BGH Beschluss v. - 4 StR 308/24

Instanzenzug: Az: 36 KLs 45/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen unter Einbeziehung eines zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der Klarstellung, dass bei der nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe nicht – wie durch die Strafkammer tenoriert – das sondern die darin ausgesprochene Freiheitsstrafe einbezogen ist (vgl. Rn. 9). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

3Der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen im Hinblick auf den Übergriff im Waschkeller hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

41. Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte der Angeklagte zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt in der Zeit zwischen Ende 2019 und vor dem die seinerzeit zwischen acht und neun Jahre alte Nebenklägerin auf, ihn in den Waschkeller zu begleiten. Dort fragte er sie in Kenntnis ihres kindlichen Alters, ob er ihr „an den Hintern fassen“ dürfe, was die Zeugin zunächst verneinte. Der Angeklagte äußerte darauf, dass er ihr Vater sei, da sei das normal. Sodann streichelte er in sexuell bestimmter Weise über die „mit Leggings bekleideten Pobacken“ der Nebenklägerin. Im Anschluss drohte er ihr, sich von ihrer Mutter zu trennen, falls sie ihr von dem Vorfall berichte.

52. Danach hat der Angeklagte eine sexuelle Handlung gemäß § 184h Nr. 1 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin begangen.

6a) Sexuelle Handlungen im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Als erheblich im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB sind sexualbezogene Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen. Dazu bedarf es regelmäßig einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (st. Rspr.; vgl.  Rn. 15 mwN).

7Bei Tatbeständen, die dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit zwar geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener. Kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen für das geschützte Rechtsgut unbedeutende Berührungen genügen aber auch hier regelmäßig nicht (st. Rspr.; vgl.  Rn. 15 mwN). Die Schwelle zur Erheblichkeit kann jedoch überschritten sein, wenn über die bloße kurze Berührung hinaus weitere Umstände hinzukommen, die das Gewicht des Übergriffs erhöhen (st. Rspr.; vgl.  Rn. 15 mwN). Dabei kann es auch von Bedeutung sein, ob der Täter einen spezifisch sexualbezogenen Handlungsrahmen schafft oder in sonst erheblicher Weise auf das Tatopfer einwirkt (vgl. Rn. 7; Urteil vom – 5 StR 218/22 Rn. 27 mwN).

8b) Vorliegend hat der Angeklagte gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Nebenklägerin gehandelt. Zuvor hatte er sie dazu veranlasst, mit ihm in den Waschkeller zu kommen, wo er mit ihr allein war. Unter diesen Umständen ist es daher ausnahmsweise unschädlich, dass die Strafkammer nähere Feststellungen zur Tatausführung – insbesondere zur zeitlichen Dauer und zur Intensität des Streichelns – nicht getroffen hat.

9Ob die durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom (BGBl. I S. 1810) ab dem erfolgte Einstufung von § 176 Abs. 1 StGB als Verbrechen die Anlegung strengerer Maßstäbe zur Bejahung der Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB gebietet oder ob– mit dem 5. Strafsenat (vgl. Rn. 25) – von dem bisherigen Maßstab auszugehen ist, muss der Senat nicht entscheiden.

Quentin                         Maatsch                         Marks

              Tschakert                         Gödicke

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:061124B4STR308.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-82019