Suchen
BSG Beschluss v. - B 5 R 44/24 BH

Gründe

1I. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Zugunstenverfahren.

2Der 1956 geborene Kläger, der zuletzt als Fabrik-/Lagerarbeiter beschäftigt war, beantragte am eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese lehnte den Antrag nach Einholung eines Gutachtens beim Internisten und Sozialmediziner P vom ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Während des dagegen angestrengten Klageverfahrens (S 14 R 4322/19) wurde dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab dem bewilligt. Das SG holte eine schriftliche Zeugenaussage des behandelnden Pneumologen O sowie ein Gutachten des Internisten und Pneumologen B vom ein. Nach Einschätzung des B habe sich das Leistungsvermögen des Klägers deutlich verschlechtert und sei zum Untersuchungszeitpunkt () aufgehoben. Nach den anamnestischen Angaben bestünden die aktuellen Einschränkungen seit gut einem Jahr, genauer lasse sich der Zeitpunkt nicht benennen. Die Beklagte teilte mit, wegen der bindenden Bewilligung der Altersrente sei für den Kläger ein Wechsel in eine Erwerbsminderungsrente ausgeschlossen. Daraufhin nahm der Kläger seine Klage zurück.

3Am stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und machte geltend, bereits seit Oktober 2018 erwerbsgemindert zu sein. Die Beklagte lehnte die rückwirkende Gewährung einer Erwerbsminderungsrente unter Rücknahme des Bescheids vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Die dagegen vom Kläger erhobene, hier zugrunde liegende Klage ist auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom ; Urteil vom ). Das LSG hat auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass beim Kläger bereits vor Einsetzen der Altersrente eine Leistungsminderung bestanden habe, die einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente begründe.

4Das Berufungsurteil ist dem Kläger am zugestellt worden. Mit Schreiben vom , eingegangen am , hat er beim BSG Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung eingelegt. Am , einem Montag, hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und sinngemäß auch die Beiordnung eines Bevollmächtigten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beantragt. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse liegt vor. Der Kläger hat sich zudem mit Schreiben vom und geäußert.

5II. 1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist hier nicht der Fall. Die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6Es ist nicht zu erkennen, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) zur erfolgreichen Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde in der Lage wäre. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angegriffene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Verfahrensakten sowie der Akte der Beklagten auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.

7a) Dass dem Verfahren eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zukommt, ist nicht zu erkennen. Es stellt sich nach Aktenlage keine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer weiteren Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Insbesondere zu den Voraussetzungen einer teilweisen bzw vollen Erwerbsminderung iS des § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 SGB VI liegt bereits eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl zB ausführlich - BSGE 129, 27 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22, RdNr 14 ff mwN). Der hier zugrunde liegende Sachverhalt gibt - auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens - keinen Anlass zu weitergehender Klärung.

8b) Das LSG ist im angefochtenen Urteil nicht iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in entscheidungserheblicher Weise von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

9c) Ein rügefähiger Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ist nicht ersichtlich. Dass das LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 SGG) entschieden hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom und hierzu das erforderliche Einverständnis erteilt. Eine wesentliche Änderung der Prozesssituation, durch die der vom Kläger erklärte Verzicht auf eine mündliche Verhandlung unwirksam geworden sein könnte (vgl hierzu zB - juris RdNr 16 mwN), ist nicht zu erkennen.

10Soweit der Kläger vorbringt, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden gewesen zu sein, bezieht er sich auf sein Schreiben vom aus dem Verfahren vor dem SG, das durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Etwaige Fehler im erstinstanzlichen Verfahren begründen jedoch grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im Berufungsverfahren (vgl dazu und zu den - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen zB BH - juris RdNr 12 mwN). Im Übrigen hängt der Erlass eines Gerichtsbescheids nicht von der Zustimmung der Beteiligten mit dieser Vorgehensweise ab. Erforderlich ist allein, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs 1 Satz 1 SGG); zudem sind die Beteiligten vor der Entscheidung anzuhören (§ 105 Abs 1 Satz 2 SGG).

11Ebenso wenig ist zu erkennen, dass das LSG gemäß dem Vorbringen des Klägers seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt haben könnte, indem es sich in unzulässiger Weise auf eigene medizinische Sachkunde gestützt hat. Berücksichtigt ein Gericht eigene Sachkunde bei der Urteilsfindung, muss den Beteiligten die Grundlage hierfür ersichtlich sein. Es muss daher gegenüber den Beteiligten darlegen, worauf seine Sachkunde beruht und was diese beinhaltet, damit die Beteiligten dazu Stellung nehmen und ihre Prozessführung entsprechend einrichten können (vgl zB - juris RdNr 9; - juris RdNr 20). Hier ist schon nicht erkennbar, dass das LSG das verbliebene Leistungsvermögen des Klägers tragend aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat. Den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ist im Gegenteil zu entnehmen, dass es der Leistungseinschätzung des Sachverständigen B aus dem früheren Rechtsstreit (S 14 R 4322/19) gefolgt ist, die dem Kläger bereits bekannt gewesen ist.

12Das gilt auch, soweit das LSG im Rahmen seiner Gesamtbeurteilung die vom Zeugen O erhobenen Befunde gewürdigt hat. Hierzu hat es ausgeführt, zwar habe dieser bereits im Oktober 2018 Werte für den arteriellen Sauerstoffpartikeldruck (pO2-Wert) von weniger als 60 mmHg gemessen; nach der von der Deutschen Rentenversicherung erstellten "Leitlinie zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) und Asthma bronchiale", an denen sich auch der Sachverständige B orientiert habe, indiziere ein solcher Wert aber nur unter weiteren Voraussetzungen ein aufgehobenes Leistungsvermögen; den Befund einer schweren Dyspnoe habe auch der Zeuge O für Zeiträume vor dem März 2020 nicht mitgeteilt; vielmehr habe er erstmals in Bezug auf die Untersuchung am von einer wesentlichen Verschlechterung berichtet. Damit ist das LSG auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen B zum Eintritt des Leistungsfalls gefolgt.

13Mit seinem Vorbringen zu dem 2018 erhobenen pO2-Wert wendet der Kläger sich im Kern gegen die Würdigung der Beweisergebnisse durch das LSG. Auf eine (vermeintliche) Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) durch die Vorinstanz lässt sich eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht stützen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG; vgl hierzu zB - juris RdNr 6; - juris RdNr 5).

142. Die vom Kläger selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG). Sie entspricht nicht den gesetzlichen Formvorschriften. Im Verfahren vor dem BSG mit Ausnahme der PKH-Verfahren müssen sich die Beteiligten von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen (§ 73 Abs 4 SGG). Hierüber ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch belehrt worden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:151124BB5R4424BH0

Fundstelle(n):
TAAAJ-83756