Leitsatz
1. In der zweigliedrigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erübrigt sich eine Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 Fall 1 und 2 GmbHG, wenn nur die Stimmen des den Ersatzanspruch verfolgenden Gesellschafters wegen eines Stimmverbots des anderen Gesellschafters zählen. In diesem Fall ist die Klage des Gesellschafters grundsätzlich unzulässig, weil die Gesellschaft den Ersatzanspruch ohne Weiteres selbst im Klagewege verfolgen kann.
2. Ist Gegenstand der Beschlussfassung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem ihrer Geschäftsführer und die Bestellung eines Prozessvertreters zur Verfolgung dieser Ansprüche, kann der betroffene Geschäftsführer das Stimmrecht nicht für einen Gesellschafter ausüben.
Gesetze: § 43 Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 8 Alt 1 GmbHG, § 46 Nr 8 Alt 2 GmbHG, § 47 Abs 4 GmbHG
Instanzenzug: Saarländisches Az: 1 U 24/22vorgehend Az: 8 HKO 32/21
Tatbestand
1Die Klägerin hält 49 % der Geschäftsanteile der U. A. GmbH (im Folgenden auch: Gesellschaft). Mehrheitsgesellschafterin ist die F. H. GmbH, die 51 % der Geschäftsanteile hält. Geschäftsführer beider Gesellschaften sind die Beklagten. Gesellschafterin der F. H. GmbH ist "weitüberwiegend" eine gleichnamige GmbH mit Sitz in Österreich. Ihre Gesellschafter sind die Beklagten, der Bruder des Beklagten zu 1 und ein Sohn des Beklagten zu 2; ihre Geschäftsführer sind die Beklagten.
2Die Klägerin hat den Beklagten zur Last gelegt, dass die Gesellschaft mit notariellem Vertrag vom von der in Österreich ansässigen F. H. GmbH die Geschäftsanteile einer ebenfalls in Österreich ansässigen U. GmbH sowie die Vertriebs- und Vermarktungsrechte der Produkte der U. A. GmbH in Österreich zu einem überhöhten Kaufpreis erworben habe. Der Unternehmens- und Rechtskauf war in der Gesellschafterversammlung vom mit den Stimmen der Klägerin beschlossen worden. Ein für eine Gesellschafterversammlung am in Aussicht genommener Beschluss über die Höhe des Kaufpreises kam jedoch nicht zustande. Die Klägerin verlangte mehrfach ab dem die Einberufung einer Gesellschafterversammlung, um über folgenden Antrag zu beschließen:
"Die Ansprüche der U. A. GmbH ("Gesellschaft") gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft und/oder die F. H. GmbH im Zusammenhang mit den in der Anlage 1 ausführlich dargestellten Sachverhalten sollen geprüft und ggf. (gerichtlich) geltend gemacht werden, insbesondere gegen die F. H. GmbH und die Geschäftsführer der Gesellschaft F. und D. H. . Herr M. L. wird zum besonderen Vertreter der Gesellschaft bestellt und beauftragt, diese Ansprüche zu prüfen und ggf. (gerichtlich) geltend zumachen."
3Daraufhin leiteten die Beklagten im November 2020 unter auch namens der Mehrheitsgesellschafterin erhobenem Protest (Einberufungsverlangen sei rechts- und treuwidrig) ein Umlaufverfahren ein, in dem die Klägerin für ihren Beschlussvorschlag und die durch die Beklagten vertretene Mehrheitsgesellschafterin dagegen stimmte. Das Abstimmungsergebnis teilte die Gesellschaft der Klägerin mit dem Bemerken mit, dass eine "Beschlussfeststellung … angesichts der unklaren Rechtslage" nicht erfolge.
4Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 22.479.000 € nebst Zinsen an die U. A. GmbH zu verurteilen und festzustellen, dass sie zum Ersatz aller weiteren Schäden der Gesellschaft aus dem Erwerb der U. A. GmbH Österreich verpflichtet sind. Das Landgericht hat angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird, und mit Zwischenurteil festgestellt, dass die Klage zulässig ist. Das Berufungsgericht hat die Klage "als unzulässig" abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin sinngemäß, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Gründe
5Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
6I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
7Die Klägerin sei nicht prozessführungsbefugt. Ein Gesellschafter einer GmbH könne Ansprüche der Gesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Fremdgeschäftsführer nicht im eigenen Namen geltend machen. Die einem Gesellschafter nach den Grundsätzen der actio pro socio zustehende Klagebefugnis erstrecke sich grundsätzlich nicht auf Ansprüche gegen einen Geschäftsführer, der nicht auch Gesellschafter der GmbH sei. Die Beklagten seien lediglich Geschäftsführer der U. A. GmbH. Zu Gesellschafter-Geschäftsführern würden sie weder dadurch, dass sie zudem Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin (F. H. GmbH) der U. A. GmbH, noch dadurch, dass sie Gesellschafter-Geschäftsführer von deren Mehrheitsgesellschafterin (F. H. GmbH mit Sitz in Österreich) seien. Es fehle mithin an der für die Gesellschafterklage erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Sonderbeziehung der Klägerin zu den Beklagten.
8Auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes sei es nicht notwendig, eine actio pro socio der Klägerin zuzulassen. Weigere sich die Gesellschafterversammlung, einen Anspruch gegen den Fremdgeschäftsführer zu verfolgen, könne jeder Gesellschafter die Rechtsverfolgung durch Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage erzwingen. Weiterhin könnten Minderheitsgesellschafter, wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig unterlasse, Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, Schadensersatz im Wege der actio pro socio gegen Mehrheitsgesellschafter geltend machen.
9Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin lasse sich auch nicht mit einem kollusiven Zusammenwirken von Mehrheitsgesellschafterin und Beklagten begründen. Durch ein solches Zusammenwirken würde der effektive Rechtsschutz der Klägerin vorliegend schon nicht beeinträchtigt, da die Mehrheitsgesellschafterin bei der Beschlussfassung über die Inanspruchnahme der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 4 GmbHG von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen gewesen sei. Ungeachtet dessen lasse sich nicht feststellen, dass die Mehrheitsgesellschafterin die Inanspruchnahme der Beklagten aus gesellschaftswidrigen Gründen abgelehnt habe, da die Klägerin mit dem Unternehmens- und Rechtskauf grundsätzlich einverstanden und der Kaufpreis durch zwei Gutachten unterlegt gewesen sei. Die Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafterin sei auch deshalb nicht treupflichtwidrig, weil sie ohnehin nicht habe mitstimmen dürfen. Die Verweigerung der Beschlussfeststellung, die wegen des Stimmverbots nicht der Mehrheitsgesellschafterin obgelegen hätte, sei nur für den Beginn der (Anfechtungs-) Klagefrist erheblich, die hier mangels einer solchen Feststellung nicht gelte.
10II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen und im Ergebnis stand. Die Voraussetzungen für die Erhebungeiner Gesellschafterklage sind im Streitfall nicht gegeben.
111. Die Beklagten sind keine Gesellschafter der U. A. GmbH. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Gesellschafter einer GmbH Ansprüche der Gesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen (, BGHZ 232, 275 Rn. 9 ff.). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
12Entgegen ihrer Auffassung lässt sich aber auch aus der Entscheidung des Senats vom (II ZR 94/71, WM 1973, 1291) nicht ableiten, dass die Beklagten als mittelbare Mitgesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin dieser gleichzustellen sind. Dort beruhte die Zulässigkeit der Gesellschafterklage darauf, dass der gesellschaftsvertragliche Anspruch gegen den nach § 128 HGB a.F. unmittelbar und unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Mitgesellschafterin geltend gemacht wurde. Soweit sich das Schrifttum in allgemeiner Form für die Einbeziehung mittelbarer Gesellschafter in die Gesellschafterklage ausspricht (etwa BeckOK GmbHG/Wilhelmi, Stand , § 13 Rn. 230; Bayer in Hommelhoff/Lutter, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 53; Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 14 Rn. 101; MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 335; Fastrich in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 13 Rn. 38; Pentz in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 13 Rn. 128; Werner, GmbHR 2017, 849, 853), ändert dies nichts an ihrer Subsidiarität (unten 2.).
132. Der Prozessführungsbefugnis der Klägerin steht der Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft entgegen.
14a) Die Gesellschafterklage ist gegenüber einem Tätigwerden der zuständigen Gesellschaftsorgane, der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung, grundsätzlich subsidiär. Dieser Vorrang entfällt dann, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (, ZIP 1982, 1203, 1204; Urteil vom - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321; Urteil vom - II ZR 116/21, BGHZ 237, 331 Rn. 18).
15An der Nachrangigkeit der Gesellschafterklage hat sich mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG) vom (BGBl. I S. 3436) nichts geändert. Nach § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB kann jeder Gesellschafter einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten geltend machen, wenn es der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter pflichtwidrig unterlässt und der Dritte an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte. Die Vorschrift, aber auch schon ihr Abs. 1 Satz 1 BGB bringt die Subsidiarität der Gesellschafterklage dadurch zum Ausdruck, dass sie die Prozessführungsbefugnis an ein pflichtwidriges Unterlassen des für die gerichtliche Geltendmachung zuständigen Gesellschaftsorgans knüpft (RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts,BT-Drucks.19/27635, S. 155; zur Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes in der GmbH etwa Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 14 Rn. 125; Reiss/Manolakis, NZG 2024, 330 Rn. 15, 21 ff.; Tödtmann/Pieper, NZG 2023, 641, 644).
16b) An einem die Nachrangigkeit der Gesellschafterklage überwindenden Umstand fehlt es hier. Die Gesellschaft ist unter den gegebenen Umständen selbst ohne Weiteres in der Lage, die Beklagten nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftbar zu machen.
17aa) Nach der Rechtsprechung des Senats erübrigt sich ein Geltendmachungsbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG in der zweigliedrigen GmbH, wenn der andere Gesellschafter einem Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegt, weil die Beschlussfassung in diesem Fall eine überflüssige Formalität bedeuten würde (, ZIP 1991, 582, 583; Urteil vom - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321). Unter diesen Umständen bedarf es deshalb auch keiner Beschlussfassung über die Bestellung eines Prozessvertreters.
18(1) Ein solches Stimmverbot hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht. Die Mehrheitsgesellschafterin konnte hier jedenfalls nicht durch ihre organschaftlichen Vertreter abstimmen. Ist Gegenstand der Beschlussfassung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem ihrer Geschäftsführer und die Bestellung eines Prozessvertreters zur Verfolgung dieser Ansprüche, kann der betroffene Geschäftsführer das Stimmrecht nicht für einen Gesellschafter ausüben.
19Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter-Geschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. , BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25; Urteil vom - II ZR 13/22, ZIP 2023, 1986 Rn. 16).
20Auch wenn die Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin nicht selbst Gesellschafter sind, konnten sie aufgrund des Schutzzwecks des Stimmverbots, die Abstimmung von der Verfolgung eigener Interessen des Abstimmenden freizuhalten, das Stimmrecht bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von gegen sie selbst gerichteten Ansprüchen nicht für die Mehrheitsgesellschafterin ausüben (vgl. , BGHZ 108, 21, 25; , juris Rn. 29; MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 194, 198; Heckschen, GmbHR 2016, 897, 907). Von der Möglichkeit, zur Wahrung ihres Stimmrechts einen "unbefangenen" besonderen Vertreter zu bestellen (vgl. MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 194) oder entsprechend § 29 BGB gerichtlich bestellen zu lassen, hat die Mehrheitsgesellschafterin keinen Gebrauch gemacht. Hiernach kann auf sich beruhen, ob die Beklagten zudem wegen ihrer mittelbaren Beteiligung an der Mehrheitsgesellschafterin und ihres damit verbundenen Einflusses auf diese einem Stimmverbot unterlagen (vgl. , BGHZ 116, 353, 358; Urteil vom - II ZR 168/07, ZIP 2009, 2194 Rn. 5), was der Senat mangels Feststellung der genauen Beteiligungsverhältnisse an der österreichischen F. H. GmbH nicht abschließend zu beurteilen vermag. Von einem Stimmverbot der durch die Beklagten organschaftlich vertretenen Mehrheitsgesellschafterin gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
21(2) Der verbliebene stimmberechtigte Gesellschafter einer zweigliedrigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist zudem zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess oder Bestellung eines Prozessvertreters berechtigt, ohne dass es dazu noch der Fassung eines dahingehenden förmlichen Beschlusses durch ihn bedarf (OLG München, WM 1982, 1061, 1062 f.; OLG München, NZG 2024, 831 Rn. 47; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl., Rn. 50; verneinend Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 517 f.; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 290; K. Schmidt/Bochmann in Scholz, GmbHG, 13. Aufl., § 46 Rn. 153a, 171; Klose, GmbHR 2020, 1139, 1140; Werner, GmbHR 2017, 849, 851). Auch eine solche Beschlussfassung wäre eine überflüssige Formalität, da der Wille des Gesellschafters zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft durch sein Auftreten als Prozessvertreter oder durch Bestellung eines Prozessvertreters zweifelsfrei dokumentiert wird.
22bb) Davon abgesehen haben die Klägerin und die Mehrheitsgesellschafterin über die Inanspruchnahme der Beklagten abgestimmt. Damit haben sie einen Geltungsmachungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG gefasst, da die Stimmabgabe der durch die Beklagten vertretenen Mehrheitsgesellschafterin wegen des Stimmrechtsausschlusses nichtig und nicht mitzuzählen ist (vgl. , BGHZ 232, 203 Rn. 29). Insoweit kann zum einen auf sich beruhen, ob es bei Zweifeln über die schriftliche Abgabe der Stimmen grundsätzlich der Feststellung des Abstimmungsergebnisses und dessen Mitteilung an die Gesellschafter bedurft hätte (vgl. BGH, Urteil vom1. Dezember 1954 - II ZR 285/53, BGHZ 15, 324, 329; Urteil vom - II ZR 135/04, ZIP 2006, 852 Rn. 8; Urteil vom - II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 19; ablehnend das überwiegende Schrifttum, etwa MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 48 Rn. 192 mwN); zum anderen kommt es nicht darauf an, ob hier derartige Zweifel über das Abstimmungsergebnis etwa im Hinblick auf das Stimmverbot der durch die Beklagten organschaftlich vertretenen Mehrheitsgesellschafterin vorlagen. Denn auf eine fehlende Feststellung könnten sich die Beklagten nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben(§ 242 BGB) berufen, sofern ihnen als Geschäftsführern der U. A. GmbH die Feststellung des Abstimmungsergebnisses oblag (vgl. , BGHZ 15, 324, 329). An der Treuwidrigkeit änderte sich nichts, falls nicht die Beklagten als Geschäftsführer jener Gesellschaft, sondern, wie die Revision unter Hinweis auf die nicht festgestellte Satzung der Gesellschaft einwendet, als Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin zur Beschlussfeststellung verpflichtet gewesen wären.
23cc) Anerkannt ist weiter, dass sich das Stimmverbot auch auf die Bestellung eines Prozessvertreters nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG erstreckt, während der Gesellschafter, der die Ersatzansprüche durchgesetzt wissen will, keinem solchen Verbot unterliegt (, BGHZ 97, 28, 34 f.; Urteil vom - II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 358; Urteil vom - II ZR 13/22, ZIP 2023, 1986 Rn. 16). Infolgedessen konnte sich die Klägerin selbst oder einen Dritten zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess gegen die Beklagten bestellen, wie es hier im Wege schriftlicher Stimmabgabe auch geschehen ist.
24dd) Ob die Klägerin ungeachtet der Entbehrlichkeit einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG (oben aa)) gehalten gewesen wäre, sich gegen einen mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin gefassten Ablehnungsbeschluss zuvor mit einer Anfechtungsklage zu wenden, bedarf hier keiner Entscheidung. Einer vorherigen Beschlussanfechtung bedurfte es im Streitfall schon mangels verbindlicher Feststellung des Beschlussergebnisses durch die Beklagten (als Geschäftsführer der U. A. GmbH oder der Mehrheitsgesellschafterin, oben bb)) nicht (vgl. , BGHZ 97, 28, 30; Urteil vom - II ZR 308/87, BGHZ 104, 66, 69 f.; Urteil vom - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 31, 73 mwN; BeckOGK GmbHG/Denga, Stand , § 47 Rn. 110; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand , § 47 Rn. 151; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 47 Rn. 51; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. § 47 Rn. 195; Hillmann in Henssler/ Strohn, GesR, 6. Aufl., § 47 GmbHG Rn. 82; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 311; MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 219 f.; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 47 Rn. 104; Ganzer in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rn. 97).
25ee) Soweit der Senat in der Zwei-Personen-Gesellschaft bei Stimmverbot eines Gesellschafters die Zulässigkeit einer von dem anderen Gesellschafter im Wege der actio pro socio erhobenen Klage bejaht hat, war dies durch besondere Umstände gerechtfertigt, die eine Klage der Gesellschaft zumeist erheblich erschwerten: sei es, weil die Gesellschaft nicht über die zur Prozessführung erforderlichen Mittel verfügte (, ZIP 2005, 320, 321), sei es, weil die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht war und nicht mehr über ein Vertretungsorgan verfügte (, ZIP 1991, 582, 583), sei es, weil die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren war (Urteil vom - II ZR 116/21, BGHZ 237, 331 Rn. 19), sei es, weil der zur Rechtsverfolgung berufene Geschäftsführer sich ihr verweigerte (, ZIP 1998, 780, 781), oder sei es, weil der klagende Gesellschafter einen über die Wertminderung seines GmbH-Geschäftsanteils hinausgehenden und von ihr verschiedenen Schaden erlitten hatte (, BGHZ 65, 15, 18, 20).
Born Wöstmann Bernau
von Selle C. Fischer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124UIIZR85.23.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-83225