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Online-Nachricht - Mittwoch, 29.01.2025

Arbeitsrecht | Digitales Zugangsrecht einer Gewerkschaft zum Betrieb (BAG)

Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner bereits vorhandenen und neu hinzukommenden Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Ein solches Begehren kann nicht auf eine von den Gerichten im Weg der gesetzesvertretenden Rechtsfortbildung vorzunehmende Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit gestützt werden ().

Sachverhalt: Die Parteien haben über Möglichkeiten der klagenden Gewerkschaft gestritten, im Betrieb der Beklagten digital Werbung zu betreiben. Die Beklagte entwickelte, produzierte und vertrieb Sportartikel. Sie war die Obergesellschaft eines weltweiten Konzerns. Die Klägerin war die für die Beklagte zuständige Gewerkschaft. Ein erheblicher Teil der betriebsinternen Kommunikation fand digital – u.a. über E-Mail, die von Microsoft 365 entwickelte Anwendung Viva Engage und das konzernweite Intranet – statt. Die meisten Arbeitnehmer verfügten über eine unter der Domain der Beklagten generierte namensbezogene E-Mail-Adresse.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr müsse für die Mitgliederwerbung ein „Zugang“ zu diesen Kommunikationssystemen eingeräumt werden. Die Beklagte sei daher u.a. verpflichtet, ihr sämtliche betrieblichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu übermitteln. Zumindest habe sie einen solchen Anspruch, um den Arbeitnehmern bis zu 104 E-Mails im Jahr mit einer Größe von bis zu 5 MB zu übersenden. Zudem sei ihr ein Zugang als „internal user“ zum konzernweiten Netzwerk bei Viva Engage zu gewähren, damit sie dort eine bestimmte Anzahl werbender Beiträge einstellen könne. Außerdem müsse die Beklagte auf der Startseite ihres Intranets eine Verlinkung mit einer Webseite der Klägerin vornehmen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Ersten Senat des BAG keinen Erfolg:

  • Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte – mangels Tätigwerdens des Gesetzgebers – bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren konfligierenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in den Blick zu nehmen.

  • Hiervon ausgehend bleibt der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag erfolglos. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine, die kollidierenden Verfassungswerte ausgleichende, Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit.

  • Auch der hilfsweise Klageantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielt, ist unbegründet. Die mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen jeweils einhergehenden Belastungen der Beklagten beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen, schon jeweils für sich genommen, ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme.

  • Das Abwägungsergebnis hat nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgte Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar.

  • Der auf eine Nutzung des konzernweiten Netzwerks bei Viva Engage gerichtete Klageantrag bleibt ebenfalls erfolglos. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Beklagten übersteigen das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Klägerin an der Durchführung solcher Werbemaßnahmen.

  • Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag ist unbegründet. Die Klägerin kann ihr Begehren mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz nicht auf eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG stützen.

Quelle: BAG, Pressemitteilung v. (lb)

Fundstelle(n):
NAAAJ-83959