BGH Beschluss v. - 5 StR 403/24

Gesetze: § 177 StGB, § 249 Abs 1 StGB

Instanzenzug: Az: 6 KLs 852 Js 43826/23 (2)

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) hat keinen Bestand.

3 a) Der Angeklagte verdächtigte seinen Wohnungsnachbarn, während seiner strafhaftbedingten Abwesenheit Wertgegenstände aus seinem Kellerabteil entwendet zu haben. Er begab sich mit einem Freund zu dem Nachbarn, um Entschädigung zu verlangen. Nachdem dieser den Vorwurf in Abrede gestellt hatte, schlug der Angeklagte ihm mehrfach mit der Faust ins Gesicht, was eine stark blutende Platzwunde zur Folge hatte. Nach dem Ende der körperlichen Auseinandersetzung ging der Angeklagte ins Badezimmer, um Toilettenpapier zur Stillung der Platzwunde zu holen.

4 Als er das dort abgestellte Markenfahrrad des Geschädigten bemerkte, entschloss er sich, dieses durch Ausnutzung des unter dem Eindruck der erlittenen Gewalt stehenden Geschädigten mitzunehmen, um es anschließend zu veräußern. Er wusste, dass er keinen Anspruch hierauf hatte. Während er die Wunde des Geschädigten versorgte, forderte er deshalb seinen Begleiter auf, das Fahrrad aus der Wohnung zu bringen. Der weitere Gewalt fürchtende Geschädigte ließ dies angstbedingt zu.

5 b) Das Landgericht hat das vom Tatbestand des § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Nötigungsmittel in einem Fortwirken der vor dem Wegnahmeentschluss ausgeübten Gewalt als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung gesehen. Dies hält – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6 aa) Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Drohung im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB auch dann gegeben ist, wenn die zunächst mit anderer Zielrichtung vorgenommene Gewalt zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauert oder als aktuelle Drohung mit erneuter Gewaltanwendung auf das Opfer einwirkt und der Täter diesen Umstand bewusst dazu ausnutzt, dem Opfer, das sich dagegen nicht mehr zu wehren wagt, die Beute wegzunehmen (vgl. , StV 2022, 18, 19; vom – 4 StR 174/12, NStZ 2013, 471, 472). Da das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers – anders als in § 177 Abs. 5 StGB – nicht als selbständiges Nötigungsmittel normiert ist, reicht es indes nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, die Drohung im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB also durch ein bestimmtes Verhalten, etwa Äußerungen oder sonstige Handlungen – mindestens konkludent – genügend erkennbar macht (vgl. , StV 2022, 18, 19; Beschlüsse vom – 3 StR 488/16, NStZ-RR 2017, 143, 144; vom – 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110).

7 bb) Nach diesen Maßstäben tragen die Feststellungen die Annahme einer (konkludenten) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die aus anderem Grund verübte Gewalt zur Wegnahme des Fahrrades ausnutzen wollte und der unter dem Eindruck der Faustschläge und deren Verletzungsfolgen stehende Geschädigte dies angstbedingt zuließ. Ausreichende Feststellungen dahin, dass der Angeklagte, und sei es nur durch schlüssiges Verhalten, zum Zwecke der Wegnahme des Fahrrades auf den Willen des Geschädigten einwirkte, indem er weitere Gewalttätigkeiten deutlich in Aussicht stellte, enthält das Urteil nicht. Soweit das Landgericht auf das „Gebaren“ des Angeklagten in Form der Versorgung der Wunde des Geschädigten in Anwesenheit seines Begleiters abgestellt hat, erschließt sich jedenfalls nicht ohne weiteres, weshalb hierin eine (konkludente) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben liegen sollte.

8 2. Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes kann die rechtlich hiermit zusammentreffende, für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Körperverletzung nicht bestehen bleiben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können ergänzt werden, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

Cirener                Gericke                Mosbacher

              Köhler               von Häfen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:270824B5STR403.24.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-83309