Umsatzsteuer | Steuerbarkeit von Geschäftsführungsleistungen einer Praxisgemeinschaft (BFH)
Eine zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks nach außen auftretende Praxisgemeinschaft ist Unternehmerin. Eine aus Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft, die Leistungen für die Führung ihrer eigenen Geschäfte bezieht, erbringt nicht zwangsläufig gleichzeitig Geschäftsführungsleistungen an ihre Mitglieder (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG 1973/1980/1993/1999 bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. steuerfrei waren bis zum die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bzw. Buchst. a bezeichneten Berufe oder Einrichtungen im Sinne des Buchst. b waren, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 bzw. Buchst. a steuerfreien Umsätze verwendet wurden. Seit war zusätzlich erforderlich, dass die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten forderte.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Reichweite der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG in der im Streitjahr 2013 noch geltenden Fassung beziehungsweise der unionsrechtlichen Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL: Die Klägerin ist eine im Jahr 2013 gegründete ärztliche Praxisgemeinschaft. Am Vermögen der Klägerin waren die Gemeinschafter, Arzt A und Arzt B, jeweils hälftig beteiligt. Das Anlagevermögen wurde der Klägerin von A überlassen. Zur Deckung der laufenden Kosten leisteten A und B monatliche Beiträge. Die Klägerin fungierte als "reine Kostengemeinschaft" und sollte dem Gemeinschaftsvertrag zufolge keine Gewinne erwirtschaften.
Die Geschäftsführung der Klägerin übernahm im Wesentlichen A. Hierfür konnte A eine Vergütung beanspruchen, die er im Streitjahr auch erhielt.
Jeder Gemeinschafter übte nach dem Gemeinschaftsvertrag seine ärztliche Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung aus. Die Klägerin übernahm die zuvor bei A beschäftigten medizinischen Fachangestellten sowie eine Büro- und Rezeptionskraft.
Darüber hinaus schloss die Klägerin mit einer Krankengymnastin (X) und einer Heilpraktikerin (Y) jeweils einen "Freier-Mitarbeiter-Vertrag", in dem sich X und Y jeweils verpflichteten, in den Praxisräumen der Klägerin Muskelentspannungstraining beziehungsweise psychologische Tätigkeiten auf eigene Verantwortung durchzuführen. Hierfür erhielten sie von der Klägerin jeweils eine Vergütung von 60 % der Erlöse. Die Abrechnungen gegenüber den Krankenversicherungen und gegenüber den Privatpatienten sollte "durch die Geschäftsführung der Praxis" vorgenommen werden. Außerdem führte eine Diplompsychologin (Z) in den Praxisräumen der Klägerin als freie Mitarbeiterin psychologische Tätigkeiten aus. Hierfür erhielt sie von der Klägerin einen prozentualen Anteil der Vergütungen für Schmerzbewältigungs- und Muskelentspannungstraining.
A rechnete im eigenen Namen gegenüber den freien Mitarbeiterinnen durch Gutschriften ab. Umsatzsteuer wies er darin nicht aus. Die Klägerin zahlte die Vergütungen an X, Y und Z aus. Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder -Erklärungen für das Streitjahr gab die Klägerin nicht ab.
Das FA vertrat die Auffassung, dass die Klägerin umsatzsteuerliche Unternehmerin ist und an ihre Gemeinschafter steuerbare Leistungen gegen Entgelt erbracht hat. Diese Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, soweit sie nicht in der steuerfreien Überlassung von Räumlichkeiten bestünden oder unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien (u.a. Verwaltungstätigkeiten für die Gemeinschafter sowie Arbeiten bei der Erstellung der Abrechnungen, den Zahlungsverkehr, die Praxisorganisationsleistungen und die Raumpflege). Darüber hinaus habe A mit seiner Geschäftsführungsleistung gegen Entgelt eine steuerbare Leistung an eine Praxisgemeinschaft erbracht, die teilweise nicht steuerfrei sei.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (, s. hierzu Nürnberg, ).
Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA zurück:
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin, die trotz ihrer Bezeichnung als Gemeinschaft zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks nach außen aufgetreten und damit eine Gesellschaft ist, selbst als Unternehmerin steuerbare Umsätze an A und B erbracht hat. Es hat gleichfalls zutreffend dahin erkannt, dass mögliche Geschäftsführungsleistungen des A an die Klägerin nicht dazu gehören.
Eine zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks nach außen auftretende Praxisgemeinschaft ist Unternehmerin.
Eine aus Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft, die Leistungen für die Führung ihrer eigenen Geschäfte bezieht, erbringt nicht zwangsläufig gleichzeitig Geschäftsführungsleistungen an ihre Mitglieder.
Vorliegend dienten die Geschäftsführungsleistungen des A der Innenorganisation der Klägerin. Sie führten "nicht ohne weiteres" zu einer Leistungsabgabe durch die Klägerin. Diese tatsächliche Würdigung durch das FG ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung und bindet daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO.
Eine aus Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft, die mit einer bei ihr angestellten Arbeitnehmerin Reinigungsleistungen an ihre Mitglieder ausführt und steuerfreie Leistungen von Subunternehmern bezieht, um die bezogenen Leistungen unmittelbar an ihre Mitglieder für die Ausübung von deren ärztlicher Tätigkeit weiterzuleiten, kann sich für Besteuerungszeiträume vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG erfolgreich auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen, wenn die Praxisgemeinschaft hierfür lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert und aufgrund der Gewährung der Steuerbefreiung keine Wettbewerbsverzerrungen drohen.
Diese Voraussetzungen liegen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall vor.
Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:
Die Entscheidung des BFH betrifft die Steuerbarkeit von Geschäftsführungsleistungen einer Praxisgemeinschaft. Damit ergeben sich bereits zwei Prüfungsebenen. Erstens stellt sich die Frage, ob an sich diese Geschäftsführungsleistungen steuerbar sind und zweitens, ob sich durch die Verlagerung dieser Leistungen auf die Praxisgemeinschaft etwas verändert, was der Senat im Ergebnis verneint hat.
Die Entscheidung folgt zunächst der Ansicht des FG, soweit diese bei den streitigen Leistungen von einer Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ausgeht.
Des Weiteren sind die Leistungen zwar steuerbar aber sie sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Da sich die Klägerin darauf berufen hat - nur dann kommt auch eine Berücksichtigung im finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht -, konnte der Senat diese Steuerbefreiung, die sich im nationalen Recht nicht ohne Weiteres wiederfindet, berücksichtigen. Er ließ daher offen, ob auch nach § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG eine Steuerbefreiung hätte beansprucht werden können.
Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass im Wesentlichen die gesamten Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten des Arztes der Steuerbefreiung unterliegen. Von einer Wettbewerbsverzerrung ist dabei auch nicht auszugehen (s. dazu Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet v. - C-616/15, EU:C:2017:272, Rz 45 ff.; "Kommission/Deutschland" , Rz 19, 35).
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
EAAAJ-82750