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BVerwG Beschluss v. - 7 B 8/24, 7 B 8/24 (7 C 8/24)

Teilweise Revisionszulassung; Klärung der Voraussetzungen von Rechtsbehelfen gegen behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassen durch Umweltvereinigungen; Kontrollpflichten bei Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs

Gesetze: § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 2 Abs 1 UmwRG, § 55a Abs 5 S 2 VwGO, § 60 Abs 1 VwGO, § 133 Abs 3 S 1 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 85 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 5 S 1693/21 Urteil

Gründe

I

1Die Kläger begehren die Verbesserung des Brandschutzes in den Tunnelanlagen des Bahn-Projekts "S. ...".

2Der Kläger zu 1 ist ein als regional tätige Umweltvereinigung anerkannter Verein. Gemeinsam (u. a.) mit den Klägern zu 2 bis 4 beantragte er beim Eisenbahn-Bundesamt die Anordnung von Vorkehrungen und Auflagen innerhalb eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens, die geeignet seien, ein Versagen des Brandschutzes in Tunnelanlagen auszuschließen. Für den Fall, dass der Brandschutz Mängel aufweise, die nicht durch eine Planergänzung behoben werden könnten, beantragten die Kläger die Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.2 (F.), 1.6a (Zuführung O./U.) und 1.5 (Zuführung F./C.). Das Eisenbahn-Bundesamt lehnte die Anträge mit Bescheid vom ab. Die hiergegen erhobenen Klagen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Mangels Klagebefugnis seien die Klagen unzulässig.

3Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 2 bis 4 am zugestellt. Bis zum Ablauf des ist keine Begründung der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2 bis 4 hat am aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach einen anderweitigen Schriftsatz vom übermittelt. Nach einem Hinweis des Senats auf die Fristversäumnis hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Begründung nachgeholt.

II

41. Die Beschwerde des Klägers zu 1 ist teilweise begründet. Die Revision ist auf dessen Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, soweit sich der Antrag des Klägers zu 1 auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 (F.) bezieht. Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur weiteren Klärung der Voraussetzungen beitragen, unter denen Umweltvereinigungen nach § 2 Abs. 1 UmwRG Rechtsbehelfe gegen behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassen einlegen können.

5Soweit sich die Klage auf die Planfeststellungsabschnitte 1.6a (Zuführung O./U.) und 1.5 (Zuführung F./C.) bezieht, ist die Beschwerde zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Unzulässigkeit der Klage insoweit selbständig tragend darauf gestützt, dass der Kläger zu 1 in seinem räumlichen Aufgabenbereich nur mit Bezug auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2, der jedenfalls mit seinem südlichen Teil innerhalb der F.-Ebene liege, zumindest möglicherweise betroffen sein könne. Bezüglich der Planfeststellungsabschnitte 1.5 und 1.6a hat er die Möglichkeit der räumlichen Betroffenheit - auf der Grundlage tatsächlicher Feststellungen zu deren geographischer Lage - demgegenüber verneint. Der Kläger zu 1 hat mit seiner Beschwerde weder diese tatsächlichen Feststellungen im Wege der Verfahrensrüge angegriffen, noch die rechtlichen Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Betroffenheit im räumlichen Aufgabenbereich als Verfahrensfehler gerügt oder eine diesbezügliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Der Kläger zu 1 setzt sich vielmehr jeweils nur mit Fragen auseinander, die eine Berührung in seinem sachlichen Aufgabenbereich betreffen.

62. Die Beschwerden der Kläger zu 2 bis 4 sind als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben entgegen § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ihre Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision nicht innerhalb von zwei Monaten begründet. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu versagen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen. Die Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das den Klägern zu 2 bis 4 nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 130a ZPO, dem sich der erkennende Senat für den Bereich des Verwaltungsprozesses anschließt, ist es auch bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Hierzu gehört auch die Überprüfung der nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Dabei ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht. Vielmehr ist anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, ob sich die automatisierte Eingangsbestätigung auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (vgl. VIa ZB 24/22 - NJW 2023, 3434 Rn. 12 m. w. N.).

8Der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2 bis 4 trägt vor, den Beschwerdebegründungsschriftsatz unter dem Dateinamen "SRS_BRD" gespeichert zu haben. Dem Verwaltungsgerichtshof habe er offensichtlich einen früheren Schriftsatz mit dem Dateinamen "SGFR_BRD" übermittelt. Dies sei bei der Kontrolle der Eingangsbestätigung am nicht aufgefallen, weil diese auf die erfolgreiche Übertragung, also auf Ausgang und auf Zugang, konzentriert gewesen sei.

9Eine - wie hier - auf die erfolgreiche Übertragung irgendeines Schriftsatzes begrenzte Kontrolle wird den dargelegten anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht gerecht. Pflichtgemäß hätte es auch der Überprüfung bedurft, ob die richtige Datei übermittelt wurde.

10Die Kostenentscheidung - soweit sie nicht der Entscheidung vorbehalten bleibt - beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG, die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B7B8.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-83922