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Thüringer FG Urteil v. - 3 K 332/22

Gesetze: UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UStG § 25f Abs. 1 Nr. 2, UStG § 27 Abs. 30

Vorsteuerabzug aus Gold- und Edelmetallkäufen: Entfallen der Gutgläubigkeit des Leistungsemempfängers und des Rechts auf Vorsteuerabzug infolge von staatsanwaltlicher Durchsuchung der Geschäftsräume im Zusammenhang mit den Edelmetalllieferungen eines bestimmten Lieferanten

Leitsatz

1. Nach der ständigen EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hatte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (sogenannte „Missbrauchs-Rechtsprechung”). Die einzige für die Versagung des Abzugsrechts in einer solchen Situation entscheidende aktive Handlung besteht im Erwerb der Gegenstände, sodass es keiner sonstigen aktiven Beteiligung an der Steuerhinterziehung oder der Verschleierung der Lieferbeziehungen und des Lieferers bedarf. Die Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen muss nicht erwiesen sein. Ebenso irrelevant ist, ob er durch den Umsatz einen Steuervorteil erlangt hat.

2. Wenn Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen, kann der Steuerpflichtige nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen, und dies auch geeignet zu dokumentieren. Kommt der Steuerpflichtige, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, diesen Anforderungen nach, darf er auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, das Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren. Welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall vom Steuerpflichtigen vernünftigerweise verlangt werden können, um die Beteiligung an einem fremden Mehrwertsteuerbetrug zu verhindern, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab.

3. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers ist der Leistungsbezug. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist nur zu versagen, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Leistungsbezug an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist. Es entfällt aber nicht, wenn der Leistungsempfänger, der seine Leistung noch „in gutem Glauben” bezogen hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweitig begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war

4. Wurden die Geschäftsräume eines Beziehers von Gold- und Edelmetalllieferungen von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der bandenmäßigen Steuerhinterziehung unter anderem gegen einen bestimmten Lieferanten mit dem Ziel und dem Ergebnis durchsucht, Unterlagen über Edelmetalllieferungen dieses Lieferanten zu finden, und sind dem Leistungsempfänger zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere beschuldigte Person bekannt, so kann die in diesem Rahmen erfolgte Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses an die Geschäftsführer der Leistungsempfängerin dazu führen, dass diese ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als gut-, sondern als bösgläubig gilt und jedenfalls ab da hätte wissen müssen, dass sie sich mit den Erwerben von diesem Lieferanten an hinterziehungsbehafteten Umsätzen beteiligt hat. Für die Bösgläubigkeit spricht es unter anderem, wenn die Leistungsempfägerin anschließend nicht sofort Auskünfte bei dem Lieferanten bzw. dessen Geschäftsführern eingeholt und dies dokumentiert hat, allen voran zur Herkunft des gelieferten Materials, der bisherigen Lieferkette sowie den Hintergründen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, sondern wenn die Leistungsempfängerin stattdessen von diesem Lieferanten weiter in erheblichem Umfang Edelmetalle gegen Barzahlung angekauft hat.

5. Jedenfalls durfte die Leistungsempfängerin ab dem Zeitpunkt der Durchsuchung und der Kenntniserlangung vom Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses nicht mehr auf die zuvor vorgenommenen Überprüfungsmaßnahmen (Einholung der Gewerbeerlaubnis und von Handelsregisterauszügen, Kopien von Personalausweisen der handelnden Personen, Prüfung der Umsatzsteuer-ID-Nummer des Lieferanten) vertrauen. Ebenso wäre von einem redlichen Steuerpflichtigen zu verlangen gewesen, dass er die (horrenden) Barzahlungen an den Lieferanten unverzüglich einstellt, einzig um das Risiko zu verringern, selbst Teil der Hinterziehungskette zu werden.

Fundstelle(n):
XAAAJ-82145

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Thüringer FG, Urteil v. 22.08.2023 - 3 K 332/22

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