Instanzenzug: LG Kaiserslautern Az: 4 KLs 6018 Js 23289/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Herstellens einer jugendpornographischen Schrift (Fall II. 1 der Urteilsgründe), Herstellens einer kinderpornographischen Schrift in Tateinheit mit öffentlichem Zugänglichmachen einer kinderpornographischen Schrift (Fall II. 2 der Urteilsgründe), Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (Fall II. 3 der Urteilsgründe), Besitzes kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 4 der Urteilsgründe) sowie Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte an eine andere Person in 21 „tatmehrheitlichen“ Fällen (Fälle II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen wurden am im Zimmer des Angeklagten in der mütterlichen Wohnung mehrere von ihm verwahrte Datenträger mit 16.944 Bild- und 1.595 Videodateien kinderpornographischen Inhalts aufgefunden und sichergestellt. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Angeklagte zudem über 3.173 Bild- und 2.645 Videodateien solchen Inhalts, die er zuvor im Speicher seines Mobiltelefons Samsung Galaxy S 21 abgelegt hatte. Dieses konnte erst am nach Herausgabe durch den Angeklagten sichergestellt werden. Auf einem der im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen Datenträger befand sich die vom Angeklagten am hergestellte Videoaufnahme eines Jugendlichen beim Masturbieren (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Einen Tag später – am – hatte er mit seinem Mobiltelefon Samsung Galaxy S 10 sechs Bilddateien von dem unbekleideten Penis eines unter 14 Jahre alten Jungen angefertigt und auf einer dem Austausch kinderpornographischer Inhalte dienenden Plattform im Darknet einer unbestimmten Vielzahl von anderen Nutzern zum Betrachten und Herunterladen bereitgestellt (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Mit dem erst Ende März 2022 sichergestellten Mobiltelefon hatte der Angeklagte seit dem bis zur Herausgabe des Geräts an 21 verschiedene Personen Bild- und Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt in Einzelchats auf einer für diesen Zweck eingerichteten Tauschbörse über die Messenger-App Telegram versandt (Fälle II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe).
3(Fall II. 4 der Urteilsgründe)
42. Das Urteil hält hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Bewertung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
5Der Schuldspruch in den Fällen II. 1 und II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe bedarf insoweit der Änderung, als der Angeklagte in diesen Fällen in weiterer Tateinheit des Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig ist.
6a) Der zeitgleiche Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten und darüberhinausgehenden kinderpornographischen Inhalten verknüpft den Besitz kinderpornographischer Inhalte mit jeder Handlung des Zugänglichmachens zu einer einheitlichen Tat. Zwar verdrängt diese prinzipiell härter bestrafte Begehungsweise (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB) grundsätzlich diejenige des Besitzes solcher Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 StGB als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung und zudem nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz in zeitlicher und quantitativer Hinsicht über den – für das Zugänglichmachen erforderlichen – Besitz hinaus, tritt das Dauerdelikt des Besitzes tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem Besitz mehrerer kinderpornographischer Inhalte ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 StGB zu Grunde. Bei gleichzeitigem Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten kinderpornographischen Inhalten – hier in den Fällen II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe – und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 2 StR 321/19 Rn. 19; Beschluss vom – 3 StR 180/18 Rn. 15).
7b) Die gleiche konkurrenzrechtliche Erwägung gilt im Fall II. 1 der Urteilsgründe. Der „überdauernde“ Besitz der am hergestellten Videoaufnahme jugendpornographischen Inhalts (§ 184c Abs. 3 Var. 3 StGB aF) wird zunächst – für den Zeitpunkt der Herstellung – durch die einem höheren Strafmaß unterfallende Tatvariante des Herstellens (§ 184c Abs. 1 Nr. 3 StGB aF) als subsidiär verdrängt (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 3 StR 123/23 Rn. 15; Beschluss vom – 4 StR 48/21 Rn. 6). Hingegen wird der zeitlich nachfolgende Besitz dieses selbst hergestellten Videos für die konkurrenzrechtliche Einordnung vorliegend wieder relevant. Denn er überschneidet sich jedenfalls am Tag der Wohnungsdurchsuchung mit dem Besitz an sämtlichen inkriminierten Dateien kinderpornographischen Inhalts, die der Angeklagte damals verwahrte (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Wegen dieser Teilidentität der Ausführungshandlungen ist der Besitz der kinderpornographischen Inhalte nicht tatmehrheitlich zum Herstellungsakt der jugendpornographischen Schrift (Fall II. 1 der Urteilsgründe) zu ahnden (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 110/20 Rn. 5).
8c) Im Übrigen verbleibt es bei der tatmehrheitlichen Verurteilung in den Fällen II. 1 und II. 2 sowie in den Fällen II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe. Aus den Feststellungen ergibt sich zwar, dass der Angeklagte die in 21 Einzelchats versandten Dateien noch am mit weiteren kinderpornographischen Inhalten auf seinem Mobiltelefon gespeichert hatte. Auch besaß er bei Herstellung der kinderpornographischen Bilddateien am (Fall II. 2 der Urteilsgründe) bereits das am Vortag hergestellte jugendpornographische Video (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Der durchgehende Besitz ist aber nicht in der Lage, mehrere selbstständige Herstellungs- bzw. Verbreitungstaten zu verklammern; denn der Tatbestand des Besitzes bleibt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung zum Ausdruck kommt, hinter demjenigen der Herstellung und Verbreitung zurück (vgl. Rn. 4 [Herstellen]; Beschluss vom – 3 StR 301/23 Rn. 5 [Herstellen]; Beschluss vom – 3 StR 180/18 Rn. 21 [Verbreiten]). Eine Verklammerung der Herstellung des jugendpornographischen Videos (Fall II. 1 der Urteilsgründe) mit den 21 Fällen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte (Fälle II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe) kommt nicht in Betracht, weil der Dauerbesitz an der selbst hergestellten jugendpornographischen Videoaufnahme mit der Sicherstellung am endete, während es erst im Anschluss daran zu den Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte kam.
93. Der Senat ändert in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
104. Die im Fall II. 4 der Urteilsgründe erkannte Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe entfällt. Die in den Fällen II. 1 und II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen können dagegen – mit Ausnahme des Falls II. 17 der Urteilsgründe – bestehen bleiben.
11a) Die für Fall II. 17 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ist auf ein Jahr herabzusetzen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es ist dem Landgericht bei der Festsetzung dieser Einzelstrafe ein Fehler bei der von ihm an sich rechtsfehlerfrei gewählten Abstufung unterlaufen, soweit es in den vergleichbaren Fällen II. 20 und II. 22 der Urteilsgründe, in denen sich die Versendung lediglich auf sogenannte „Posing-Bilder“ bezog, Einzelstrafen von einem Jahr verhängt hat.
12b) Dadurch, dass in den Fällen II. 1 und II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe der jeweils in weiterer Tateinheit verwirklichte Besitz kinderpornographischer Inhalte unberücksichtigt geblieben ist, ergibt sich keine Beschwer des Angeklagten. Soweit das Landgericht in den Fällen II. 5 bis II. 25 der Urteilsgründe die Strafe § 184b Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung entnommen hat, ist der Strafrahmen inzwischen durch Gesetz vom (BGBl. 2024 I Nr. 213) mit Wirkung zum herabgesetzt worden, so dass das Revisionsgericht diese Fassung gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO zur Anwendung zu bringen hat. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Landgericht in Kenntnis des milderen Strafrahmens niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Es hat nämlich im Wissen um die Gesetzgebungsdebatte zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 und 3 StGB bereits geprüft, ob die Taten unter Zugrundelegung eines – seinerzeit noch hypothetischen – milderen Strafrahmens anders als geschehen zu bestrafen wären, und dies in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint (vgl. Rn. 6).
135. Die festgesetzte Gesamtstrafe hat trotz des Wegfalls der Einsatzstrafe (Fall II. 4 der Urteilsgründe) Bestand. Eine abweichende Bewertung der Konkurrenzen wirkt sich regelmäßig nicht auf den Unrechts- und Schuldgehalt aus (st. Rspr.; vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 5 StR 497/23 Rn. 8; Beschluss vom – 3 StR 120/23 Rn. 19; jew. mwN). Diesem Grundsatz folgend vermag der Senat – auch unter Berücksichtigung der geringfügigen Abänderung der Einzelstrafe im Fall II. 17 der Urteilsgründe – angesichts der 18 rechtsfehlerfrei bemessenen Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe sowie der weiteren sechs Einzelstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Würdigung der Konkurrenzen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
146. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO; der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen.
Quentin Maatsch Scheuß
Marks Tschakert
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:221024B4STR309.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-82021