Instanzenzug: Az: V KLs 131 Js 25846/23
Gründe
1Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl schuldig gesprochen und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, den Angeklagten A. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, wobei es die Vollstreckung der letztgenannten Strafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen.
I.
2Die Revision des Angeklagten S. ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
II.
3Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten A. hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist auch sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
4Soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
51. Zur Person des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, dass er im Jahr 2017 mit der Einnahme insbesondere von Kokain, Amphetamin, daneben auch von Cannabis, Tilidin und Diazepam begann. Zuletzt konsumierte er täglich 3 bis 4 Gramm Amphetamin sowie wöchentlich 3 bis 5 Gramm Kokain.
6Nach den Feststellungen zur abgeurteilten Tat verschafften sich die Angeklagten Zugang zur Wohnung des Zeugen M. , wo sie unter anderem 46,74 Gramm Kokain, 319,32 Gramm Amphetamin und 101,94 Gramm Heroin entwendeten und anschließend unter sich aufteilten. Der Angeklagte A. hatte vor der Tat Bier getrunken und Betäubungsmittel konsumiert, wobei die Mengen von einem Gramm Kokain und wenigen Gramm Amphetamin nicht überschritten wurden. Ihm kam es bei der Tat darauf an, jedenfalls einen Teil der erlangten Betäubungsmittel später selbst zu konsumieren, was er zumindest mit dem Kokain auch tat.
7Das Landgericht hat angenommen, dass aufgrund seiner Mischintoxikation die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Bei der Strafzumessung hat es zu seinen Gunsten gewertet, dass er jedenfalls in einem schädlichen Ausmaß regelmäßig Betäubungsmittel konsumiere und die Tat zumindest auch aufgrund dieser Konsumgewohnheit begangen habe.
8Die Anordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt, da es an der erforderlichen Erfolgsaussicht fehle. Der Angeklagte habe bezogen auf diese Maßregel keine Therapiebereitschaft erkennen lassen und geäußert, dass er dieser ablehnend gegenüber stehe. Er wolle lieber eine ambulante Therapie absolvieren. Angesichts dieser „entschieden ablehnenden Haltung“ sei auch nicht davon auszugehen, dass eine Therapiebereitschaft geweckt werden könne.
92. Die Ausführungen des Landgerichts tragen das Absehen von der Unterbringungsanordnung nicht.
10Eine Anordnung nach § 64 Satz 2 StGB darf nur ergehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ein hinreichender Therapieerfolg zu erwarten ist. Im Rahmen der hierzu gebotenen Prognose ist im Fehlen eines Therapiewillens ein gewichtiges gegenläufiges Indiz zu sehen. Will das Tatgericht gleichwohl die Unterbringung anordnen, ist zur Entkräftung dieses Indizes im Urteil konkret darzulegen, welche Instrumente im Maßregelvollzug zur Verfügung stehen, mit denen diese Haltung überwunden werden kann (, StV 2024, 436).
11Hier wird schon die Annahme eines fehlenden Therapiewillens durch die Beweiswürdigung nicht belegt. Denn das Landgericht hat sie letztlich allein darauf gestützt, dass der Angeklagte „lieber“ eine ambulante Therapie wolle. Damit hat es verkannt, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG vorgeht und ein Angeklagter insoweit kein „Wahlrecht“ besitzt (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 116/22; vom – 3 StR 75/22). Durch die zum in Kraft getretene Reform des § 64 StGB, mit der unter anderem das Erfordernis „tatsächlicher Anhaltspunkte“ für eine ausreichende Erfolgsaussicht in den Gesetzestext aufgenommen wurde, hat sich hieran nichts geändert.
12Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Denn angesichts der Feststellungen erscheint möglich, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB besteht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, was das Landgericht aber nicht näher geprüft hat. Insbesondere wird ein Hang nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige bei dem – zu einer Exploration nicht bereiten – Angeklagten keine Abhängigkeitserkrankung diagnostizieren konnte. Denn das in § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB aufgenommene Tatbestandsmerkmal der „Substanzkonsumstörung“ soll nicht nur Täter mit einer substanzbezogenen Abhängigkeitserkrankung im medizinischen Sinne, sondern auch Fälle eines Substanzmissbrauchs erfassen, dessen Schweregrad unmittelbar unterhalb einer Abhängigkeit einzuordnen ist (vgl. ; siehe zur Gesetzesbegründung BT-Drucks. 20/5913 S. 44 f.).
13Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht. Der Beschwerdeführer hat die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. hierzu ).
Cirener Gericke Köhler
von Häfen Werner
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:031224B5STR549.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-83667