BGH Beschluss v. - 5 StR 617/24

Instanzenzug: Az: 603 KLs 2/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften, sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt in zwei Fällen, Herstellens kinderpornographischer Inhalte (in mittelbarer Täterschaft) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt durch entsprechende Rede und durch Bestimmen eines anderen zur Vornahme von sexuellen Handlungen an sich selbst zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – zur Aufhebung des Strafausspruchs und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

21. Soweit das Landgericht die Strafe dem Strafrahmen des früher geltenden § 184b Abs. 1 StGB entnommen hat, kann die Einzelstrafe im Fall II.4 schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Strafrahmen dieser Vorschrift zum geändert wurde und nunmehr eine niedrigere Mindeststrafe ausweist (BGBl. I 2024 Nr. 213). Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO, vgl. auch ). Ungeachtet ihrer Erwägungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Strafkammer bei Anwendung eines anderen Strafrahmens zu einer anderen Strafe gekommen wäre (vgl. auch BVerfG, Einstweilige Anordnung vom – 2 BvR 618/24 Rn. 23).

32. Auch der Strafausspruch in den übrigen Fällen hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt und die Revision weisen zutreffend darauf hin, dass die strafschärfend gewerteten erheblichen Folgen der Aufdeckung der Taten (Mobbing in der Schule, psychische Belastungen im privaten Umfeld) dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres vollumfänglich angelastet werden können. Denn diese Folgen gingen ganz wesentlich auf die psychisch belastete und nicht sorgeberechtigte Mutter zurück. Diese hatte nach Aufdeckung der Taten neben Polizei und Jugendamt auch die von der Geschädigten besuchte Schule informiert und einen großen Adressatenkreis erreichend die Information über den Missbrauch ihrer Tochter durch den Angeklagten teilweise fehlerhaft und ohne Rücksicht auf die sich hieraus ergebenden Folgen für die Tochter verbreitet. Dieses Vorgehen der Mutter hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Mitschülern, Lehrern und anderen unbeteiligten Anwohnern des Heimatorts der Geschädigten pauschal Kenntnis von den in Rede stehenden Vorwürfen erhielten, so dass die Geschädigte in allen Bereichen ihres Alltags mit den um sie kursierenden Gerüchten und Erzählungen konfrontiert wurde; hinzu kamen Ausgrenzung, Stigmatisierung und Mobbing bis hin zu körperlichen Übergriffen.

4Zwar ist es nicht ausgeschlossen, auch solche Folgen straferschwerend zu berücksichtigen. Voraussetzung ist aber, dass sie für den Angeklagten zumindest vorhersehbar waren (vgl. ; Beschluss vom – 5 StR 335/17). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt; es versteht sich angesichts der ungewöhnlichen Umstände auch nicht von selbst. Der gesamte Strafausspruch beruht auf den dargelegten Mängeln (vgl. zudem weitergehend die Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

53. Die Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

Cirener                             Mosbacher                             Köhler

                von Häfen                                 Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051224B5STR617.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-83227