Instanzenzug: Az: 5 U 289/21vorgehend LG Ansbach Az: 3 O 504/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger kaufte am von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger teilweise über ein Darlehen, das er in der Folgezeit ablöste. Von einem vom Händler eingeräumten verbrieften Rückgaberecht machte er keinen Gebrauch.
3In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei bestimmten Außentemperaturen reduziert. Das Fahrzeug verfügt über ein SCR-System, dem die Harnstofflösung "AdBlue" in zwei unterschiedlichen Dosiermodi zugeführt wird, sowie nach der Behauptung des Klägers über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR).
4Der Kläger hat zuletzt den Ersatz der im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung des Fahrzeugs geleisteten Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1) sowie die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits begehrt, soweit der Antrag zu 1 ursprünglich auf die Zahlung eines um 1.212,07 € höheren Betrags sowie zunächst von Delikts- und sodann von Verzugszinsen gerichtet war (Berufungsantrag zu 3). Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten verlangt (Berufungsantrag zu 2).
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang weiter.
Gründe
6Die Revision des Klägers hat Erfolg.
7Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8Eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB sei zu verneinen. Der Kläger habe weder greifbare Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Arbeitsweise der angeführten Einrichtungen noch für die vorsätzliche Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aufgezeigt. Einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV stehe entgegen, dass die Vorschriften der EG-FGV keine Schutzgesetze darstellten.
II.
9Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
101. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
112. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).
12Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
13Der angefochtene Beschluss ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Nichtausübung des verbrieften Rückgaberechts keine rechtliche Bedeutung hat (vgl. VIa ZR 325/21, VersR 2023, 403 Rn. 15 ff.). Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
14die erforderlichen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:101224UVIAZR784.22.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-82880