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BGH Beschluss v. - 1 StR 475/23

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/24 KLs 7/22 Urteil

Gründe

11. Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom u.a. den Angeklagten A.             wegen Bestechung in 67 Fällen und wegen Subventionsbetrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten A.             , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, ist seit dem beim 1. Strafsenat anhängig.

2Am hat Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer, die als Mitglied der im Senat eingerichteten Spruchgruppe IV zur Entscheidung über die Revision berufen ist, „rein vorsorglich“ angezeigt, dass sie vormals Leiterin der Abteilung      der Staatsanwaltschaft M.             für Korruptionsstrafrecht und ärztlichen Abrechnungsbetrug gewesen sei. In dieser Funktion habe sie den Mitangeklagten B.       , ebenfalls als Oberstaatsanwalt auf dem gleichen Sachgebiet tätig, auf einer Fachtagung kennengelernt und auf weiteren wiedergetroffen; sie habe mit ihm u.a. über personelle Engpässe bei der Bearbeitung mancher bei der Staatsanwaltschaft M.              anhängiger Ermittlungsverfahren gesprochen. Der Mitangeklagte B.    habe daraufhin erwähnt, dass er selbst in vergleichbaren Fällen die m.                   GmbH beauftrage. Gegen die m.                        GmbH ist im gegenständlichen Verfahren ebenfalls die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet worden; das Urteil hat die Einziehungsbeteiligte nicht angefochten.

3Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer hat weiter ausgeführt, Vertreter der Einziehungsbeteiligten hätten auf Vermittlung des Mitangeklagten B.      die Gutachtertätigkeit in München vorgestellt; auch die Staatsanwaltschaft M.              habe daraufhin die Einziehungsbeteiligte mehrfach beauftragt.

4Auf diese dienstliche Stellungnahme hat der Angeklagte A.             mit Schriftsatz vom die Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies im Wesentlichen damit begründet, bereits die Bekanntschaft mit dem Mitangeklagten B.      erwecke den Eindruck einer Voreingenommenheit; dies sei hier umso mehr zu beachten, als der Beschwerdeführer die Befangenheit des Vorsitzenden Richters der Strafkammer ebenfalls aufgrund der Bekanntschaft mit dem Mitangeklagten B.      mit einer Verfahrensrüge zur Überprüfung stellt. Wegen dieser Bekanntschaft sei zu besorgen, dass die Richterin „anders bzw. strenger“ entscheide, um jeglichen Anschein der Voreingenommenheit zu vermeiden, was sich auch auf ihn auswirke. Die Beauftragung der Einziehungsbeteiligten entspreche den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen. Schließlich sei die Stellungnahme der Richterin unvollständig. Denn sie sei die Ansprechpartnerin gewesen und habe über die Beauftragung der Einziehungsbeteiligten entschieden. Zudem habe sie die Kürzung mehrerer Rechnungen veranlasst, woraufhin die Einziehungsbeteiligte nicht mehr für die Staatsanwaltschaft M.             tätig gewesen sei.

5Auf diesen Ablehnungsantrag hat Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer am ihre Stellungnahme dahin ergänzt, sie erinnere nach neun Jahren nicht mehr, ob sie stets selbst über die Beauftragung entschieden oder aber die Entscheidung des jeweiligen Sachbearbeiters (nur) genehmigt habe. Jedenfalls sei zutreffend, dass sie als Abteilungsleiterin die Ansprechpartnerin gewesen sei. Auch an Rechnungskürzungen oder die Umstände der Beendigung der Beauftragungen erinnere sie sich nicht, könne solches aber nicht ausschließen.

62. Mit alldem wird keine Besorgnis der Befangenheit, also kein geeigneter Grund für die Annahme eines Misstrauens gegen die Unparteilichkeit der Richterin (§ 24 Abs. 2 StPO), aufgezeigt.

7a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist nur anzunehmen, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (st. Rspr.; Rn. 16 mwN).

8b) Nach diesen Maßstäben besteht kein Ablehnungsgrund.

9aa) Die dienstliche Bekanntschaft mit dem Mitangeklagten B.       vermag einen solchen nicht zu begründen. Denn dienstliche Beziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten können eine Besorgnis der Befangenheit allenfalls dann begründen, wenn sie besonders eng sind oder sich zu einem engen persönlichen Verhältnis entwickelt haben ( Rn. 6 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

10bb) Auch die mehrfache Beauftragung der Einziehungsbeteiligten lässt nicht besorgen, dass Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer nicht mehr unvoreingenommen an der Entscheidung über die Revision mitwirken könnte. Auch insoweit ist keine besondere Nähe zu dieser Verfahrensbeteiligten zu erkennen. Der Umstand, dass die Auftragsvergaben durch die Staatsanwaltschaft M.            der hier gegenständlichen Auftragsvergaben durch die Generalstaatsanwaltschaft F.                          ähneln, vermag daran nichts zu ändern. Nach dem Rechtsgedanken des § 22 Nr. 4 StPO und bei weitem Verständnis des Tatbestandsmerkmals „der Sache“ (vgl. dazu Rn. 12 f. mwN) wäre eine Befangenheit gegebenenfalls dann zu besorgen, wenn Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer als Oberstaatsanwältin gegen den Angeklagten A.               im Zusammenhang mit den Auftragsvergaben durch die Staatsanwaltschaft M.           ermittelt hätte. Aber auch dies war nicht der Fall.

11cc) Soweit der Angeklagte A.             die Unvollständigkeit der ersten Stellungnahme beanstandet, hat Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer jedenfalls durch ihre zweite Stellungnahme (§ 26 Abs. 3 StPO) ihre Erinnerungslücken eingestanden und damit etwaige Bedenken ausgeräumt (vgl. dazu Rn. 19 mwN; Beschluss vom – 5 StR 278/05 Rn. 10). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass sie Wissen zurückgehalten hat, um weiterhin zur Entscheidung berufene Richterin zu bleiben.

Jäger                         Bär                         Leplow

             Allgayer       Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210125B1STR475.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-83734