Suchen
Online-Nachricht - Donnerstag, 23.01.2025

Kindergeld | Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifel an der Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG (FG)

An der Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom (BGBl. I 2019, S. 2451) bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifel (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Die Klägerin und ihr Ehemann sind tunesische Staatsangehörige. Von Februar 2021 bis Januar 2022 hatte die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 3 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der ab dem geltenden Fassung (AufenthG 2020), die ihr eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erlaubte. Seitdem werden Fiktionsbescheinigungen auf Grundlage von § 81 Abs. 4 AufenthG erteilt, wonach der Aufenthaltstitel bis August 2022 fortbestehe. Während des Streitzeitraums (November 2021 bis Juni 2022) war die Klägerin weder erwerbstätig noch befand sie sich in Elternzeit nach § 15 BEEG noch bezog sie laufende Geldleistungen nach dem SGB III.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG nicht erfüllt seien. Im Rahmen ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Regelungslage sei verfassungswidrig.

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster wies die Klage ab:

  • Maßgeblich für den Kindergeldanspruch ist nach § 52 Abs. 49a Satz 2 EStG die Regelung des § 62 EStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom .

  • Daher erhält die Klägerin als nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 3 AufenthG 2020 erteilt worden sei, nur dann Kindergeld, wenn sie erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 BEEG bzw. laufende Geldleistungen nach dem SGB III in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG).

  • Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht erfüllt.

  • Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des , 2 BvL 10/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 14/14) zu § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG (in der Fassung vom ) sowie v. zu den Vorlagebeschlüssen des (Az. 2 BvL 11/14 und 2 BvL 12/14) bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifel an der maßgeblichen Fassung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG.

  • Bei von vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum erteilten Aufenthaltserlaubnissen – wie es bei der Erlaubnis nach § 20 Abs. 3 AufenthG der Fall gewesen ist – sprechen tragfähige Gründe dafür, dass deren Inhaber sich aller Voraussicht nach nicht dauerhaft in Deutschland aufhalten wird und der Gesetzgeber aus diesem Grund den Anspruch auf Kindergeld ohne Überschreitung seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich verwehren kann.

  • Sofern demgegenüber ausnahmsweise nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG eine Anspruchsberechtigung besteht, soweit der Anspruchsteller bereits in den Arbeitsmarkt integriert ist, wird dies vom Gesetzgeber nicht mit einer voraussichtlich längeren Aufenthaltsdauer, sondern zwecks Erleichterung der Fachkräftegewinnung und Setzung eines Anreizes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit begründet.

  • Die tragenden Erwägungen der Entscheidung des wonach die Integration in den Arbeitsmarkt bei § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG 2006 kein hinreichendes Differenzierungskriterium im Hinblick auf die Bleibeperspektive ist, kann folglich nicht auf die für den Streitfall maßgebliche Fassung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG übertragen werden.

  • Aufgrund der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers ergeben sich auch keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass der Klägerin der Aufenthaltstitel nach § 20 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG 2020 gerade zur Suche eines Arbeitsplatzes, zu dessen Ausübung ihre Qualifikation befähigt, erteilt worden ist.

  • Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorlagebeschlüssen des , die das Bundesverfassungsgericht am als unzulässig verworfen hat.

  • Die Vorlagebeschlüsse sind zu der vorherigen Regelung des § 62 Abs. 2 EStG 2006 ergangen und haben daher die gesetzgeberische Entscheidung für die Neuregelung bereits nicht berücksichtigen können. Zudem hat das im Hinblick auf § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG 2006 darauf hingewiesen, dass die von dieser Regelung umfassten Aufenthaltserlaubnisse – worunter nach alter Rechtslage auch die Erlaubnis der Klägerin gefallen wäre – erkennbar nur für einen begrenzen Zeitraum erteilt worden sind und dies in die Beurteilung einer etwaigen Bleibeperspektive einzubeziehen ist.

Hinweis:

Der 12. Senat hat die Revision zum BFH zugelassen. Ob die Revision eingelegt wurde, ist derzeit nicht bekannt.

Quelle: FG Münster, Newsletter Januar 2025 (il)

Fundstelle(n):
TAAAJ-83636