Suchen
BGH Beschluss v. - IX ZB 42/23

Leitsatz

1. 

2. 

Gesetze: § 66 Abs 1 ZPO, § 38 InsO, § 79 S 1 InsO, § 87 InsO, § 89 Abs 1 InsO

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 W 37/23 Beschlussvorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 5 O 1764/22

Gründe

1Der Beklagte ist Verwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Dr.      K.      (fortan: Schuldner). Der Schuldner war Gesellschafter der Klägerin.

2Am Stammkapital der Klägerin waren der Schuldner mit 22.500 € (90 %) und die Geschäftsführerin der Klägerin mit 2.500 € (10 %) beteiligt. Mit Schreiben vom kündigte der Schuldner seine Geschäftsanteile zum . Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss, die Geschäftsanteile des Schuldners zum einzuziehen. Die Klägerin zahlte an den Schuldner eine Abfindung von 22.500 € als nominalen Wert seiner Geschäftsanteile.

3Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ließ der Beklagte von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Wertgutachten zur Höhe des Abfindungsbetrages erstellen, um insbesondere das Bestehen von Insolvenzanfechtungsansprüchen zu prüfen. Die für die Bewertung erforderlichen Geschäftsunterlagen überließ die Klägerin nur unter der Bedingung einer Geheimhaltungsabrede. Der Beklagte sicherte der Klägerin daraufhin zu, die Unterlagen und das Gutachten nicht an Dritte herauszugeben.

4Am beschloss die Gläubigerversammlung, dass der Beklagte das eingeholte Gutachten vollständig offenzulegen habe. Der Beklagte hat gegen die seinen Antrag auf Aufhebung dieses Beschlusses ablehnende Entscheidung des Insolvenzgerichts sofortige Beschwerde eingelegt.

5In der Hauptsache nimmt die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung der Herausgabe des Gutachtens über die Bewertung der Geschäftsanteile des Schuldners an der Klägerin nebst damit in Zusammenhang stehender Unterlagen in Anspruch. Die Streithelferin ist Insolvenzgläubigerin. Sie ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten. Die Klägerin und der Beklagte haben die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt.

6Das Landgericht hat mit Zwischenurteil die Nebenintervention zugelassen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht das Zwischenurteil abgeändert und die Nebenintervention zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Streithelferin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

II.

7Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

81. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in nicht berichtigter Fassung unter anderem in ZIP 2024, 357 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, es fehle an einem rechtlichen Interesse der Streithelferin an der Nebenintervention. Der Streithelferin stehe gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter kein Auskunftsrecht zu. Ein solches Auskunftsrecht stehe - in den Grenzen des § 79 InsO - allein der Gläubigerversammlung zu. Eine Nebenintervention zur Kontrolle des Insolvenzverwalters sei nicht vorgesehen. Insolvenzgläubiger könnten nur Maßnahmen der gerichtlichen Aufsicht anregen oder gegebenenfalls Schadensersatz nach § 60 InsO fordern. Daher komme eine Nebenintervention eines Insolvenzgläubigers nur in Betracht, wenn eigene rechtliche Interessen des Gläubigers unmittelbar berührt seien. Dies sei nicht der Fall. Anders als in den Fällen der vom Insolvenzverwalter geführten Feststellungsverfahren und Anfechtungsprozesse fehle es vorliegend an einer normierten Rechtskrafterstreckung auf die Streithelferin und damit auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Ein rechtliches Interesse ergebe sich auch nicht daraus, dass bei einem Verstoß des Beklagten gegen ein Urteil Ordnungsgelder drohten.

92. Dies hält rechtlicher Prüfung stand.

10a) Gemäß § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Dabei ist der Begriff des rechtlichen Interesses weit auszulegen. Es ist erforderlich, dass der Streithelfer zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (, BGHZ 210, 77 Rn. 19; Beschluss vom - II ZB 28/16, BGHZ 219, 155 Rn. 10 jeweils mwN). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt, dass ein rein wirtschaftliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht (, BGHZ 166, 18 Rn. 7; vom - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom - VII ZB 2/15, BGHZ 207, 378 Rn. 11).

11b) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ein rechtliches Interesse der Streithelferin am Beitritt auf Seiten des Beklagten gemäß § 66 Abs. 1 ZPO verneint. Die Streithelferin steht weder zum Insolvenzverwalter als der unterstützten Partei noch zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt. Die Entscheidung über den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch hat auf den Umfang der Masse und die Quote der Streithelferin allenfalls mittelbare wirtschaftliche Auswirkungen.

12aa) Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ergibt sich vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtskrafterstreckung. Soweit ein rechtliches Interesse eines Insolvenzgläubigers im Hinblick auf § 183 Abs. 1 InsO und auf § 18 Abs. 1 AnfG erörtert wird, kommen diese Vorschriften im Streitfall nicht zum Tragen. Die Parteien führen weder einen Rechtsstreit über die Feststellung einer Insolvenzforderung noch einen Anfechtungsprozess.

13bb) Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Offenlegung des Gutachtens dazu führen kann, die Erfolgsaussichten eines die Masse mehrenden Anfechtungs- und Abfindungsanspruchs zu überprüfen. Für ein rechtliches Interesse eines Insolvenzgläubigers im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO genügt es nicht, dass der Erfolg des Rechtsstreits dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gibt, ein Wertgutachten und damit zusammenhängende Auskünfte den Insolvenzgläubigern zu offenbaren. Die von der Klägerin begehrte Unterlassung hat keinen Einfluss darauf, ob und mit welchen Erfolgsaussichten der Beklagte Anfechtungs- und Abfindungsansprüche hinsichtlich des Geschäftsanteils des Schuldners an der Klägerin geltend machen kann. Der Streitgegenstand des Unterlassungsprozesses ist mithin nicht geeignet, in rechtlicher Hinsicht den Umfang der Masse zu beeinflussen oder durch ein Obsiegen der unterstützten Partei die Insolvenzquote zu verbessern. Das Interesse der Streithelferin, durch eine Abweisung der gegen den Beklagten gerichteten Unterlassungsklage eine Offenlegung des Wertgutachtens vorzubereiten und so die Erfolgsaussichten für einen die Masse mehrenden Anfechtungs- und Abfindungsanspruch überprüfen zu können, ist ein rein wirtschaftliches Interesse und kein die Nebenintervention nach § 66 Abs. 1 ZPO rechtfertigendes rechtliches Interesse.

14cc) Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ergibt sich auch nicht, soweit ein Schadensersatzanspruch nach § 60 InsO wegen unterlassener Geltendmachung eines etwaigen Anfechtungs- und Abfindungsanspruchs bestehen könnte. Das rechtliche Interesse muss sich auf die Entscheidung über den Streitgegenstand beziehen (, WM 2006, 1252 Rn. 12). Das ist hier nicht der Fall. Streitgegenstand des Rechtsstreits sind Unterlassungsansprüche. Hinsichtlich dieses Streitgegenstandes besteht für die Streithelferin nur ein tatsächliches Interesse, vom Inhalt des Wertgutachtens Kenntnis zu erlangen, um die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche nach § 60 InsO vorbereiten zu können.

15dd) Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorgreiflichkeit für ein Auskunftsrecht nach § 79 Satz 1 InsO. Dieses Auskunftsrecht steht nur der Gläubigerversammlung zu. Hingegen folgen daraus keine Auskunftsrechte einzelner Insolvenzgläubiger (Kübler in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2016, § 79 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Ehricke/Ahrens, 4. Aufl., § 79 Rn. 2; vgl. auch , BGHZ 62, 1, 3). Da die Streithelferin auch im Übrigen weder über ein individuelles Recht auf Auskunft verfügt noch von Rechts wegen befugt ist, etwaige Rechte der Gläubigerversammlung aus § 79 Satz 1 InsO geltend zu machen, beeinflusst die Entscheidung in der Hauptsache ihre Rechtslage insoweit nicht. Damit kann dahinstehen, ob der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch einen etwaigen Auskunftsanspruch der Gläubigerversammlung nach § 79 Satz 1 InsO begrenzt.

16ee) Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO ergibt sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckbarkeit und eines im Vollstreckungsverfahren drohenden Ordnungsgelds. Die möglichen vollstreckungsrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung begründen kein rechtliches Interesse der Streithelferin. Das rechtliche Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO muss sich aus der Entscheidung in der Hauptsache ergeben. Es darf nicht erst durch den Rechtsstreit geschaffen werden, in dem der Beitritt erfolgen soll (, BGHZ 219, 155 Rn. 14). Dies gilt für eine Unterlassungsklage entsprechend; hier genügt die erst an die Zuwiderhandlung anknüpfende Vollstreckungsmöglichkeit nach § 890 ZPO nicht, um ein rechtliches Interesse eines Insolvenzgläubigers zu begründen.

                                                

                                                

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051224BIXZB42.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-83663