Anspruch eines Bankkunden auf Rückzahlung von Bankentgelten bei unwirksamer Erhöhung der Kontoentgelte
Leitsatz
Ein Bankkunde kann sich auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel nach Maßgabe des Senatsurteils vom (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) berufen und rechtsgrundlos gezahlte Kontoführungsentgelte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückverlangen, wenn er die von der Bank rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt hat. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von Energielieferverträgen geltende sogenannte Dreijahreslösung (, BGHZ 192, 372 Rn. 21, vom - VIII ZR 287/20, BGHZ 233, 339 Rn. 42 und vom - VIII ZR 176/21, juris Rn. 44, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) findet im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos erhobener Kontoführungsentgelte keine Anwendung.
Gesetze: § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 311 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB
Instanzenzug: LG Ingolstadt Az: 13 S 1539/22 pvorgehend AG Ingolstadt Az: 13 C 1691/21
Tatbestand
1Der Kläger begehrt von der beklagten Sparkasse die Rückzahlung von Bankentgelten.
2Die Beklagte führte für den Kläger seit einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt vor dem Jahr 2018 zwei Girokonten, darunter das streitgegenständliche Girokonto mit der Kontonummer . Der Kläger hatte zunächst keine Kontoführungsentgelte zu zahlen.
3Nach einer Klausel, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten war, galt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigte (künftig: Zustimmungsfiktionsklausel). Im Oktober 2017 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass seine Girokonten ab dem in ein neues Kontomodell mit einer anderen Preisstruktur überführt würden und Kontoführungsentgelte zu zahlen seien. Nachdem die Beklagte die daraufhin vorgebrachte Anfrage des Klägers nach einer kostenlosen Alternative verneint hatte, kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem eine Grundgebühr für die Führung des nicht gekündigten Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 € und eine Gebühr für eine SparkassenCard (künftig: Girokarte) in Höhe von jährlich 6 €, ohne dass der Kläger der Änderung der Bedingungen aktiv zugestimmt hatte. Im Juli 2021 widersprach der Kläger der Erhebung der Entgelte.
4Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückerstattung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Kontoführungsentgelte und der Entgelte für die Girokarte in Höhe von insgesamt 192 € sowie die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankgebühren nach dem Jahr 2021 entstehe.
5Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
6Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückerstattung der ab dem erhobenen Kontoführungsentgelte zu.
9Er habe zwar der von der Beklagten angekündigten Vertragsänderung nicht konkludent zugestimmt, indem er das streitgegenständliche Girokonto weitergeführt und nur eines der beiden Girokonten gekündigt habe. Die Beklagte könne die Erhebung der Entgelte auch nicht auf die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel stützen. Dem Kläger sei es jedoch verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Entgelterhebung zu berufen. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Energielieferungsverträgen entwickelte sogenannte Dreijahreslösung, wonach der Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht geltend machen könne, wenn er sie nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals geltend gemacht worden sei, beanstandet habe, sei auf die Rückforderung von Kontoführungsentgelten übertragbar. Wie Energielieferungsverträge hätten auch Zahlungsdiensterahmenverträge als Dauerschuldverhältnisse einen langfristigen Charakter und würden im Massengeschäft verwendet. Das Bankrecht verfolge wie das Energiewirtschaftsrecht das Ziel, durch ein stabiles Finanzsystem Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies setze eine hinreichende Finanzierung der den Schwankungen des Marktes und steigenden Kosten ausgesetzten Banken voraus. Überdies sei dem Recht der Zahlungsdienste ein Ausschluss von Ansprüchen nach Fristablauf nicht fremd, wie § 676b Abs. 2 bis 4 BGB zeige.
10Die Beklagte habe das Kontoführungsentgelt erstmals mit dem Entgeltabschluss vom Januar 2018 erhoben, der dem Kläger am zugegangen sei. Der Kläger habe die Erhebung der Entgelte zum ersten Mal im Juli 2021 und damit nach Ablauf von drei Jahren beanstandet. Damit habe die Beklagte die Kontoführungsentgelte nicht rechtsgrundlos vereinnahmt.
II.
11Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
121. Der Kläger hat einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auf Rückzahlung geleisteter Entgelte in Höhe von 192 €. Die Beklagte hat vom Kläger Entgelte in dieser Höhe ohne Rechtsgrund vereinnahmt.
13a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht konkludent durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt hat.
14aa) Gemäß § 311 Abs. 1 BGB ist zur Änderung eines Schuldverhältnisses ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich. Der Änderungsvertrag kommt wie jeder Vertrag durch den Austausch korrespondierender Willenserklärungen nach den §§ 145 ff. BGB zustande. Ob ein schlüssiges Verhalten wie die Nutzung des Girokontos nach der Ankündigung geänderter Entgeltbedingungen als Willenserklärung mit dem Inhalt zu werten ist, dass der Kläger den geänderten Bedingungen zustimmt, richtet sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Hiernach kommt es darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu verstehen ist (vgl. , BGHZ 149, 129, 134, vom - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, 1091 und vom - IX ZR 213/20, WM 2021, 2079 Rn. 10, jeweils mwN).
15Diese Beurteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Das Revisionsgericht überprüft insoweit lediglich, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. , WM 2014, 667 Rn. 13, vom - VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145 Rn. 31 und vom - IX ZR 213/20, WM 2021, 2079 Rn. 11). Das gilt auch für die Auslegung einer Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten ( aaO und vom , aaO).
16bb) Daran gemessen ist die Auslegung durch das Berufungsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
17(1) Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Zahlungsdienstnutzers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essentieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben (vgl. BT-Drucks. 18/7204, S. 44), wie etwa der gesetzliche Anspruch aus § 31 ZKG auf Abschluss eines Basiskontovertrags zeigt; seine Nutzung allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag (vgl. BT-Drucks. 18/7204, aaO).
18(2) Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Gegenrüge (§ 286 ZPO), mit der er geltend macht, die Instanzgerichte hätten wesentlichen Auslegungsstoff im Zusammenhang mit der Verneinung einer konkludenten Zustimmung des Klägers außer Acht gelassen, ist nicht begründet. Das Vorbringen, der Wille des Klägers zur Fortführung des Girovertrags zu den neuen Konditionen ergebe sich daraus, dass er eines der beiden Girokonten gekündigt und eines behalten habe sowie daraus, dass er sich mit der Frage an die Beklagte gewandt habe, ob diese ihm ein vergleichsweise günstigeres Girokonto anbieten könne und er der Fortführung des bestehenden Girokontos nicht widersprochen habe, obwohl die Beklagte ihm kein günstigeres Angebot habe unterbreiten können, ist nämlich unerheblich. Denn den Ausführungen des Amtsgerichts, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung in diesem Punkt gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde gelegt hat, ist zu entnehmen, dass bereits kein auf die Annahme des Klägers gerichtetes Angebot (§ 145 BGB) der Beklagten zur Änderung der Konditionen vorlag. Das Amtsgericht ist auf der Grundlage des Inhalts des Informationsschreibens der Beklagten vom Oktober 2017 und des Akteninhalts davon ausgegangen, dass die von der Beklagten beabsichtigte Änderung des Kontomodells zum vielmehr ohne jegliche Zustimmung des Klägers wirksam werden sollte. Es hat dementsprechend festgestellt, dass beim Kläger kein Bewusstsein vorhanden war, er müsse eine rechtlich bindende Erklärung hinsichtlich der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Konditionen abgeben. Diese Feststellung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die im Rahmen der Gegenrüge vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgetragenen Umstände sind für die Feststellung, der Kläger habe kein Erklärungsbewusstsein gehabt, ohne Bedeutung.
19b) Die Parteien haben die Entgelterhebung auch nicht im Wege einer Zustimmungsfiktion vereinbart. Wie der Senat mit Urteil vom (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344 Rn. 19 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, sind von einer Bank für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierte Zustimmungsfiktionsklauseln im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Das gilt auch für die Zustimmungsfiktionsklausel, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten war und auf die diese die Änderungen der Entgeltabreden vorliegend stützen wollte.
20Entgeltabreden, die im Wege einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel getroffen werden sollten, sind in Ermangelung einer wirksamen Einigung nach §§ 145 ff. BGB unwirksam. Dementsprechend kann der Kläger Entgelte nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückfordern, die er auf unwirksame Abreden in diesem Sinne geleistet hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 15, 31 ff. zur Rückforderung unwirksam formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen; , BGHZ 232, 31 Rn. 31 zur Rückforderung von Versicherungsprämien bei unwirksamen Prämienanpassungen).
21c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, der Kläger könne sich deswegen nicht mehr auf die Unwirksamkeit der Entgeltabreden berufen, weil er das von der Beklagten erhobene Entgelt über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat. Die vom Bundesgerichtshof nach gefestigter Rechtsprechung (Urteile vom - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21, 25, vom - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 21, vom - VIII ZR 287/20, BGHZ 233, 339 Rn. 42 und vom - VIII ZR 176/21, juris Rn. 44, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) im Zusammenhang mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen angewandte sogenannte Dreijahreslösung ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln von Banken und Sparkassen übertragbar (vgl. LG Trier, ZIP 2023, 295, 297 f.; AG Neuss, WM 2022, 1373, 1374; Staudinger/Rodi, BGB, Neubearb. 2022, Anh. zu §§ 305-310 Rn. F 148e; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 214c; Casper, ZIP 2021, 2361, 2363 f.; Graf von Westphalen, NJW 2022, 288 Rn. 6; Maier, EWiR 2022, 515, 516; ders., VuR 2023, 22, 23 f.; Schultess, NJW 2022, 431 Rn. 26 ff.; ders., VersR 2022, 822, 825; ders., VuR 2023, 141, 146 f.; Rodi, EWiR 2022, 355, 356; vgl. auch , BGHZ 220, 297 Rn. 23 zu Prämienanpassungen in der Krankenversicherung; aA AG Steinfurt, ZIP 2022, 2225, 2226; AG Gießen, ZIP 2022, 2226, 2227; AG Weimar, Urteil vom - 10 C 477/21, juris Rn. 13; , juris Rn. 23; Omlor, NJW 2021, 2243 Rn. 31 ff.; ders. WuB 2023, 241, 244; vgl. auch ders. ZBB 2020, 355, 370 f. zu Zinsanpassungsklauseln; Vogel, ZBB 2021, 312, 322 f.; Simon, ZIP 2022, 13, 17 f.; Herresthal, ZHR 186 [2022], 373, 399 ff.; Klanten, RdZ 2022, 207, 208; Hofauer, EWiR 2022, 707, 708; Grigoleit, WM 2023, 697, 703 ff.; Homberger, EWiR 2023, 227, 228).
22Nach der Dreijahreslösung kann ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die auf unwirksame Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen gestützt sind, nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (vgl. zuletzt , BGHZ 233, 339 Rn. 42 und vom - VIII ZR 176/21, juris Rn. 44). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, mittels einer ergänzenden Vertragsauslegung eine durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel entstandene Lücke im Vertrag zu vermeiden, um ein dem ursprünglichen Regelungsplan der Parteien widersprechendes untragbares Ergebnis, die Gesamtnichtigkeit des Versorgungsvertrags nach § 306 Abs. 3 BGB, im Interesse beider Vertragsteile zu vermeiden (vgl. , BGHZ 209, 337 Rn. 29 und 32).
23Um eine derartige Gesamtnichtigkeit geht es hier nicht. Vorliegend ist keine Regelung unwirksam, durch die der Preis, mithin eine der Hauptleistungen des Vertrags, automatisch anhand bestimmter Parameter angepasst werden soll, sondern eine Regelung über den Mechanismus der Einigung auf von der Bank oder Sparkasse angetragene Vertragsänderungen (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344 Rn. 17, 29). Der Vertragsinhalt selbst wird durch die Zustimmungsfiktionsklausel - anders als durch Preisanpassungsklauseln - nicht bestimmt. Die durch den Wegfall der Zustimmungsfiktionsklausel entstandene Vertragslücke ist auch nicht wie die mit der unwirksamen Preisanpassungsklausel verbundene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, sondern gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch das dispositive Gesetzesrecht, das mit den § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB konkrete materiell-rechtliche Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags zur Verfügung stellt. Danach hat die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertragsänderung, die durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel fingiert werden sollte, durch eine Willenserklärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sieht das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor.
24Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Gegenrüge (§ 286 ZPO), mit der er beanstandet, die Anwendung der dispositiven gesetzlichen Regelungen würden wegen veränderter wirtschaftlicher und regulativer Rahmenbedingungen, die bei der Beklagten mit einer "Vervierfachung" der Kosten verbunden seien, zu einem für diese unzumutbaren Ergebnis führen, verfängt nicht. Der insoweit angesprochene Konflikt zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit ist in erster Linie dem Gesetzgeber übertragen. Nach den gesetzlichen Regelungen besteht für die Beklagte nicht nur die Möglichkeit, bestehende Giroverträge zu kündigen und sich so von aus ihrer Sicht unwirtschaftlichen Verpflichtungen zu lösen. Darüber hinaus unterliegen Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Bankentgelte der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGB). Bei dieser Frist handelt es sich wie der Senat bereits entschieden hat - auch aus unionsrechtlicher Sicht - um eine angemessene Ausschlussfrist für die Rechtsverfolgung (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 44/23, WM 2024, 1503 Rn. 45 f.).
25d) Der Kläger kann danach die Rückerstattung von Bankentgelten in Höhe von insgesamt 192 € beanspruchen. Der Betrag ergibt sich aus den in den Jahren 2018 bis 2021 ohne Rechtsgrund erhobenen Grundgebühren für das Girokonto in Höhe von monatlich 3,50 € und den Gebühren für die Girokarte in Höhe von 6 € pro Jahr.
262. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist auch das Feststellungsbegehren des Klägers begründet.
27a) Der Feststellungsantrag ist dahin auszulegen, dass mit ihm die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, dem Kläger künftige Schäden zu ersetzen, die ihm durch die Einziehung von nicht wirksam vereinbarten Entgelten für die Führung des streitgegenständlichen Girokontos und für die Girokarte ab dem Jahr 2022 entstehen.
28aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (, WM 2017, 1258 Rn. 11 und vom - XI ZR 221/22, BGHZ 238, 47 Rn. 18; , NJW-RR 2021, 230 Rn. 24, jeweils mwN). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (Senatsurteil vom - XI ZR 72/22, WM 2023, 2137 Rn. 15; , NJW 2019, 3727 Rn. 9, jeweils mwN).
29bb) Gemessen an diesem Auslegungsmaßstab ist der Feststellungsantrag entgegen seines weiten Wortlauts nicht dahin auszulegen, dass er sich auf sämtliche Entgelte bezieht, die die Beklagte ohne wirksame Vereinbarung ab dem beim Kläger einzieht. Die festzustellende Schadensersatzpflicht kann sich vielmehr nur aus einem konkreten vom Kläger vorgetragenen Lebenssachverhalt ergeben. Diesem lässt sich vorliegend entnehmen, dass der Kläger mit seinem Feststellungsantrag ausdrücklich an die Gebühren für die Führung des ungekündigten Girokontos und für die Girokarte anknüpft, die er mit seinem Zahlungsantrag bis einschließlich Dezember 2021 geltend macht. Für die Zeit danach möchte er mit seinem Feststellungsantrag eine Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich dieser Gebühren festgestellt wissen.
30b) Der so verstandene Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat gemäß § 256 Abs. 1 ZPO insbesondere ein Interesse an der begehrten Feststellung.
31Bei reinen Vermögensschäden, die, wie hier, Gegenstand der Klage sind, hängt bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (, juris Rn. 32 und vom - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27; , WM 2002, 29, 32, jeweils mwN). Diese Voraussetzung liegt hier vor, da die Beklagte die streitgegenständlichen Entgelte auch nach dem vom Kläger im Juli 2021 vorgebrachten Widerspruch erhoben hat. Damit ist davon auszugehen, dass die Beklagte diese Gebühren in der Zeit ab dem Jahr 2022 ebenfalls ohne vertragliche Grundlage beim Kläger einzieht.
32c) Die begehrte Feststellung ist zu treffen. Denn dem Kläger steht gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Ersatz der Schäden zu, die ihm aus der rechtsgrundlosen Einziehung von Entgelten für die Führung des Girokontos und für die Girokarte ab dem Jahr 2022 entstehen.
33Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch die Verwendung unwirksamer Klauseln seine vorvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber seinem Vertragspartner verletzt und sich bei Verschulden diesem gegenüber gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen kann, wenn der Vertragspartner in Unkenntnis der Unwirksamkeit der Klausel Leistungen erbringt (, BGHZ 99, 101, 107, vom - VII ZR 358/86, WM 1988, 56, 58 und vom - VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 Rn. 10). Die Beklagte hat die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel vorliegend während des laufenden mit dem Kläger bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrags verwendet, indem sie ab dem Jahr 2018 gestützt auf diese Klausel und damit letztlich ohne vertragliche Grundlage Entgelte für die Führung des Girokontos und für die Girokarte erhoben hat. Damit hat sie ihre vertraglichen Pflichten aus dem mit dem Kläger geschlossenen Zahlungsdiensterahmenvertrag verletzt, in dem diese Entgelte nicht vorgesehen sind. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt (§ 276 BGB). Ihr Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zur Entlastung hat sie nichts vorgebracht.
34Der Schadensersatzanspruch des Vertragspartners des Klauselverwenders kann unter anderem auf Ersatz der aufgrund der unwirksamen Klausel erbrachten Leistung gerichtet sein; er tritt dann neben den kondiktionsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (vgl. , BGHZ 181, 188 Rn. 9 ff.; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 306 Rn. 19).
III.
35Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Ellenberger Matthias Schild von Spannenberg
Sturm Ettl
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:191124UXIZR139.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2754 Nr. 48
DStR-Aktuell 2024 S. 11 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2024 S. 3300
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2024 S. 3300
ZIP 2024 S. 4 Nr. 48
QAAAJ-82772