BGH Beschluss v. - 2 StR 309/24

Instanzenzug: LG Gießen Az: 7 KLs 10/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

21. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt in den Fällen II.2., II.3., II. 4. und II.6. der Urteilsgründung zu dessen Aufhebung und in den Fällen II.1. und II.5. der Urteilsgründe zu einer Neufassung des Schuldspruchs.

3a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts übergab der Angeklagte im Tatzeitraum in sechs Fällen im Auftrag unbekannter Dritter Marihuana und Haschisch im Kilogrammbereich, in einem Fall (Fall II.5. der Urteilsgründe) darüber hinaus 100 Gramm Amphetamin, an ebenfalls unbekannt gebliebene Käufer, von denen er in den Fällen II.3. (5.000 €) und II.5. der Urteilsgründe (8.000 €) auch den Kaufpreis für die Rauschmittel vereinnahmte. Die übergebenen Drogen waren in allen Fällen zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt, was der Angeklagte wusste.

4b) Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana und Haschisch – entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage – nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Danach bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten, die Marihuana und Haschisch und damit Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 4, 5 und 8 KCanG zum Gegenstand haben, nicht mehr – im Fall II.5. der Urteilsgründe nicht mehr ausschließlich – nach dem Betäubungsmittelgesetz, sondern nach dem Konsumcannabisgesetz. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen.

5aa) Hinsichtlich der Taten II.1. und II.5. der Urteilsgründe ist die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger als die nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. Denn der in Betracht kommende Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist milder als der des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer insoweit rechtsfehlerfrei verneint.

6Der Senat ändert den Schuldspruch in diesen beiden Fällen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Besitz von Cannabis und in einem Fall (Fall II.5. der Urteilsgründe) in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der weitgehend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7bb) In den Fällen II.2., II.3., II.4. und II.6. der Urteilsgründe scheidet eine Schuldspruchänderung aus. Die Strafkammer hat in diesen Fällen jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Ob hinsichtlich dieser Taten das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger ist und damit zur Anwendung gelangt oder es ungeachtet der Rechtsänderung bei dem Schuldspruch nach dem Betäubungsmittelgesetz zu verbleiben hat, hängt davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwere Fälle im Sinne des § 34 Abs. 3 KCanG einzustufen sind. Denn bei einer Anwendung des Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. , Rn. 15 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes in der vorliegenden Fallkonstellation jeweils einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 KCanG verneint und die Strafe dem Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte. Über die Fälle II.2., II.3., II.4. und II.6. der Urteilsgründe hat daher ein neues Tatgericht zu befinden.

82. Die Schuldspruchänderung in den Fällen II.1. und II.5. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen, weil der Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG deutlich niedrigere Mindest- und Höchststrafen vorsieht als der jeweils vom Landgericht zugrunde gelegte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG. Der Senat kann daher – ungeachtet des Umstandes, dass eine strafmildernde Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis („weiche Droge“) nicht mehr statthaft ist (vgl. , Rn. 5) – nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte (§ 337 StPO).

9Dies gilt auch für Fall II.5. der Urteilsgründe. Angesichts der großen Menge an Marihuana und Haschisch (insgesamt 5,5 Kilogramm) ist nicht auszuschließen, dass die Tathandlungen des Angeklagten in Bezug auf diese Drogen für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Findung der verhängten Einzelstrafe mitentscheidend waren. Auch wenn die Strafe in diesem Fall wegen der zusätzlichen Handelsmenge von 100 Gramm Amphetamin aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu bemessen war (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), ist durch die gesetzgeberische Wertung, die sich mit Blick auf die in § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG vorgesehene mildere Strafandrohung ergibt, der Strafe die Grundlage entzogen (vgl. , Rn. 10).

10Die Einzelstrafen sind daher in beiden Fällen neu zu bemessen.

113. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.2., II.3., II.4. und II.6. der Urteilsgründe und der Einzelstrafen in den übrigen Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

124. Die jeweiligen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Urteils nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

135. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3. der Urteilsgründe entzieht der Einziehungsentscheidung, soweit diese einen Betrag in Höhe von 8.000 € übersteigt, den Boden.

Zeng                   Appl                   Meyberg

             Lutz                 Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024B2STR309.24.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-82256