BGH Beschluss v. - 2 StR 229/24

Instanzenzug: LG Aachen Az: 67 KLs 35/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubter“ Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in sechs Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

21. Die Verfahrensrügen versagen aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

3Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht den Antrag des Angeklagten auf Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die in einem Chat versandten Lichtbilder eines Kraftfahrzeugs der Marke Audi nicht dasjenige Modell zeigen, welches der Angeklagte später auf sich zugelassen hat, rechtsfehlerfrei wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO abgelehnt hat.

42. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3 der Urteilsgründe) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Gleiches gilt für den Strafausspruch in diesem Fall.

53. Hingegen bedürfen die Schuldsprüche in den Fällen II.1, 2 und 4 bis 10 der Urteilsgründe der Änderung. Da sich die Verurteilung des Angeklagten in diesen Fällen auf Marihuana bezieht, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle auf das am – damit nach Verkündung des angegriffenen Urteils – in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I, Nr. 109) als in den konkreten Fällen milderes Gesetz abzustellen. Zudem bedarf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Korrektur.

6a) In den Fällen II.1, 2 und 4 bis 10 der Urteilsgründe ist das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Tatgeschehen nunmehr, wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt, als Handeltreiben mit Cannabis in acht Fällen nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu bewerten.

7aa) Die Fälle II.7 und 8 der Urteilsgründe, die die Strafkammer als rechtlich selbständige Taten gewertet hat, stehen, worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend hinweist, zueinander in Tateinheit.

8Insoweit ergibt sich aus den Feststellungen, dass der im Auftrag des Angeklagten handelnde Kurier im Fall II.8 der Urteilsgründe zehn Kilogramm Marihuana von einem Geschäftspartner des Angeklagten übernahm und bei dieser Gelegenheit neben dem hierfür vereinbarten Kaufpreis von 42.500 Euro auch die für das am Vortag (Fall II.7 der Urteilsgründe) erhaltene Marihuana noch ausstehende Restsumme von 10.950 Euro übergab.

9Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, also das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient. Das war hier der Fall. Damit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erfüllt (, BGHSt 63, 1, 8).

10bb) Eine tateinheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 26 StGB) kommt in den Fällen II.4 bis 7 sowie 9 der Urteilsgründe indes nicht in Betracht.

11Zwar hat der Angeklagte in diesen Fällen seinen Kurier dazu veranlasst, ihm die jeweils nicht geringen Mengen an Cannabis (zum unveränderten Grenzwert der nicht geringen Menge von Cannabis vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom – 2 StR 480/23, StV 2024, 587, 589 Rn. 27 ff.) aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland zu verbringen. Die Anstiftung zur Einfuhr geht hier jedoch – da im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes die Strafrahmen für Handeltreiben und Anstiftung zur Einfuhr gleichlaufen (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 26 StGB) – grundsätzlich als unselbständiger Teilakt im Handeltreiben auf (vgl. , Rn. 7 f.).

12b) Der Senat stellt die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO um. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

134. Die Strafaussprüche in den Fällen II.1, 2 und 4 bis 10 der Urteilsgründe haben keinen Bestand. Die Einzelstrafe im Fall II.8 der Urteilsgründe gerät bereits aufgrund der tateinheitlichen Verknüpfung mit Fall II.7 der Urteilsgründe in Wegfall. Gleichzeitig bedarf es der neuerlichen Zumessung der Einzelstrafe im Fall II.7 der Urteilsgründe. Dabei hindert § 358 Abs. 2 StPO das neue Tatgericht grundsätzlich nicht, diese Einzelstrafe aufgrund der Änderung des Konkurrenzverhältnisses zu erhöhen (vgl. , StV 2023, 449, 450), wobei nunmehr allerdings der mildere Strafrahmen des § 34 KCanG zugrunde zu legen ist. Die Gesetzesänderung zum Umgang mit Cannabis zum führt auch zu einer Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.1, 2, 4 bis 6 sowie 9 und 10 der Urteilsgründe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht bei der nunmehr gebotenen Anwendung des milderen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes in diesen Fällen zu geringeren Strafen gelangt wäre. Die Aufhebung der Einsatzstrafe im Fall II.6 der Urteilsgründe und acht weiterer Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

14Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

155. Die Einziehungsentscheidung bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt.

166. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass gegen den Angeklagten am durch ein Gericht in Belgien rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten wegen eines Betäubungsmitteldelikts verhängt wurde, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diese Freiheitsstrafe wäre, sofern ein deutsches Gericht sie ausgesprochen hätte, nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verurteilung gemäß § 55 StGB gesamtstrafenfähig. Den Umstand, dass eine im Ausland verhängte Strafe aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Vollstreckungshoheit des ausländischen Staates nicht gesamtstrafenfähig ist, muss der Tatrichter regelmäßig unter dem Gesichtspunkt des Härteausgleichs oder des Gesamtstrafenübels berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet gewesen wäre (vgl. , juris Rn. 24 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:241024B2STR229.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-82255