BGH Beschluss v. - 5 StR 531/24

Leitsatz

Zur Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers im Sicherungsverfahren.

Gesetze: § 400 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Görlitz Az: 1 Ks 100 Js 32768/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Dagegen wendet sich der durch die Anlasstat verletzte Nebenkläger mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts schnitt der Beschuldigte den ihm gänzlich unbekannten Nebenkläger im Vorbeigehen überraschend und ohne jede Vorankündigung mit einem Cuttermesser von hinten in die rechte Halsseite, so dass ein 13 cm langer Schnitt mit einer Durchtrennung von Muskel- und Nervenfasern sowie eine Verletzung der inneren Halsblutader entstand, die akut

lebensgefährlich war. Im Tatzeitpunkt befand sich der Beschuldigte in einer akuten Phase der bei ihm vorliegenden paranoiden Schizophrenie und war deshalb schuldunfähig.

32. Gegen dieses Urteil wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, mit der er erstrebt, dass der Beschuldigte als schuldfähig beurteilt und wegen versuchten Mordes verurteilt wird. Das Rechtsmittel erweist sich als unzulässig.

4a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann aus Gründen des Opferschutzes zwar auch im Sicherungsverfahren die Nebenklage zuzulassen sein, um die spezifischen, vorrangig auf Schutz vor Verantwortungszuweisungen durch den Beschuldigten gerichteten Bedürfnisse des Verletzten zu berücksichtigen (vgl. dazu grundlegend , JR 2002, 435, 436 f. mwN). Dem Geschädigten soll durch die Mitwirkung im Verfahren nicht zuletzt auch die Möglichkeit der Abwehr von Schuldzuweisungen durch den Beschuldigten eingeräumt werden; insoweit konkretisiert sich der Zweck des Sicherungsverfahrens (Sicherung der Allgemeinheit) in der Sicherung der konkret beteiligten Person (, JR 2002, 435, 436 unter Verweis auf , NStZ 1995, 609, 610 für einen Fall der – isolierten – Anfechtung der unterbliebenen Unterbringung nach § 63 StGB nach Freispruch wegen Schuldunfähigkeit).

5b) Aus der grundsätzlichen Möglichkeit, sich dem Sicherungsverfahren als Nebenkläger anzuschließen folgt aber keine umfassende Rechtsmittelbefugnis. Vielmehr richtet sich diese nach den auch insoweit geltenden allgemeinen Vorschriften.

6aa) Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt. Diese beschränkte Rechtsmittelbefugnis soll es dem Nebenkläger in einem Strafverfahren gleichwohl erlauben, einen Freispruch auch dann anzufechten, wenn er auf der Schuldunfähigkeit des Angeklagten beruht und dieser nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde (MüKo-StPO/Valerius, 2. Aufl., § 400 Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 400 Rn. 3).

7bb) Auch wenn nach § 414 Abs. 1 StPO im Sicherungsverfahren die Vorschriften über das Strafverfahren sinngemäß gelten und dem Nebenkläger infolgedessen ebenfalls – mit den Einschränkungen des § 400 Abs. 1 StPO – eine Rechtsmittelbefugnis zusteht, ist Voraussetzung eines zulässigen Revisionsangriffs stets eine Beschwer des Revisionsführers in der Urteilsformel (st. Rspr.; , BGHSt 7, 153; Beschlüsse vom – 1 StR 56/15, NStZ 2016, 560; vom – 4 StR 608/19, NStZ 2022, 192).

8Insoweit sind die Besonderheiten des Sicherungsverfahrens im Blick zu behalten: In diesem ist ein Schuldspruch von vornherein nicht möglich; folglich wird der Beschuldigte im Tenor des Urteils auch nicht freigesprochen. Mithin fehlt es insoweit an einer Beschwer des Nebenklägers. Eine solche ergibt sich auch im Übrigen nicht, wenn – wie hier – der Beschuldigte im Sicherungsverfahren nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird; ein Rechtsmittel des Nebenklägers ist im Sicherungsverfahren vielmehr nur dann zulässig, wenn damit eine unterbliebene Maßregelanordnung ermöglicht werden soll (vgl. Rn. 5 mwN).

9Aus dem Umstand, dass der Nebenkläger keinen Einfluss darauf hat, ob die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung der Straftat das Strafverfahren wählt und Anklage erhebt, oder eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren bei Gericht anbringt, ergibt sich nichts Anderes. Er kann – wie dargelegt – seine Rechte und Interessen auch im Sicherungsverfahren geltend machen und durch entsprechende Anträge darauf hinwirken, dass gegebenenfalls nach Feststellung der Schuldfähigkeit nach § 416 StPO ins Strafverfahren übergegangen wird. Bleibt es aber beim Sicherungsverfahren und wird der Beschuldigte untergebracht – womit dem Sicherungsinteresse des von der Straftat Verletzten Genüge getan wird – ist kein Grund ersichtlich, dem Nebenkläger trotz mangelnder Beschwer ein Rechtsmittel einzuräumen.

103. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, wäre die Revision des Nebenklägers im Übrigen aber auch unbegründet. Insbesondere ist die Annahme der aufgehobenen Schuldfähigkeit tragfähig begründet.

Gericke                         Mosbacher                         Köhler

                   Resch                              von Häfen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181124B5STR531.24.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-83305