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BGH Beschluss v. - 2 StR 461/24

Instanzenzug: Az: 9 KLs 1650 Js 10128/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, wobei in dem einen Fall drei Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich zusammentreffen und in dem anderen Fall das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei einem Vorwegvollzug von zwei Jahren und sechs Monaten sowie „die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 56.400 Euro angeordnet“. Hiergegen wendet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, bei der er „die angeordnete Maßregel des § 64 StGB“ von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Die – unwirksam beschränkte – Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

21. Im Februar 2023 erklärte sich der betäubungsmittelabhängige Angeklagte gegenüber seinem Drogenlieferanten, bei dem er aus Betäubungsmittelgeschäften Schulden hatte, bereit, für diesen Rauschgiftgeschäfte zu vermitteln.

3a) Am übergab er dem gesondert Verfolgten S.         150 Gramm Kokain und zwei Kilogramm Amphetamin, nachdem er zuvor das Drogengeschäft zwischen seinem Lieferanten und dem Tatgenossen des S.        vermittelt hatte. Er nahm den Kaufpreis in Höhe von 5.850 € entgegen und übergab das Geld seinem Lieferanten. Im Gegenzug erhielt er eine Provision von fünf Gramm Kokain. Vor der Übergabe hatte er den 150 Gramm Kokain heimlich 25 Gramm für den Eigenkonsum entnommen und diese Menge durch Streckmittel ersetzt. Das gestreckte Kokain hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 68,22 % KHC. Das Amphetamin hatte einen Wirkstoffanteil von 9,57 % Amphetaminbase (Fall II.1 der Urteilsgründe; dort dargestellt unter „2. Tatgeschehen am “).

4b) Im März 2023 vermittelte der Angeklagte zwei weitere Betäubungsmittelgeschäfte für seinen Lieferanten.

5aa) Am holte der Angeklagte bei seinem Lieferanten 995,57 Gramm Kokain (Wirkstoffmenge 763,3 Gramm KHC) der Sorte „Tecate“ sowie 25 Kilogramm Amphetamin (Wirkstoffmenge 2.656,6 Gramm Amphetaminbase) und übergab diese an den von ihm vermittelten Erwerber. Er nahm den Kaufpreis in Höhe von 44.500 € entgegen und brachte das Geld zu seinem Lieferanten. Dort erhielt er eine Provision von 40 Gramm Kokain. Zudem wurden ihm 500 € seiner Drogenschulden erlassen.

6bb) Am holte der Angeklagte fünf Kilogramm Kokain bei seinem Lieferanten, lagerte diese in einem Mietfahrzeug und übergab dem Erwerber den Schlüssel. Es handelte sich um drei Kilogramm der Sorte „Tecate“ (Wirkstoffgehalt 2.277,6 Gramm KHC), ein Kilogramm der Sorte „Prada“ und ein Kilogramm der Sorte „Carver“ (Wirkstoffmengen 781,7 Gramm KHC und 810,8 Gramm KHC). Im Gegenzug erhielt er eine Anzahlung von 6.050 €.

7Zur Zahlung des Restkaufpreises kam es nicht mehr. Die Drogen aus dieser Lieferung wurden ebenso wie diejenigen aus der Lieferung vom durch die Polizei sichergestellt. Gleiches gilt für den vom Angeklagten bei seiner Verhaftung mitgeführten Betrag in Höhe von 6.050 €.

8cc) Das Landgericht hat angenommen, „hinsichtlich des am veräußerten Blocks von einem Kilogramm Kokain und den am veräußerten drei weiteren Blöcken Kokain der Sorte ‘Tecate‘“ liege eine Bewertungseinheit vor, da es sich „materiell-rechtlich um eine Tat“ handele. Es sei davon auszugehen, „dass alle vier Blöcke Kokain der Sorte ‚Tecate‘ aus derselben Lieferung stammen und es sich um einen sukzessiven Abverkauf einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge“ gehandelt habe. Hinsichtlich der nicht sortengleichen Blöcke Kokain lägen „auf Grund der teilweisen Identität der tatbestandlichen Ausführungshandlung (nur) Tateinheit i. S. d. § 52 StGB vor“ (Fall II.2 der Urteilsgründe; dort dargestellt unter „3. Tatgeschehen am und am “).

92. Die Revision des Angeklagten führt zur umfassenden Überprüfung des Urteils. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.

10a) Der Angeklagte hat die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Diese Beschränkung ist unwirksam, denn der Maßregelausspruch kann nicht tatsächlich und rechtlich unabhängig vom vollständig angegriffenen Schuldspruch beurteilt werden (vgl. , Rn. 6).

11b) Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe sowie zur Maßregelanordnung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen bedarf der Schuldspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe der Abänderung. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafe in diesem Fall sowie der Gesamtfreiheitsstrafe, was wiederum die Aufhebung der Anordnung zur Dauer des Vorwegvollzugs nach sich zieht. Auch die Einziehungsentscheidung bedarf der Korrektur.

12aa) Die Strafkammer hat bei ihrer rechtlichen Bewertung im Fall II.2 der Urteilsgründe zunächst zutreffend gesehen, dass der Angeklagte durch die Vermittlung des Drogengeschäfts sowohl am als auch am täterschaftlich Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) getrieben hat (vgl. zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Vermittlungsgeschäften BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 128/22, Rn. 9 f., und 5 StR 168/22, Rn. 6 f.; vom – 3 StR 115/24, Rn. 4). Sie hat indes nicht bedacht, dass die Frage, ob mehrere Fälle einer Deliktserie tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem der Mittäter gesondert zu prüfen und zu entscheiden ist (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 32 mwN). Insofern ist für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten des Angeklagten ohne Belang, ob sich das Handeltreiben mit insgesamt vier Kokainblöcken der Sorte „Tecate“ für seinen Lieferanten als Bewertungseinheit darstellte. Sonstige Anhaltspunkte, die für den Angeklagten hinsichtlich der Taten vom und eine Bewertungseinheit oder eine Tateinheit begründen könnten, sind nicht erkennbar, so dass sich das Handeln des Angeklagten an diesen beiden Tagen als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen darstellt.

13Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da diese dem Anklagevorwurf entspricht.

14bb) Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe, die nach Maßgabe des § 358 Abs. 2 StPO durch zwei Einzelstrafen zu ersetzen ist (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 354 Rn. 23; vgl. auch ‒ 2 StR 511/18, Rn. 9). Dies entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Auch die Anordnung zur Dauer des Vorwegvollzugs bedarf damit neuer Bewertung.

15cc) Die Einziehungsentscheidung bedarf ebenfalls der Korrektur. Das Landgericht hat zunächst zutreffend gesehen, dass der als selbständiger Vermittler agierende Angeklagte am einen Geldbetrag in Höhe von 5.850 € und am einen solchen in Höhe von 44.500 € erlangte, indem er diesen von den Erwerbern vereinnahmte und in der Folge an seinen Lieferanten weitergab (vgl. , Rn. 9). Es hat indes verkannt, dass mehrere Beteiligte, die – wie hier – an demselben Gegenstand Mitverfügungsgewalt erlangt haben, als Gesamtschuldner haften (vgl. , Rn. 7). Der Senat hat die notwendige Anordnung der Gesamtschuld entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nachgeholt.

16Hinsichtlich der beim Angeklagten sichergestellten 6.050 € hat die Strafkammer übersehen, dass die von ihr angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen nur möglich wäre, sofern das Geld nach seiner Sicherstellung auf ein Konto der Justizkasse eingezahlt wurde (vgl. , Rn. 13). Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, was mit dem erlangten Geld nach dessen polizeilicher Sicherstellung geschehen ist. Vielmehr geht die Strafkammer in den Urteilsgründen – entgegen der tenorierten Einziehung des Wertes von Taterträgen – davon aus, dass das sichergestellte Bargeld in Höhe von 6.050 € der Einziehung „gemäß § 73 Abs. 1 StGB“ unterfällt, was voraussetzt, dass dieses weiterhin gegenständlich bei der Justiz vorhanden ist (vgl. , Rn. 8).

17Da der Angeklagte auf die Herausgabe dieses Betrags verzichtet hat, sieht der Senat, um jedwede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, insoweit von einer Einziehungsentscheidung ab und lässt diese in selbiger Höhe entfallen.

183. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

Menges                         Grube                          Schmidt

                  Lutz                        Zimmermann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041124B2STR461.24.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-83905