Kapitel III: Verfahren der Quellensteuerentlastung
Abschnitt 3: Entlastungssysteme
Artikel 11 Antrag auf Entlastung an der Quelle oder Schnellerstattung
(1) Die Quellenmitgliedstaaten verpflichten zertifizierte Finanzintermediäre, die das Depotkonto eines eingetragenen Eigentümers führen, der Dividendenausschüttungen oder Zinszahlungen von einem in dem Quellenmitgliedstaat Ansässigen erhält, dazu, im Namen dieses eingetragenen Eigentümers eine Entlastung gemäß Artikel 13 oder Artikel 14 zu beantragen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Der eingetragene Eigentümer hat den zertifizierten Finanzintermediär dazu ermächtigt, in seinem Namen eine Entlastung zu beantragen, und
der zertifizierte Finanzintermediär hat die Anspruchsberechtigung des eingetragenen Eigentümers in Bezug auf die Entlastung gemäß Artikel 12 oder Artikel 15 überprüft und festgestellt.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 dieses Artikels können die Mitgliedstaaten Anträge auf Entlastung im Rahmen der in den Artikeln 13 und 14 vorgesehenen Regelungen ganz oder teilweise ausschließen, wenn einer der folgenden Umstände vorliegt:
Die Dividende wurde für eine öffentlich gehandelte Aktie gezahlt, die der eingetragene Eigentümer in einer Transaktion erworben hat, die innerhalb eines Zeitraums von fünf Tagen vor dem Ex-Dividenden Tag durchgeführt wurde;
die Dividendenzahlung für das zugrunde liegende Wertpapier, für das eine Entlastung beantragt wird, ist mit einer Finanzvereinbarung verbunden, die vor dem Ex-Dividenden Tag noch nicht abgewickelt, abgelaufen oder anderweitig beendet war;
mindestens einer der Finanzintermediäre in der Wertpapier-Zahlungskette ist kein zertifizierter Finanzintermediär, und kein zertifizierter Finanzintermediär hat die Position dieses Finanzintermediärs für die Zwecke des Artikels 10 gemäß Artikel 5 Absatz 5 übernommen;
eine Befreiung von der Quellensteuer wird beantragt;
ein ermäßigter Quellensteuersatz wird geltend gemacht, der sich nicht aus Doppelbesteuerungsabkommen ergibt;
die Dividendenzahlung übersteigt einen Bruttobetrag von mindestens 100 000 EUR je eingetragenen Eigentümer und je Zahlungstag.
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe f dieses Absatzes wird der Betrag der Dividendenzahlung anhand des Bruttobetrags der Dividende je Anleger bestimmt, der eine Beteiligung an einem Organismus für gemeinsame Anlagen hält, wenn dieser zugrunde liegende Anleger Anspruch auf die Entlastung gemäß Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a oder b hat.
(3) Absatz 2 Buchstabe f findet keine Anwendung, wenn der Anspruch auf die Entlastung von überschüssiger Quellensteuer Folgende betrifft:
ein gesetzliches Rentensystem eines Mitgliedstaats oder eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung, die gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/2341 in einem Mitgliedstaat eingetragen oder zugelassen ist, oder
einen Organismus für gemeinsame Anlagen, der ein nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2009/65/EG niedergelassener OGAW, ein EU-AIF oder ein EU-AIFM ist.
(4) Absatz 2 gilt für jede Vereinbarung, wonach die Dividendenzahlung aufgeteilt wird, oder jeden nicht in Absatz 3 Buchstabe b genannten Organismus für gemeinsame Anlagen, der allein aus dem Zweck gegründet worden ist, die Dividendenzahlung unter dem in Absatz 2 Buchstabe f genannten Betrag zu halten.
(5) Ist ein Finanzintermediär, der das Depotkonto eines eingetragenen Eigentümers führt, kein zertifizierter Finanzintermediär, so gestatten die Mitgliedstaaten ungeachtet des Absatzes 1 einem zertifizierten Finanzintermediär, vorbehaltlich des Artikels 5 Absatz 5 und des Artikels 10 eine Entlastung gemäß Artikel 13 oder Artikel 14 zu beantragen.
(6) Die Entlastungssysteme nach Artikel 13 oder Artikel 14 dürfen die Kontrollbefugnisse der Mitgliedstaaten gemäß ihren nationalen Vorschriften in Bezug auf die steuerbaren Einkünfte, auf die diese Entlastung angewandt wurde, nicht einschränken und berühren nicht die Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten.
(7) Verfügt ein Mitgliedstaat vor Inkrafttreten dieser Richtlinie über ein System der Entlastung an der Quelle oder ein Schnellerstattungssystem oder eine Kombination dieser Systeme und wendet dieser Mitgliedstaat Kapitel III gemäß Artikel 2 an, so stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass dieses System mit Kapitel III für alle unter diese Richtlinie fallenden Anträge auf Entlastung im Einklang steht, d. h. Entlastungen bezüglich Dividenden aus öffentlich gehandelten Aktien und Zinsen aus öffentlich gehandelten Anleihen, die an Gebietsfremde gezahlt werden, sofern der Mitgliedstaat beschließt, auch solche Zinsen miteinzuschließen. Die Mitgliedstaaten können ebenfalls ein bestehendes nationales System der Entlastung an der Quelle in den in Absatz 2 Buchstabe e des vorliegenden Artikels genannten Fällen beibehalten und anwenden, in denen Überprüfungen durchgeführt werden, um
die Gleichbehandlung inländischer und grenzüberschreitender Sachverhalte im Einklang mit Titel IV Kapitel 2 und 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu gewährleisten oder
die ermäßigten Quellensteuersätze gemäß der Richtlinie 2003/49/EG des Rates [1] oder der Richtlinie 2011/96/EU des Rates [2] anzuwenden.
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
SAAAJ-83645
1Amtl. Anm.: Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl L 157 vom , S. 49).
2Amtl. Anm.: Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl L 345 vom , S. 8).