt. Beide Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg, die Revision der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Sohn des Zeugen A.      Bargeld des Angeklagten in Höhe von 12.500 Euro gestohlen und für sich verbraucht. Er versprach dem Angeklagten zwar, ihm das Geld zurückzuzahlen, kam dem jedoch nicht nach. Nachdem der Angeklagte ihn mehrere Monate lang erfolglos „unter Druck“ gesetzt hatte, wandte er sich schließlich an A.      und setzte ihn von dem Sachverhalt in Kenntnis. A.      erklärte sich bereit, die Schulden seines Sohnes zu begleichen, sagte dem Angeklagten allerdings, nur ratenweise und erst nach der Begleichung von Schulden bei einer anderen Person zahlen zu können. Der Angeklagte war damit einverstanden und räumte A.     ein, die „Raten“ so zu zahlen, „wie es ihm passen würde“. Ein Zahlungsziel und eine Ratenhöhe wurden nicht vereinbart. Kurz danach kam es zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Angeklagten und A.      , an dem auch dessen Sohn teilnahm. Dieser räumte dabei ein, das Geld gestohlen zu haben, worauf A.     äußerte, dass er den Sachverhalt schon kenne, die Schulden bereits „übernommen“ habe und sie begleichen werde. Weil ihm die finanziellen Mittel fehlten, vertröstete er den Angeklagten in der Folgezeit indes wiederholt, so dass dieser sich schließlich auch von ihm hintergangen fühlte und nicht länger auf die Rückzahlung warten wollte.

3Der Angeklagte fasste mit einem unbekannten Mittäter den Entschluss, A.      unter Anwendung körperlicher Gewalt sowie erforderlichenfalls unter Vorhalt eines Messers zur Begleichung der Schulden seines Sohnes zu veranlassen. Anderenfalls wollte er die Wohnung A.     s nach Wertgegenständen durchsuchen und diese mitnehmen. Falls die Gegenstände nicht zur „Kompensation“ der Schulden ausreichen würden, sollte A.        mit erheblicher Gewaltanwendung gedroht werden, wenn er die Schulden nicht alsbald begleiche. Dabei „wusste der Angeklagte“, dass er „aufgrund der vereinbarten Ratenzahlung noch keinen fälligen Anspruch auf das Geld“ gegen A.      hatte.

4Nachdem sich der Angeklagte und sein Begleiter ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung von A.      verschafft hatten, forderte der Angeklagte ihn auf, die Schulden seines Sohnes zu begleichen und ihm zu diesem Zweck nun 12.000 Euro zu zahlen. Als A.      dies ablehnte, weil er das Geld nicht habe, schlug der Angeklagte mindestens vier Mal mit der Faust auf ihn ein, wodurch A.      erhebliche Schmerzen erlitt. Anschließend durchsuchte der Angeklagte die Wohnung nach Wertgegenständen, während der Mittäter auf A.      aufpasste, der aufgrund der Schläge so eingeschüchtert war, dass er den Angeklagten die Wohnung ohne Gegenwehr durchsuchen ließ. Da der Angeklagte zunächst lediglich Gegenstände fand, deren Wert die offenen Schulden nicht „kompensierten“, bedrohte er A.      mit dem Messer und verlangte, ihm Wertgegenstände zu nennen, die er bislang nicht gefunden hatte, was A.      aber nicht tat. Nachdem der Angeklagte die Wohnung vollständig durchsucht hatte, bedrohte er A.      mit einem in der Wohnung aufgefundenen Teleskopschlagstock und forderte ihn auf, ihm zur Begleichung der Schulden innerhalb von zwei Wochen 2.500 Euro von seinem Arbeitslohn zu zahlen. Für den Fall der Nichtzahlung drohte er A.      damit, ihm mit dem Schlagstock den Kopf „kaputtzumachen“ oder ihm eine Kugel in den Kopf zu schießen. Danach verließen der Angeklagte und sein Mittäter die Wohnung, wobei sie außer dem Schlagstock eine Playstation, eine Damenarmbanduhr, zwei Herrenarmbanduhren und ein Paar „Airpods“ im Gesamtwert von mindestens 300 Euro mitnahmen. In der Folgezeit zahlte A.      dem Angeklagten aufgrund dessen Drohungen einen Betrag von 1.500 Euro.

II.

51. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe belegen weder die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht noch die für eine Erpressung vorausgesetzte Bereicherungsabsicht des Angeklagten. Das Urteil leidet insoweit unter durchgreifenden Erörterungsmängeln.

6a) Täter eines Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) kann nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem anderen die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Dafür genügt, dass der Täter die Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten einverleiben will. Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will. Während für die Enteignung des Berechtigten bedingter Vorsatz ausreicht, verlangt die Zueignungsabsicht in Bezug auf die Aneignung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwerts einen zielgerichteten Willen. Es reicht nicht aus, dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, er muss sie vielmehr für sich oder einen Dritten mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. , NStZ 2018, 712, 713 mwN).

7Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte die Playstation, die Damenarmbanduhr, die beiden Herrenarmbanduhren und das Paar „Airpods“ mitnahm, weil er die Gegenstände oder den in ihnen verkörperten Sachwert seinem Vermögen einverleiben wollte. Feststellungen zu einem entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten hat das Landgericht nicht getroffen. Der unbedingte Aneignungswille des Angeklagten ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus der im Übrigen ihrerseits nicht beweiswürdigend belegten Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte die Gegenstände „zur Kompensation“ der Schulden entwendete. Angesichts ihres geringen Wertes und ihres nach den Feststellungen nicht erkennbaren Nutzens für den Angeklagten hätte das Landgericht vielmehr die Möglichkeit in den Blick nehmen müssen, dass die Mitnahme der Gegenstände dem Angeklagten zu dem Zweck dienen sollte, sie als Druckmittel zur Durchsetzung seiner Geldforderung einzusetzen; in diesem Fall würde es an dem für die Annahme von Zueignungsabsicht erforderlichen Aneignungswillen fehlen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235, 236; vom – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240).

8b) Die für eine Verurteilung wegen Erpressung (§ 253 Abs. 1 StGB) erforderliche Bereicherungsabsicht setzt voraus, dass der Täter sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil verschaffen will, auf den er oder der Dritte keinen rechtlichen Anspruch hat (vgl. , BGHSt 19, 206, 215 f.; Urteil vom – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 325); ein Zahlungsanspruch muss fällig und einredefrei sein (vgl. , NJW 2017, 1487 Rn. 49). Insoweit entbehrt schon die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte aufgrund der mit A.      getroffenen Vereinbarungen keinen fälligen Zahlungsanspruch gegen ihn hatte, einer tragfähigen Grundlage.

9aa) Die Auslegung von Verträgen und der diesen zugrundeliegenden Erklärungen ist ureigene Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 509/52, BGHSt 3, 69, 70 f.; vom – 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606, 607). Das Revisionsgericht kann sie nur auf Rechtsfehler hin überprüfen, insbesondere darauf, ob die Auslegung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft oder Verstöße gegen Denk- oder Erfahrungssätze aufweist (vgl. , BGHSt 65, 202 Rn. 32; Beschluss vom – 4 StR 173/23, NStZ 2024, 602 Rn. 10).

10bb) Hier erweist sich die Auslegung der von dem Angeklagten und A.     getroffenen Vereinbarungen als lückenhaft. Das Landgericht hat seine Annahme, dass der Angeklagte einen Zahlungsanspruch gegen A.      hatte, der aufgrund der vereinbarten Ratenzahlung nicht fällig war, nicht begründet und unberücksichtigt gelassen, dass auch ein anderes Verständnis der von dem Angeklagten und A.      getroffenen Vereinbarungen möglich erscheint, bei dem der Angeklagte zum Tatzeitpunkt einen fälligen und einredefreien Zahlungsanspruch gegen A.      hatte.

11Es versteht sich zwar schon nicht von selbst, dass A.      durch seine dem Angeklagten gegenüber erklärte Bereitschaft, „die Schulden seines Sohnes zu begleichen“ bzw. zu „übernehmen“, rechtlich bindende Erklärungen im Sinne eines Schuldbeitritts oder gar einer Schuldübernahme (§ 414 BGB) abgeben wollte. Aufgrund der festgestellten Umstände erscheint es auch möglich, dass er den Angeklagten aus Sorge um das Wohl seines Sohnes vor allem beschwichtigen und davon abhalten wollte, diesen weiter „unter Druck“ zu setzen, indem er ihm – wenn auch ohne Rechtsbindungswillen – in Aussicht stellte, sich seinerseits nach Kräften um die Rückzahlung des Geldes zu bemühen. Dementsprechend könnte auch das Einverständnis des Angeklagten mit dem Vorschlag A.     s und seine Bereitschaft, es ihm zu überlassen, „die Raten“ so zu zahlen, „wie es ihm passen würde“, dahin verstanden werden, dass er nicht davon ausging, einen Zahlungsanspruch gegen A.      erlangt zu haben, sondern sich mit der Aussicht darauf zufriedengab, dass dieser sich um Rückzahlung bemühen werde.

12Selbst wenn A.      rechtlich bindende Erklärungen abgeben wollte – insbesondere anlässlich des Gesprächs mit dem Angeklagten, an dem auch sein Sohn teilnahm – ist fraglich, ob die Vereinbarung als Schuldbeitritt oder gar als Schuldübernahme (§ 414 BGB) zu verstehen ist oder lediglich als Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB. In diesem Fall wäre im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Angeklagte unmittelbar das Recht erwerben sollte, die Zahlung von A.      zu fordern.

13Falls durch die Vereinbarung aber, wie das Landgericht angenommen hat, ein Zahlungsanspruch des Angeklagten gegen A.      begründet werden sollte, wäre zu erörtern gewesen, ob tatsächlich eine „Ratenzahlung“ vereinbart wurde. Dagegen spricht, dass die Vereinbarung weder „ein Zahlungsziel“ noch „eine Ratenhöhe“ beinhaltete, so dass es A.      überlassen blieb, selbst über den Zeitpunkt und die jeweilige Höhe seiner Zahlungen zu befinden. Dies könnte eher auf eine Stundung hindeuten, durch welche die Fälligkeit der Zahlung hinausgeschoben wurde (vgl. , NJW 1998, 2060, 2061). In diesem Fall wäre zu prüfen, ob der Angeklagte die Stundung wirksam widerrufen hat und die Zahlung infolgedessen sofort verlangen konnte (vgl. dazu Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 271 Rn. 15 mwN).

142. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Insoweit weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

15Das neue Tatgericht wird die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, aufgrund seiner Kognitionspflicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen haben (§ 264 Abs. 1 StPO). Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (vgl. , BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 7).

16Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, steht der vom Landgericht angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 300 Euro im Hinblick auf die von dem Angeklagten mitgenommenen Gegenstände ein Verfahrenshindernis entgegen. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Abschlussverfügung insoweit nach § 421 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung abgesehen, und eine Wiedereinbeziehung gemäß § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO ist nicht angeordnet worden.

17Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer Revision zu Recht beanstandet, dass das Landgericht versäumt hat, eine Einziehungsentscheidung im Hinblick auf den Betrag von 1.500 Euro zu treffen, den A.      schließlich an den Angeklagten zahlte.

Bartel                        Feilcke                        Tiemann

                  Fritsche                      Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:111224U6STR248.24.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-84062