BGH Beschluss v. - 3 StR 386/24

Instanzenzug: Az: 16 KLs 18/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen den Rechtsfolgenausspruch. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hielten sich im Sommer 2023 viele Drogenabhängige und Obdachlose auf einem Baugelände in der Nähe des D.                   Hauptbahnhofs auf. Sie schliefen dort in provisorischen Zelten. Während eines nächtlichen Polizeieinsatzes befand sich auch der Angeklagte vor Ort. Er hatte seit dem Jahr 2016 durchgängig Heroin und Kokain mit der Folge eines Abhängigkeitssyndroms konsumiert, zuletzt jeweils zwei bis drei Gramm am Tag. Die Beamten trafen ihn in einem Zelt auf dem Boden sitzend mit „einer Konsumeinheit“ Heroin an, die er sich gerade in einer Spritze aufgezogen hatte, und stellten diese sicher.

II.

3Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.

41. Das Urteil hält im Strafausspruch der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Prüfung nicht stand. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falls erweist sich die Strafzumessung als rechtsfehlerhaft.

5a) Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen unbestraften, geständigen Heroin- und Kokainabhängigen. Die Tat zeichnet sich durch den kurzen Besitz einer äußerst geringen Betäubungsmittelmenge zum unmittelbaren Eigenkonsum ohne die konkrete Gefahr einer Weitergabe in einer von Blicken Dritter abgeschirmten Umgebung aus. Das Rauschgift wurde sichergestellt.

6b) Zwar hat das Landgericht von der durch § 29 Abs. 5 BtMG eröffneten Möglichkeit, von einer Bestrafung abzusehen, ohne Rechtsfehler keinen Gebrauch gemacht (vgl. , juris Rn. 11; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1674 ff.; s. allgemein u.a., BVerfGE 90, 145, 187 ff.).

7Auch ist es nicht generell ausgeschlossen, den Besitz einer geringen Menge Betäubungsmittel zum Eigenkonsum mit Freiheitsstrafe zu ahnden. Ein solches Vorgehen verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Übermaßverbot (s. , BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 4 Rn. 6; OLG Hamm, Beschlüsse vom - III-1 RVs 10/14, NStZ-RR 2014, 214 f.; vom - III-1 RVs 23/17, juris Rn. 13 f.; vom - III-4 RVs 150/18, OLGSt BtMG § 29 Nr. 24; [4] 161 Ss 42/20 [77/20], StV 2021, 49, 50). Eine Freiheitsstrafe kann sich in diesen Fällen als geboten erweisen, wenn Gründe in der Tat oder der Person des Täters die Schuld erhöhen, wie etwa bei einer konkreten Gefahr der Weitergabe der Drogen, einem öffentlichen Konsum auf Spielplätzen, zahlreichen Vorstrafen oder einem Bewährungsbruch. Wie immer ist eine Gesamtabwägung im Einzelfall erforderlich; eine schematische Betrachtung ist der Strafzumessung fremd (vgl. , BGHSt 57, 123 Rn. 32; Beschluss vom - 1 StR 467/18, juris Rn. 23).

8Den sich daraus ergebenden Anforderungen genügen die Urteilsausführungen jedoch nicht. Gründe, welche die persönliche Schuld des Angeklagten oder das geringe Tatunrecht erhöhen, sind nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit die hohe Gefährlichkeit der harten Droge Heroin als einziger Strafzumessungsgesichtspunkt zu Lasten des Angeklagten angeführt ist, hat die Strafkammer nicht erkennbar in den Blick genommen, dass hier keine ernstliche Gefahr für Dritte bestand, vielmehr eine suchtbedingte Selbstschädigung zu erwarten war. Die Strafzumessung verhält sich weder dazu, dass die Kleinstmenge der Droge dem Eigenkonsum diente (zur dadurch bedingten geringeren Gefährlichkeit einer harten Droge vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 287/00, StV 2000, 621; vom - 2 StR 348/22, juris Rn. 16), noch dazu, dass die Polizei sie nach dem nur kurzzeitigen Besitz sicherstellte. Für den hier zu beurteilenden Fall ist dabei nicht entscheidend, ob für den Besitztatbestand die Sicherstellung stets - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - als bestimmender Strafmilderungsgrund zu beurteilen ist (so BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 128/22, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 47 Rn. 3 f.; vom - 6 StR 295/23, juris Rn. 6; vom - 4 StR 62/23, juris Rn. 2; s. aber auch , juris Rn. 4 [„jedenfalls in Bezug auf solche Betäubungsmittel, die zum Weiterverkauf bestimmt sind“]).

9Insgesamt fehlt damit eine plausible Erklärung dafür, dass das festgesetzte Strafmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe einen gerechten Schuldausgleich darstellt. Sollte - was zu besorgen ist - nicht ohne Einfluss auf die Strafbemessung geblieben sein, dass der Angeklagte aufgrund der Dauer der Untersuchungshaft von gut acht Monaten keine Strafhaft mehr zu verbüßen hat, handelte es sich um einen sachfremden Gesichtspunkt. Dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend ist demnach der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.

10c) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es einer Prüfung der Strafaussetzung zur Bewährung nicht bedurft hätte; denn die verhängte Freiheitsstrafe ist bereits vollständig durch die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnende Untersuchungshaft erledigt gewesen. Für auf §§ 56 ff. StGB gestützte Entscheidungen ist in derartigen Fällen kein Raum (st. Rspr.; s. etwa , NStZ-RR 2024, 280, 282 mwN).

112. Soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, begegnen dem Urteil keine rechtlichen Bedenken.

Berg                         Paul                          Erbguth

             Kreicker                   Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:021024B3STR386.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-82013