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BGH Beschluss v. - IX ZB 41/23

Glaubhaftmachung formgerechter Schriftsatzübermittlung durch Fax bei BeA-Ausfall

Leitsatz

1.    Hat ein Prozessbevollmächtigter wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften veranlasst, ist er nicht gehalten, sich bis zur tatsächlichen Vornahme der Ersatzeinreichung weiter um eine elektronische Übermittlung des Dokuments zu bemühen.

2.    Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird.

Gesetze: § 130d S 1 ZPO, § 130d S 2 ZPO, § 130d S 3 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 4 U 282/22vorgehend LG Frankfurt Az: 2-02 O 244/20

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte aus Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 856.563,04 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist vom Berufungsgericht antragsgemäß bis zum verlängert worden.

2Der Kläger hat die Berufungsbegründung, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren sinngemäß weiterverfolgt, am um 13:57 Uhr per Telefax eingereicht. Zur Begründung der Einreichung per Telefax hat der anwaltliche Vertreter mit der Berufungsbegründung beigefügtem Telefaxschreiben vom erklärt: "… sind wir leider gehalten, die Berufungsbegründung gemäß § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO per Telefax einzulegen, da der beA-Server leider nicht erreichbar ist (siehe Anlagen). Dies versichere ich hiermit an Eides statt." Ausweislich der beigefügten Anlagen bestand beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach am seit ungefähr 10:20 Uhr eine Störung bei der Adressbuchsuche, so dass ein Versenden von Nachrichten nicht möglich war.

3Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger eine Verurteilung der Beklagten nach seinen Berufungsanträgen, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

II.

4Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

51. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, weil der Prozessvertreter des Klägers innerhalb der bis zum verlängerten Berufungsbegründungsfrist eine Begründung nicht gemäß § 130d Satz 1, § 520 Abs. 5 ZPO formgerecht als elektronisches Dokument übermittelt und in Bezug auf die per Telefax übermittelte Begründung nicht nach § 130d Satz 3 ZPO glaubhaft gemacht habe, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument im Sinne des § 130d Satz 2 ZPO aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Hierfür bedürfe es einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, die zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit geführt hätten.

6Diesen Anforderungen genüge die abgegebene eidesstattliche Versicherung auch unter Berücksichtigung der beigefügten Anlagen nicht. Den Anlagen sei nicht zu entnehmen, dass in einem zeitlichen Zusammenhang zu der um 13:57 Uhr begonnenen Übermittlung der Unterlagen tatsächlich eine vorübergehende technische Störung bestanden habe. Ohne eine zeitnah vor oder bei der Ersatzeinreichung bestehende technische Störung fehle es an dem für die Anwendung des § 130d Satz 2 ZPO nach Wortlaut und Zwecksetzung der Vorschrift erforderlichen Zusammenhang, nach dem der Umstand, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich sei, den Grund dafür bilden müsse, dass die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig bleibe. Die Anlage von beA.expert biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die ab ca. 10:20 Uhr aufgetretene Störung noch über den Zeitpunkt der Statusangabe um 12:13 Uhr hinaus fortbestanden habe. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung sei nicht ersichtlich, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Übermittlung von ihr und der Berufungsbegründung noch ein Versuch einer Übermittlung als elektronisches Dokument unternommen worden sei. Es sei daher nicht glaubhaft gemacht, dass die Störung nach 12:13 Uhr bis zur Einreichung fortbestanden habe.

72. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat durch seine Vorgehensweise das Grundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Dieses verbietet es den Gerichten, Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (, juris Rn. 4 mwN; vgl. auch , NJW 2023, 3799 Rn. 8; BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8 und NZA 2016, 122 Rn. 10).

83. Die Rechtsbeschwerde ist im oben genannten Umfang begründet. Die Ersatzeinreichung der Berufungsbegründung per Telefax war vorliegend nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO zulässig, die Berufung des Klägers somit rechtzeitig begründet.

9a) Gemäß § 130d Satz 1, § 520 Abs. 5 ZPO hat ein Rechtsanwalt die Berufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO).

10aa) Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Glaubhaft zu machen ist daher die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defekts und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind (, NJW-RR 2024, 794 Rn. 16 mwN).

11bb) Die Glaubhaftmachung betrifft nur die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments (, ZIP 2023, 1594 Rn. 10). Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen ( aaO; vom - X ZR 51/23, NJW 2023, 3367 Rn. 28; Beschluss vom - I ZB 51/23, NJW 2024, 903 Rn. 21).

12b) Vorliegend hat der Kläger unter Vorlage von um 12:13 Uhr erstellten Unterlagen geltend gemacht, eine Einreichung der Berufungsbegründung als elektronisches Dokument sei unmöglich. Deshalb hat er um 13:57 Uhr die Berufungsbegründung als Telefax und damit nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 129, 130 Nr. 6 ZPO) eingereicht.

13Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe glaubhaft machen müssen, dass die Unmöglichkeit zeitnah vor oder bei der Ersatzeinreichung bestanden habe, überspannt die Anforderungen an die vorübergehende Unmöglichkeit. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Nur hierzu ist vorzutragen. Weiterer Vortrag ist nicht erforderlich.

14Im Streitfall hat der anwaltliche Vertreter des Klägers die Ersatzeinreichung damit begründet, dass der Server des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht erreichbar sei. Er hat dabei Bezug genommen auf ein um 12:13 Uhr abgerufenes Verzeichnis von Störungsmeldungen durch beA.expert. Zu diesem Zeitpunkt war die Ersatzeinreichung veranlasst. Zu Vortrag hinsichtlich einer fortdauernden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments für den Zeitraum bis 13:57 Uhr war der Kläger vor diesem Hintergrund nicht gehalten.

15c) Der Kläger hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung vorlag. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine Ersatzeinreichung auch insoweit überspannt, als es zur Darlegung einer vorübergehenden Störung - in Abgrenzung zu einer punktuellen technischen Störung - einen mindestens zweimaligen Versuch der Übermittlung als elektronisches Dokument verlangt. Auch diese Anforderung findet in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage.

16Glaubhaft zu machen ist eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung nach § 130d Satz 2 ZPO. Diese liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird (, NJW 2023, 3367 Rn. 22). Einer anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen bedarf es hierfür nicht zwingend. Es bedarf ihrer insbesondere dann nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer - der Betreiberin des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (§ 31a BRAO) -, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird (vgl. aaO Rn. 23; Beschluss vom - I ZB 51/23, NJW 2024, 903 Rn. 22, 24).

17Vorliegend ist in der Störungsmeldung der Bundesrechtsanwaltskammer in einem Update von 12:00 Uhr unter Bezugnahme auf eine Meldung der Justiz vermerkt, dass aufgrund einer bundesweiten Störung des Verzeichnisdienstes seit 10:20 Uhr das Versenden von Nachrichten nicht möglich sei. Ein voraussichtliches Ende der Störung ist nicht angegeben. Ergänzend wird auf Informationen zur Ersatzeinreichung verwiesen. Bei einer derartigen Informationslage aus zuverlässiger Informationsquelle ist ein Rechtsanwalt zur Glaubhaftmachung der Störung nicht gehalten, einen Sendeversuch zu unternehmen und dessen Fehlschlag glaubhaft zu machen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine belastbaren gegenläufigen Informationen vorliegen. Solche hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

18d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

19aa) Die Darstellung des Klägers genügt den Anforderungen an eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der maßgeblichen Umstände. Aus ihr ergibt sich, dass die Unmöglichkeit auf technischen, nicht in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht.

20bb) Diese Angaben, verbunden mit aus zwei Anlagen ersichtlichen aktuellen Störungsmeldungen aus zuverlässiger Quelle und der eidesstattlichen Versicherung des anwaltlichen Vertreters, der Server des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs sei nicht erreichbar, genügen, um glaubhaft zu machen, dass im Zeitpunkt der Veranlassung der Ersatzeinreichung eine vorübergehende technische Störung die Einreichung der Berufungsbegründung als elektronisches Dokument unmöglich gemacht hat. Auch das Berufungsgericht zieht nicht in Zweifel, dass sich aus der bei beA.expert geschilderten Störungshistorie eine Störung von 10:20 Uhr bis 12:13 Uhr ergibt, ferner dass die eidesstattliche Versicherung des anwaltlichen Vertreters diesen Zeitraum abdeckt.

Schoppmeyer                         Schultz                         Selbmann

                            Harms                           Kunnes

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:191224BIXZB41.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 508 Nr. 8
NJW 2025 S. 509 Nr. 8
NJW 2025 S. 8 Nr. 7
JAAAJ-83810