Instanzenzug: LG Aachen Az: 65 KLs 22/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Sie erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
3Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – nachfolgende Feststellungen getroffen:
4Am befand sich der Angeklagte mindestens zwanzig Minuten alleine in einer Wohnung, die weder sein Wohnsitz noch sein gewöhnlicher Aufenthaltsort war, und die den zuständigen Ermittlungsbehörden als Umschlagsplatz für Rauschgift bekannt war. Ihm war bekannt, dass sich in der Wohnung verteilt 55,29 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 20,9 Prozent Tetrahydrocannabinol und 7,648 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 94,2 Prozent Kokainhydrochlorid befanden. Die Betäubungsmittel und das Cannabis waren zum Handeltreiben bestimmt; dass der Angeklagte hiervon Kenntnis gehabt hätte oder an den Verkäufen beteiligt gewesen wäre, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen. Der Angeklagte hatte aber Kenntnis von dem Kokain und Cannabis und übte während seiner Anwesenheit in der Wohnung die Verfügungsgewalt hierüber zumindest für einen unbekannten Dritten aus.
II.
5Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
61. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt zu der durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I 2024 Nr. 109) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Strafausspruchs.
7a) Die revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruchs hat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO als im konkreten Fall milder nach Maßgabe des am in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes zu erfolgen (vgl. , NJW 2024, 1968, 1969).
8aa) Hiernach stellt sich das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen nunmehr als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (7,648 Gramm Kokain mit 7,2 Gramm KHC) in Tateinheit mit Besitz von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG dar. Die auch insoweit festgestellte Überschreitung der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC (vgl. , NJW 2024, 1968, 1969) ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit – anders als bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern einen Regelfall des besonders schweren Falls nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt und das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (vgl. , NStZ-RR 2024, 215).
9bb) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes im Sinne der vorgenannten Vorschriften hält – entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes geäußerten Auffassung – revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
10Der Begriff des Besitzes im Sinne des Betäubungsmittelrechts, der auch im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes gilt (vgl. Patzak/Fabricius/Patzak, Betäubungsmittelgesetz, 11. Aufl., KCanG § 34 Rn. 26), umfasst ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis verbunden mit einem Besitzwillen, der darauf gerichtet ist, sich die ungehinderte Einwirkung auf die Sache zu erhalten (vgl. , NStZ-RR 2023, 282, 283). Besitzer in diesem Sinne ist dabei nicht nur ein Eigenbesitzer, sondern auch ein Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will (vgl. , Rn. 7 mwN). Die tatsächliche Dauer der Sachherrschaft ist hierfür nicht entscheidend (vgl. Rn. 17). Sie stellt lediglich ein Indiz für die Begründung eigener, von einem Besitzwillen getragener Herrschaftsgewalt über die Betäubungsmittel dar, indes kein zusätzliches Erfordernis für das Vorliegen von Besitz im betäubungsmittelrechtlichen Sinne (vgl. , NStZ 2020, 41).
11Hiervon ausgehend ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe wissentlich und willentlich alleinigen Zugriff auf das in der Wohnung befindliche Kokain und Cannabis gehabt und die Verfügungsgewalt jedenfalls für einen anderen ausgeübt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Unklarheiten darüber, wie die Rauschmittel in die Wohnung gelangten, haben bei dieser Tatsachengrundlage – entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes geäußerten Auffassung – keine Auswirkungen auf den Besitzwillen.
12Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwaltes hat die Strafkammer ihre Überzeugungsbildung nicht überwiegend darauf gestützt, dass der Angeklagte gelogen habe. Vielmehr ist sie der insoweit bestreitenden Einlassung des Angeklagten, er habe keine Kenntnis von Kokain und Cannabis gehabt, nicht gefolgt, sondern hat sie auf Basis einer Reihe an Indizien als widerlegt betrachtet und sich in einer auf dieser Indizienlage basierenden Gesamtschau die positive Überzeugung davon gebildet, dass der Angeklagte einerseits Kenntnis von den Rauschmitteln hatte, andererseits auch die willentliche Verfügungsgewalt über diese ausübte. Dabei hat sie sich unter anderem auf die rechtsfehlerfrei belegte Gesamtsituation in der Wohnung gestützt, nach der der Angeklagte persönliche Gegenstände in der Couch versteckt hatte, die Rauschmittel teilweise offen auf dem Tisch bzw. Stuhl im Wohnzimmer lagen und der Angeklagte – was er selbst einräumte – das „Portionierungsmesser“, an dem sich Anhaftungen des Kokains fanden, benutzt hatte.
13Soweit die Strafkammer unter anderem auch darauf abstellt, der Angeklagte könne aufgrund einer Mischspur als Spurenleger an einer Feinwaage und einer Teile des Kokains enthaltenden Tasse nicht ausgeschlossen werden, genügt die Darstellung der Ergebnisse des DNA-Gutachtens in den Urteilsgründen zwar nicht den hieran gestellten Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung; es fehlt bereits die Mitteilung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit (vgl. , Rn. 10; Beschluss vom – 2 StR 325/20, Rn. 10). Indes lässt sich der DNA-Analyse dessen ungeachtet Indizwirkung dahingehend beimessen, dass der Angeklagte als Mitverursacher einer Spur in Betracht kommt (vgl. , Rn. 13; Beschluss vom – 2 StR 325/20, Rn. 13). Gemessen hieran ist bereits nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer der Mischspur „Indizwirkung von untergeordneter Rolle“ beigemessen hat.
14cc) Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
15b) Die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar verbleibt es bei dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG. Der Senat kann angesichts des veränderten Schuldumfangs und aufgrund des Besitzanteils an Cannabis ungeachtet des bereits mildernd berücksichtigten Umstands, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handele, nicht ausschließen, dass sich die geänderte rechtliche Bewertung auf die Höhe der Strafe ausgewirkt hat.
162. Daneben bedarf die Einziehungsentscheidung der Klarstellung.
17Die auf der Grundlage von § 33 Satz 2 BtMG bzw. § 37 Satz 2 KCanG i.V.m. § 74a StGB zulässige Einziehungsanordnung ist hinsichtlich des „sichergestellten Cannabis und Kokains“ nicht hinreichend bestimmt. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu bezeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Fall von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 3). Da die erforderlichen Angaben zu den nicht zum Eigenkonsum bestimmten Betäubungsmittel- und Cannabismengen insoweit in den Urteilsgründen enthalten sind, hat der Senat die Einziehungsentscheidung gemäß § 354 Abs. 1 StPO neu gefasst (vgl. Rn. 6).
183. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können durch solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Menges Appl Meyberg
Grube Lutz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024U2STR186.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-82254