Instanzenzug: LG Essen Az: 56 KLs 3/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 49 Fällen, Steuerhinterziehung in 75 Fällen und Beihilfe zum Betrug in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es hiervon drei Monate für vollstreckt erklärt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
21. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall 20 der Urteilsgründe wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) für den Monat Oktober 2015 verurteilt hat, ist das Urteil aufzuheben (§ 206a Abs. 1 StPO). Der Verurteilung steht entgegen, dass das Landgericht das Verfahren hinsichtlich dieser Tat in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt hat (Protokollband Bl. 50). Mit dieser Verfahrenseinstellung ist ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis entstanden, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss gemäß § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist. Einen solchen Beschluss hat das Landgericht jedoch nicht erlassen.
32. Das Verfahrenshindernis hat zur Folge, dass der Angeklagte – neben den Taten der Steuerhinterziehung und der Beihilfe zum Betrug – lediglich in 48 Fällen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt ist. Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern.
43. Die für Fall 20 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe entfällt aufgrund des Verfahrenshindernisses. Jedoch bleibt der Gesamtstrafenausspruch hiervon unberührt (§ 354 Abs. 1 analog, § 337 Abs. 1 StPO). Die Einstellung erfasst eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. Diese fällt gegenüber den weiteren 136 festgesetzten Einzelstrafen zwischen einem Monat und einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe nicht beträchtlich ins Gewicht. Der von der Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ausgehende Zusammenzug der verbleibenden Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ist weiterhin außerordentlich straff.
54. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist hingegen zu berichtigen, soweit sie sich auf einen Fall 20 betreffenden Betrag in Höhe von 4.877,66 Euro bezieht. Sie entfällt, weil die Voraussetzungen einer Einziehung jedenfalls seit der vom Landgericht vorgenommenen vorläufigen Einstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich dieser Tat nicht mehr gegeben sind. Aufgrund dieser Einstellung ist diese Tat nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens. Der ihr zugeordnete Tatertrag von 4.877,66 Euro kann damit nur noch nach § 76a Abs. 3 StGB im selbständigen Einziehungsverfahren eingezogen werden, das einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO voraussetzt. Fehlt es – wie hier – an einem solchen Antrag, steht einer dennoch ausgesprochenen Einziehung das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (vgl. Rn. 59 mwN). Die vom Landgericht insoweit gleichwohl angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen aus der Tat Fall 20 der Urteilsgründe in Höhe von 4.877,66 Euro hat daher zu entfallen.
Jäger Bär Leplow
Allgayer Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:111224B1STR113.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-83597