Leitsatz
Ein vorläufig vollstreckbarer Titel über eine streitige Forderung ist bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner in Höhe des Nennwerts der titulierten Forderung zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vorliegen und der Titelgläubiger die Vollstreckung eingeleitet hat.
Gesetze: § 17 Abs 2 InsO, § 129 InsO, §§ 129ff InsO
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 3 U 193/18vorgehend Az: 321 O 193/17
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. AG (im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, welche die Schuldnerin außergerichtlich und gerichtlich beriet und vertrat. Die Schuldnerin vergütete die Leistungen der Beklagten durch Zahlungen. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, nimmt der Kläger die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung auf Rückgewähr von sieben Einzelzahlungen in Höhe von insgesamt 91.205,23 € in Anspruch, welche die Schuldnerin im Zeitraum vom bis an die Beklagte geleistet hat. Die Parteien streiten darüber, ob die Schuldnerin die Zahlungen mit dem Vorsatz vorgenommen hat, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Der Kläger behauptet insbesondere, die Schuldnerin sei erkanntermaßen zahlungsunfähig gewesen.
2Die B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: B. ) gewährte einer Projekt- und Tochtergesellschaft der Schuldnerin mit Vertrag vom ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Das Darlehen diente dazu, die zur Finanzierung eines Immobilienprojekts geforderte Eigenkapitalquote der Tochtergesellschaft zu erfüllen. Die Schuldnerin erklärte im Darlehensvertrag ihren Schuldbeitritt. Der Zeitpunkt für die Rückzahlung des Darlehens der B. wurde mehrfach verschoben, zuletzt bis einschließlich zum . Die Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht in der Lage, ihrer Pflicht aus dem Schuldbeitritt nachzukommen und den Darlehensrückzahlungsanspruch zu erfüllen.
3Die B. nahm die Schuldnerin vor dem Landgericht Stuttgart aus dem Schuldbeitritt in Anspruch. In dem Rechtsstreit wurde die Schuldnerin von der hiesigen Beklagten vertreten. Die Schuldnerin vertrat die Ansicht, der Darlehensrückzahlungsanspruch sei wegen eines aus dem Eigenkapitalcharakter des Darlehens folgenden Nachrangs gegenüber dem Darlehensrückzahlungsanspruch des weiteren Darlehensgebers nicht zur Rückzahlung fällig. Damit hatte sie keinen Erfolg. Mit vorläufig vollstreckbarem Urkundenvorbehaltsurteil vom verurteilte das Landgericht Stuttgart die Schuldnerin als Gesamtschuldnerin zur Zahlung von 2,3 Millionen Euro nebst Zinsen. Die B. betrieb aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin. Die Schuldnerin legte gegen das Urteil Berufung ein und stellte unter dem den Antrag, die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Diesen Antrag wies das auch mit der Begründung zurück, dass die Berufung der Schuldnerin keine Aussicht auf Erfolg biete.
4Am trafen die Schuldnerin und die B. eine Ratenzahlungsvereinbarung, nach der die Schuldnerin ab Januar 2012 monatliche Raten in Höhe von 30.000 € zahlen sollte. Die B. verzichtete für den Fall der pünktlichen und jeweils vollständigen Zahlung bis zum auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen. Bereits ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen sollten bestehen bleiben. Die Schuldnerin nahm daraufhin ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart zurück.
5Das Landgericht hat alle noch streitbefangenen Zahlungen für anfechtbar gehalten und die Beklagte dementsprechend zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
6Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Revisionszulassung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO lägen nicht vor. Es fehle am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bei Vornahme der Zahlungen im Zeitraum vom bis . Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen ihre Zahlungsunfähigkeit erkannt gehabt hatte. Der Rechtsstandpunkt der Schuldnerin, der gegen sie gerichtete Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 2,3 Millionen Euro sei nicht fällig gewesen, sei möglicherweise unzutreffend, aber nicht derart fernliegend gewesen, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich die Schuldnerin der Einsicht nicht habe verschließen können, sie sei zahlungsunfähig. Der Umstand, dass das Urkundenvorbehaltsurteil des Landgerichts Stuttgart vorläufig vollstreckbar gewesen sei, ändere daran nichts, weil die Schuldnerin mit ihrer Berufung gegen das Urteil ungeachtet der eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen darauf abgezielt habe, das Urteil vollständig zu beseitigen.
II.
8Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
9Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin als Tatbestandsvoraussetzung der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO in der auf den Streitfall anwendbaren (Art. 103j Abs. 1 EGInsO) bis zum geltenden Fassung nicht verneinen. Insbesondere trägt die gegebene Begründung nicht die Annahme, die Schuldnerin habe ihre Zahlungsunfähigkeit nicht erkannt.
101. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
11a) Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache. Er kann daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-)Tatsachen hergeleitet werden. Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen. Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Die einzelnen Beweisanzeichen dürfen dabei nicht schematisch angewandt werden (, ZInsO 2024, 1011 Rn. 19 mwN; st. Rspr.).
12b) Die erkannte Zahlungsunfähigkeit stellt ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar (, BGHZ 233, 70 Rn. 22). Geht es im Insolvenzanfechtungsprozess um die erkannte Zahlungsunfähigkeit, wird diese häufig über die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu erschließen sein (, ZInsO 2024, 1011 Rn. 24 mwN). Entscheidend für die Annahme einer Zahlungseinstellung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen (, BGHZ 230, 28 Rn. 41).
132. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, dass die Schuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit im Hinblick auf den im Darlehensvertrag mit der B. vereinbarten Nachrang nicht erkannt habe. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; nach den bislang getroffenen Feststellungen war die Schuldnerin objektiv zahlungsunfähig und hatte ihre Zahlungsunfähigkeit erkannt.
14a) Objektiv war die Schuldnerin nach den bislang getroffenen Feststellungen im April 2011 zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Vorliegend ist unstreitig, dass die Schuldnerin zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Schuldbeitritt zum Darlehen in erheblicher Höhe von 2,3 Millionen Euro nebst Zinsen aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht in der Lage war. Zudem war der Anspruch aus dem Schuldbeitritt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ab dem im allgemein zivilrechtlichen Sinne fällig und durchsetzbar. Angesichts der erheblichen Höhe der Verbindlichkeit und der hierfür fehlenden liquiden Mitteln war die Schuldnerin zahlungsunfähig.
15b) Insbesondere war der Anspruch aus dem Schuldbeitritt nach den getroffenen Feststellungen auch durchsetzbar. Eine Durchsetzungssperre im hier interessierenden Rechtsverhältnis zwischen der B. und der Schuldnerin, das aus dem Schuldbeitritt der Schuldnerin zu der Darlehensschuld der Tochtergesellschaft resultierte, ergab sich insbesondere nicht aus einem Rangrücktritt.
16aa) Durch eine Rangrücktrittsvereinbarung tritt ein Gläubiger mit seinem Anspruch auf Befriedigung einer Forderung hinter andere Gläubiger des Schuldners zurück (vgl. , ZInsO 2014, 952 Rn. 7). Der Gestaltungsspielraum der an einer Rangrücktrittsvereinbarung beteiligten Parteien ist weit (vgl. , BGHZ 204, 231 Rn. 15). Der Gestaltungsspielraum bezieht sich zum einen auf die Rangtiefe und reicht hier von einem Rücktritt hinter bestimmte einzelne Gläubiger (vgl. aaO) bis hin zur Erklärung des Gläubigers, er wolle wegen der Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei der Forderung um statutarisches Kapital (vgl. aaO Rn. 17). Der Rangrücktritt kann zeitlich beschränkt oder auf Dauer vereinbart werden. Schließlich kann er in seinen Wirkungen auf das eröffnete Insolvenzverfahren beschränkt werden oder auch bereits vorinsolvenzliche Wirkungen entfalten ( aaO Rn. 19). Die vorinsolvenzlichen Wirkungen können darin bestehen, dass der Gläubiger vor Verfahrenseröffnung keine Befriedigung seiner Forderung von der Gesellschaft verlangen kann, sofern bei dieser als Folge einer Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht (qualifizierter Rangrücktritt; aaO Rn. 22). Im Falle des Rangrücktritts gegenüber bestimmten einzelnen Gläubigern können sich die Wirkungen aber auch darauf beschränken, dass der nachrangige Gläubiger seine Leistung im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit der Höhe nach gemindert erhält (vgl. Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005, 1008).
17Welchen Inhalt ein vereinbarter Rangrücktritt hat, richtet sich nach der getroffenen Vereinbarung, die einer Auslegung zugänglich ist (vgl. , BGHZ 204, 231 Rn. 17). Bei der Auslegung können die mit der Vereinbarung verfolgten Ziele zu berücksichtigen sein. Soll eine Rangrücktrittsvereinbarung etwa die Vermeidung einer Insolvenz sicherstellen, kann eine hierzu dem engen Wortsinne nach unzureichende Vereinbarung dahingehend auszulegen sein, dass der dafür erforderliche umfassende Rangrücktritt gewollt war (vgl. aaO Rn. 22 ff).
18bb) Unter Berücksichtigung des Vorstehenden wäre der Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber der Schuldnerin nur dann nicht durchsetzbar gewesen, wenn zwischen der Tochtergesellschaft und der B. ein Rangrücktritt mit entsprechenden vorinsolvenzlichen Wirkungen vereinbart worden wäre, die Voraussetzungen für die vorinsolvenzlichen Wirkungen eingetreten gewesen wären und weiterhin vorlagen und diese der Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs auch gegenüber der Schuldnerin entgegenstanden hätten, die nicht Vertragspartei war, sondern lediglich einen Schuldbeitritt erklärt hatte.
19(1) Es fehlt bereits an ausreichenden Feststellungen zum Inhalt und den Wirkungen der Nachrangvereinbarung. Der Darlehensvertrag zwischen der B. und der Tochtergesellschaft der Schuldnerin bezeichnete das Darlehen als "nachrangiges Darlehen". Unter Nr. 5 des Darlehensvertrags verpflichtete die Tochtergesellschaft sich "bei Veräußerung des Projektes als Ganzes oder in Teilen" den Verkaufserlös zunächst zur Rückführung des Darlehens des weiteren Darlehensgebers zu verwenden und erst danach zugunsten der B. . Weiter sollte die Rückführung der Darlehensvaluta der B. einschließlich Zinsen allen Ansprüchen der Tochtergesellschaft vorgehen. Weitere Regelungen zum Nachrang enthielt der Darlehensvertrag nicht.
20Nach diesen Regelungen betraf die Nachrangvereinbarung die Befriedigungsreihenfolge unter den beiden Darlehensgebern der Tochtergesellschaft. Dass damit nicht nur die Verteilungsreihenfolge für zwei im gleichen Zeitpunkt erfüllbare Ansprüche (vgl. Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005, 1008), sondern auch eine der Veräußerung des Projekts vorausgehende Durchsetzungssperre zugunsten des weiteren Darlehensgebers geregelt war, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Hintergrund war die Erfüllung der von dem weiteren Darlehensgeber der Tochtergesellschaft zur Finanzierung des Immobilienprojekts geforderten "Eigenkapitalquote". Der weitere Darlehensgeber wollte sein Darlehen nur gewähren, wenn die Schuldnerin eine "Eigenbeteiligung" in Höhe von rund 25 % nachwies. Ob dies - da die Tochtergesellschaft nicht über ein hinreichendes Eigenkapital verfügte und daher ein nachrangiges Fremddarlehen einwarb - nicht nur erforderte, dass der Darlehensgeber mit seinem Darlehensrückzahlungsanspruch nicht in Konkurrenz zu etwaigen weiteren Fremdmittelgebern trat, sondern auch eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre verlangte, hat das Berufungsgericht nicht aufgeklärt. Die B. hatte kein Interesse an einer Beschränkung ihrer Gläubigerrechte, die über den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung hinausging. Der Tochtergesellschaft ging es darum, die von dem weiteren Darlehensgeber geforderte "Eigenkapitalquote" zu schaffen. Sonstige Umstände, die für eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre sprechen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
21(2) Da es schon an Feststellungen zu einer - wie auch immer gearteten - Durchsetzungssperre fehlt, kann auch nicht beurteilt werden, ob deren Voraussetzungen eingetreten waren und weiterhin vorlagen.
22(3) Schließlich kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, dass die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs auch gegenüber der aufgrund ihres Schuldbeitritts verpflichteten Schuldnerin gesperrt gewesen wäre. Dies ist eine Frage der Auslegung des Schuldbeitritts. Dieser diente ersichtlich der Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs der B. . Es lag nicht im Interesse der B. , auch die Sicherheit einer etwaigen Durchsetzungssperre zu unterwerfen. Aus dem Wortlaut der getroffenen Vereinbarung ergibt sich keine zugunsten der Schuldnerin wirkende Durchsetzungssperre. Es ist auch nicht festgestellt, dass der weitere Darlehensgeber ein solches zur Bedingung für die geforderte "Eigenkapitalquote" gemacht hätte.
23Dass sich die Schuldnerin als Mitübernehmerin der Darlehensschuld der Tochtergesellschaft auf eine Durchsetzungssperre berufen könnte, die sich aus einer Nachrangabrede zwischen der B. und der Tochtergesellschaft ergäbe, folgt auch nicht aus dem Gesetz. Der Rechtsgedanke des § 417 BGB trägt ein solches Ergebnis entgegen der Ansicht der Revisionsbeklagten nicht. Danach soll ein Schuldbeitritt ins Leere gehen, wenn die Schuld, die mit übernommen werden soll, nicht besteht (vgl. MünchKomm-BGB/Heinemeyer, 9. Aufl., Vor § 414 Rn. 19 mwN). Das ist nicht der Fall. Aufgrund der Nachrangabrede wäre der Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber der Tochtergesellschaft allenfalls nicht durchsetzbar gewesen, und zwar aus Gründen, die in der fehlenden Kapitalausstattung der Tochtergesellschaft lägen. Schlüge dies auf das Verhältnis zwischen B. und der Schuldnerin durch, wäre der Schuldbeitritt als Sicherungsinstrument entwertet.
24c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Beklagten zugutegehalten, die Schuldnerin habe davon ausgehen dürfen, der Darlehensrückzahlungsanspruch sei vor dem Hintergrund der getroffenen Nachrangabrede nicht fällig im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO.
25aa) Ob der Schuldner seine (objektiv gegebene) Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen kennt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen, und ob die gesamten Umstände zwingend auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Hierzu muss der Schuldner nicht nur die Forderungen kennen, sondern auch deren Fälligkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO. Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend naheliegt. Der Schluss liegt zwingend nahe, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig (, ZInsO 2022, 757 Rn. 24 mwN).
26bb) Danach konnte sich die Schuldnerin der Einsicht nicht verschließen, dass sie mit Eintritt der rechtsgeschäftlich vereinbarten Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs in Höhe von 2,3 Millionen Euro nebst Zinsen am zahlungsunfähig war. Eine Durchsetzungssperre, die der Fälligkeit des Anspruchs im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegengestanden haben und sich aus der zwischen der Tochtergesellschaft und der B. getroffenen Nachrangabrede ergeben haben könnte, bestand nach den bisher getroffenen Feststellungen in keiner Hinsicht zugunsten der Schuldnerin (vgl. oben Rn. 15 ff).
27Insoweit stützt sich das Berufungsgericht zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom (IX ZR 250/20, ZInsO 2022, 757 Rn. 26). Dieses Urteil betraf eine seit langem umstrittene Rechtsfrage, hinsichtlich derer unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und für die bislang keine höchstrichterliche Klärung erfolgt ist. Darum geht es im Streitfall nicht. Ob die Verbindlichkeit aus dem Schuldbeitritt durchsetzbar und fällig war, ergibt sich im Streitfall aus der Auslegung des Vertrags, an dem die Schuldnerin vertreten durch den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Tochtergesellschaft selbst mitgewirkt hatte.
283. Unabhängig von der Durchsetzungssperre erweist sich das Berufungsurteil auch deshalb als rechtsfehlerhaft, weil die Schuldnerin jedenfalls objektiv zahlungsunfähig war, als die B. Vollstreckungsmaßnahmen aus dem vorläufig vollstreckbaren Urkundenvorbehaltsurteil des einleitete. Die hieraus folgende Zahlungsunfähigkeit hat die Schuldnerin auch erkannt, als sie von der Einleitung der Vollstreckungsmaßnahmen Kenntnis erlangte. Die Beklagte macht nicht geltend, dass die Schuldnerin den Vollstreckungsmaßnahmen irrtümlich keine entsprechenden Wirkungen beigemessen hat.
29a) Die Wirkungen eines vorläufig vollstreckbaren Titels auf die Berücksichtigung streitiger Forderungen bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO durch den Schuldner sind allerdings umstritten.
30aa) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, für die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO komme es nur auf den materiellen Bestand und die materielle Fälligkeit der Forderung an, nicht aber auf die aufgrund eines formellen Titels eröffnete Möglichkeit einer Vollstreckung in das Schuldnervermögen (so etwa Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Vorb. § 64 aF Rn. 11b; FK-InsO/Bornemann, 10. Aufl., § 17 Rn. 10; Uhlenbruck, ZInsO 2006, 338, 342; vgl. auch Schmidt/Herchen, InsO, 20. Aufl., § 17 Rn. 8). Anderenfalls bestehe kein hinreichender Schutz vor einer vorschnellen Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens im eröffneten Insolvenzverfahren (Uhlenbruck, aaO S. 339; Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 912, 917). Etwas anderes solle nur gelten, wenn der Schuldner den Instanzenzug nur dazu benutze, die rechtskräftige Feststellung der Verbindlichkeit und damit die Insolvenzantragspflicht zu verhindern (Uhlenbruck, aaO S. 342). Eine Forderung sei deshalb bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen, wenn sie substantiiert bestritten sei (vgl. Brete/Thomsen, aaO).
31bb) Andere gehen davon aus, dass eine vorläufig vollstreckbar titulierte Forderung bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit in voller Höhe zu berücksichtigen sei (Höffner, DStR 2008, 1787, 1791; Dittmer, Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2013, S. 171 ff; Nickert/Lamberti/Kriegel, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rn. 21 f; Pulte, ZInsO 2020, 2695, 2697 f; wohl auch Leithaus/Wachholtz, ZIP 2019, 649, 653). Der Schuldner sei sonst in der Lage, den notwendigen Insolvenzantrag durch Bestreiten der Forderung hinauszuschieben (vgl. Pulte, aaO). Die vorläufig vollstreckbar titulierte Forderung sei selbst dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn man davon ausgehe, dass der Titel nicht zur Zahlung, sondern nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichte. Dies ergebe sich im Blick auf die beschränkte Erbenhaftung, nach welcher der Erbe nur zur Duldung der Vollstreckung in den Nachlass verpflichtet sei. Lasse man dies nicht ausreichen, um eine Zahlungsunfähigkeit zu begründen, sei dieser Eröffnungsgrund im Nachlassinsolvenzverfahren seines Anwendungsbereichs beraubt (Dittmer, aaO S. 171 f; vgl. auch Uhlenbruck, ZInsO 2006, 338, 339).
32Zur Vermeidung zu Unrecht eröffneter Insolvenzverfahren wird darauf verwiesen, das Insolvenzgericht sei an die dem vorläufig vollstreckbaren Titel zugrundeliegende Beurteilung nicht gebunden und könne die titulierte Forderung bei offensichtlichen Fehlern und gewichtigen Gründen gegen ihr Bestehen unberücksichtigt lassen oder lediglich anteilig ansetzen (vgl. Dittmer, Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2013, S. 173 f). Andere befürworten eine Beschränkung auf vorläufig vollstreckbare Titel, denen eine gerichtliche Sachprüfung zugrunde liegt (vgl. MünchKomm-InsO/Vuia, 4. Aufl., § 16 Rn. 39 für die insolvenzgerichtliche Prüfung des Insolvenzgrunds).
33cc) Eine dritte Ansicht meint, streitige Forderungen seien bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner nur mit einem Anteil ihres Nennwerts anzusetzen. Maßgeblich für die Bestimmung des Anteils sei der Grad der Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Inanspruchnahme des Schuldners durch den Gläubiger (vgl. Schmidt/Roth, ZInsO 2006, 236, 240 f; Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl., § 17 InsO Rn. 20; Schneider/Schmidt-Leithoff in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., Anh. I § 60 Rn. 95; ähnlich auch Runkel/Schmidt/Andres, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 64). In der Konsequenz dieser Betrachtung liegt es, dass der vorläufig vollstreckbare Titel zunächst nur die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Inanspruchnahme erhöht und damit auch den bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit anzusetzenden Anteil des Nennwerts der streitigen Forderung (vgl. Schmidt/Roth, aaO; Scholz/Bitter, aaO Rn. 21; Schneider/Schmidt-Leithoff in Rowedder/Pentz, aaO Rn. 97). Erst bei kurzfristig bevorstehender Zwangsvollstreckung sei der durch diese erwartbare Abfluss liquider Mittel in voller Höhe zu berücksichtigen (vgl. Scholz/Bitter, aaO; Schneider/Schmidt-Leithoff in Rowedder/Pentz, aaO; Runkel/Schmidt/Andres, aaO).
34b) Richtigerweise ist zu unterscheiden. Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kommt es auf die objektive Rechtslage an. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob Verbindlichkeiten tatsächlich bestehen und fällig sind. Liegt hinsichtlich der Forderung ein vorläufig vollstreckbarer Titel vor, wirkt sich dies jedoch hinsichtlich der Beweislast für das Bestehen streitiger Forderungen aus. Danach ist eine streitige Forderung, über die ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorliegt, in Höhe des Nennwerts der titulierten Forderung zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vorliegen und der Titelgläubiger die Vollstreckung eingeleitet hat.
35aa) Zahlungsunfähigkeit ist ein objektiver Zustand. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (, BGHZ 173, 286 Rn. 8). Dies setzt voraus, dass die Zahlungspflicht tatsächlich besteht und im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB fällig ist. Zudem muss eine Gläubigerhandlung feststehen, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt (, BGHZ 181, 132 Rn. 22 mwN). Eine Forderung, die tatsächlich nicht besteht oder aus Rechtsgründen nicht fällig ist, begründet auch dann nicht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, wenn hinsichtlich der Forderung ein (dann unberechtigter) vorläufiger Titel vorliegt.
36bb) Ist der rechtliche Bestand oder die Fälligkeit einer Forderung streitig, kann der Nachweis, dass diese Forderung besteht und fällig ist, für die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung jedoch auch dadurch geführt werden, dass ein vorläufig vollstreckbarer Titel über eine Forderung vorliegt.
37(1) Für die Beurteilung des Eröffnungsgrunds durch das Insolvenzgericht sind die Wirkungen eines vorläufig vollstreckbaren Titels in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Dies gilt sowohl für die Prüfung der Zulässigkeit eines Gläubigerantrags gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO als auch für die Eröffnungsentscheidung (§ 16 InsO) selbst.
38(a) Eine Zahlungspflicht im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO wird hier allein dadurch nachgewiesen, dass für eine Geldforderung ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorgelegt wird (vgl. , juris Rn. 3 zu einem vorläufig vollstreckbaren Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess; vgl. auch , WM 2008, 227 Rn. 9; vom - IX ZB 177/09, WM 2010, 660 Rn. 6; vom - IX ZB 18/15, WM 2016, 1461 Rn. 13 f jeweils zu einer notariellen Unterwerfungserklärung im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Dies hat der Bundesgerichtshof auch angenommen für einen Steuerbescheid über Forderungen, über die noch ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig war, in dem auch über die Rechtzeitigkeit des Einspruchs zu entscheiden war (vgl. , ZInsO 2010, 1091 Rn. 3, 6 f). Mit dieser Rechtsprechung hat er angeknüpft an die Lage im eröffneten Verfahren, in dem es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden obliegt, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (, WM 2006, 1632 Rn. 11; vom , aaO; vom , aaO Rn. 15).
39(b) Da der Nachweis einer Zahlungspflicht im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO im Insolvenzeröffnungsverfahren aus dem Vorliegen eines vorläufig vollstreckbaren Titels folgt, sind Einwendungen des Schuldners gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit nicht zu berücksichtigen, solange der Titel vollstreckbar ist. Es ist Sache des Schuldners, Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren (etwa § 712 Abs. 1 Satz 2, § 714 Abs. 1 ZPO oder § 719 Abs. 1 Satz 1, § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO) überprüfen zu lassen (vgl. , WM 2008, 227 Rn. 9; vom - IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5; vom - IX ZB 177/09, WM 2010, 660 Rn. 6; vom - IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091 Rn. 6; vom - IX ZB 250/09, juris Rn. 3; vom - IX ZB 18/15, WM 2016, 1461 Rn. 14).
40(c) Die Frage, ob Einwendungen gegen den vollstreckbaren Titel ausnahmsweise nicht im dafür vorgesehenen Verfahren verfolgt werden müssen, wenn die Tatsachen, die dem Titel entgegenstehen, unstreitig oder offensichtlich sind, hat der Bundesgerichtshof zuletzt offengelassen (vgl. , ZInsO 2010, 1091 Rn. 7; vom - IX ZB 121/10, WM 2011, 135 Rn. 2; vom - IX ZB 18/15, WM 2016, 1461 Rn. 14). In einer früheren Entscheidung ist er - nicht tragend - davon ausgegangen, dass in offensichtlichen Fällen das Insolvenzgericht die Prüfung nachholen könne (vgl. , WM 2008, 227 Rn. 9).
41(2) Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO durch den Schuldner gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass auch der Titelgläubiger die titulierte Forderung für zweifelhaft halten und aus diesem Grund von einer Vollstreckung aus dem noch nicht rechtskräftigen Vollstreckungstitel absehen kann. Deshalb ist der Schuldner erst dann gehalten, die Forderung in Höhe ihres Nennwerts bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vorliegen und der Titelgläubiger die Vollstreckung eingeleitet hat. Dieses Verhalten entspricht der Vorlage des Titels im Insolvenzeröffnungsverfahren.
42(a) Hierfür spricht das erklärte Ziel der Insolvenzordnung, durch eine frühzeitige Verfahrenseröffnung eine geordnete und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen und im Interesse des Rechtsverkehrs eine fortgesetzte Teilnahme von Schuldnern mit erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten am Rechts- und Geschäftsverkehr zu verhindern (vgl. , BGHZ 217, 129 Rn. 51). Das Gesetz gewährt einem Titelschuldner hinreichende Möglichkeiten, auch kurzfristig eine Zwangsvollstreckung abzuwenden (etwa § 712 Abs. 1 Satz 2, § 714 Abs. 1 ZPO oder § 719 Abs. 1 Satz 1, § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Stellt der Titelschuldner entsprechende Anträge nicht oder bleiben diese etwa mangels Erfolgsaussichten oder mangels liquider (Sicherungs-)Mittel - erfolglos, ist es nicht gerechtfertigt, die vorläufig vollstreckbar titulierte Forderung im Rahmen der Zahlungsunfähigkeitsprüfung unberücksichtigt zu lassen und dem Schuldner auf diesem Weg die Möglichkeit einzuräumen, die (Gesamt-)Vollstreckung weiter hinauszuschieben.
43(b) Dass der Schuldner gehalten ist, die titulierte Forderung bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, folgt aus das Beweiswirkung des Titels. Der vorläufig vollstreckbare Titel beweist den Bestand der materiell-rechtlichen Forderung sowohl für die Zwecke des Eröffnungsverfahrens als auch für die (vorgelagerte) Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner. Deshalb ist die Forderung im Liquiditätsstatus in voller Höhe zu passivieren. Nicht richtig ist es hingegen, nur den durch die Vollstreckung erwartbaren Abfluss liquider Mittel zu berücksichtigen. Da der materiell-rechtliche Bestand der Forderung durch den vorläufig vollstreckbaren Titel bewiesen wird, scheidet auch eine nur anteilige Berücksichtigung der Forderung bei der Beurteilung der Forderung durch den Schuldner aus.
44(c) Liegen nicht nur die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vor, sondern leitet der Titelgläubiger die Vollstreckung ein, tritt zur Beweiswirkung des vorläufig vollstreckbaren Titels hinzu, dass der Schuldner zur Abwendung der Vollstreckung liquide Mittel benötigt. Daher erscheint eine nur anteilige Berücksichtigung der streitigen Forderung nicht (mehr) gerechtfertigt (vgl. Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl., § 17 InsO Rn. 21; Schneider/Schmidt-Leithoff in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., Anh. I § 60 Rn. 97; Runkel/Schmidt/Andres, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 64).
45cc) Unter welchen Voraussetzungen der Gegner im Anfechtungsprozess den Beweis führen kann, dass die durch einen vorläufig vollstreckbaren Titel festgestellte Forderung für die Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen gewesen ist, obwohl der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel betrieben hat, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Die Beweiswirkung des vorläufig vollstreckbaren Titels wirkt auch im Anfechtungsprozess fort und muss vom Anfechtungsgegner entkräftet werden. Hierzu muss der Anfechtungsgegner den Bestand der titulierten Forderung widerlegen. Dies kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden.
464. Dass die Schuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit unabhängig von dem Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 2,3 Millionen Euro nebst Zinsen erkannt haben könnte, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des entsprechenden Vorbringens des Klägers geprüft und verneint. Dies hält rechtlicher Prüfung stand. Die insoweit von der Revision behaupteten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
III.
47Das angefochtene Urteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230125UIXZR229.22.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-83991