BVerwG Beschluss v. - 4 BN 3/24, 4 BN 3/24 (4 CN 3/24)

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 10 A 15.19 Urteil

Gründe

11. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsgegner die am abgelaufene Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch das am an das Oberverwaltungsgericht übermittelte elektronische Dokument gewahrt.

2Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Regelung gilt in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 253 Abs. 4 ZPO auch für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und deren Begründung (BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 23.22 - NVwZ 2023, 1422 Rn. 2 und vom - 2 B 2.23 - NVwZ 2024, 595 Rn. 7).

3Gemäß § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten Signatur der verantwortenden Person versehen oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Auf diese Weise soll die Authentizität des Dokuments, d. h. die Verknüpfung des Erklärungsinhalts mit der Identität des Absenders als der verantwortenden Person, nachgewiesen werden (vgl. 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 5). Diesen Anforderungen ist hier Genüge getan.

4Die elektronisch übermittelte Beschwerdebegründung war zwar ausweislich des Prüfvermerks des Oberverwaltungsgerichts nicht nach der ersten Alternative mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen; anderes wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Das mit der maschinenschriftlichen Angabe des Namens des Prozessbevollmächtigten auf dem Schriftsatz ordnungsgemäß einfach signierte Dokument ( 20 F 15.22 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 100 Rn. 8; - BAGE 172, 186 Rn. 14 f.; - NJW-RR 2024, 331 Rn. 10 und - juris Rn. 5) wurde aber über das besondere elektronische Anwaltspostfach und die elektronische Poststelle des Gerichts und damit auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne der zweiten Alternative eingereicht (§ 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. §§ 31a f. BRAO und der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer - RAVPV -).

5Die ordnungsgemäße Einreichung auf diesem sicheren Übermittlungsweg setzt voraus, dass die das Dokument signierende und damit verantwortende Person, d. h. der Rechtsanwalt, dieses selbst versendet; die Versendung durch einen Dritten genügt nicht ( 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 4; - BAGE 171, 28 Rn. 14 ff.; - juris Rn. 17 sowie - NStZ-RR 2044, 254). Demnach bestimmt § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV, dass das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu versenden, nicht auf Dritte übertragen werden kann; § 26 RAVPV legt dem Postfachinhaber die Verpflichtung auf, den unbefugten Zugriff auf sein Postfach durch die erforderlichen Maßnahmen zu verhindern.

6Die Nutzung des sicheren Übermittlungswegs durch die berechtigte Person wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) bestätigt. Der vHN, der beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach durch die Bundesrechtsanwaltskammer sicherzustellen ist (§ 20 Abs. 3 RAVPV), ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die nachweist, dass der Postfachinhaber mit seiner persönlichen Kennung bei seinem Verzeichnisdienst angemeldet war und dass dieser Verzeichnisdienst ihn als Inhaber eines sicheren Übermittlungswegs ausweist ( 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 6 f.; - BAGE 171, 28 Rn. 27). Ob das eingegangene Dokument auf einem solchen Übermittlungsweg versandt worden ist, lässt sich anhand des Prüfvermerks, des Transfervermerks oder des Prüfprotokolls erkennen. Diese visualisieren den vHN, während auf dem eingegangenen Dokument selbst sich kein verlässlicher Hinweis auf den Übermittlungsweg befindet. Auf dem Transfervermerk, dem Prüfvermerk oder dem Prüfprotokoll in der EGVP-Empfangskomponente der Justiz lässt sich das Vorhandensein eines vHN bei den "Informationen zum Übermittlungsweg" durch den Eintrag: "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach" erkennen (siehe BRAK, beA-Anwenderhandbuch, November 2024, S. 152, 154). Hierdurch wird der Übermittlungsweg im Sinne des § 298 Abs. 2 und 3 ZPO aktenkundig gemacht (vgl. Müller, in: Ory/Werth, jurisPK-ERV, Band 3, 2. Aufl. 2022, § 55a VwGO Rn. 215 f., 220). Fehlt es demgegenüber am vHN, wird je nach festgestelltem Mangel und abhängig von der Art des genutzten vHN (siehe zum vHN 2, Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (vHN) 2, Spezifikation, Version 2.2, Stand , verfügbar unter https://www.egvp.justiz.de/Drittprodukte) vermerkt: "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach. Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt." bzw. "Keine Übermittlung über einen sicheren Übermittlungsweg, weil die Prüfung des Herkunftsnachweises des besonderen Anwaltspostfachs zu dem Ergebnis ‛ungültig’ führte." oder "Diese Nachricht wurde per EGVP versandt.", dies ggfs. mit der Ergänzung "Die Prüfung des Herkunftsnachweises führte zu dem Ergebnis ‛ungültig’." (siehe BRAK, a. a. O., S. 155 f.). An einer abschließenden - positiven oder negativen - Feststellung zum Vorliegen eines vHN fehlt es hier indessen. Im Prüfprotokoll des Oberverwaltungsgerichts wird vielmehr darauf hingewiesen, dass die "Prüfung des sicheren Übermittlungswegs zum Prüfungszeitpunkt nicht möglich" sei. Damit wird dokumentiert, dass das Ergebnis der Signaturprüfung unbestimmt ist (vgl. BRAK, a. a. O., S. 152, 154). Dies kann seine Ursache in Störungen des Intermediärs (siehe Tiedemann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024, § 46c ArbGG Rn. 44) oder der Nichterreichbarkeit des Verifikationsservers haben (BRAK, a. a. O., S. 157).

7Die Frage der ordnungsgemäßen Erhebung der Beschwerde hat der Senat im Wege des Freibeweises aufzuklären (vgl. 2 B 14.19 - Buchholz 310 § 56 VwGO Nr. 14 Rn. 10 m. w. N.; - BAGE 171, 28 Rn. 31). Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens sieht der Senat von der Anordnung weiterer technischer Prüfungen ab. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Oberverwaltungsgericht gegebene Begründung für einen Verzicht auf eine nochmalige Prüfung - eine solche sei angesichts der noch verwendeten, mittlerweile aber überholten GO§A-Version mit vertretbarem Aufwand nicht möglich - ohne Weiteres als tragfähig anerkannt werden kann. Denn der Senat kann sich schon anhand des vom Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vorgelegten Prüfprotokolls, das dem Rechtsanwalt eine verlässliche Ausgangskontrolle ermöglicht (siehe - NJW 2023, 1668 Rn. 23), davon überzeugen, dass ein vHN vorhanden ist. Das Prüfprotokoll vermerkt unter "Informationen zum Übermittlungsweg" - "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach." und weist den vHN auf der Grundlage der hierfür erforderlichen Dateien - vhn.xml und vhn.xml.p7s - nach (vgl. Müller, in: Ory/Werth, jurisPK-ERV, Band 3, 2. Aufl. 2022, § 55a VwGO Rn. 250 ff.; vHN 2, Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (vHN) 2, Spezifikation, Version 2.2, Stand , verfügbar unter https://www.egvp.justiz.de/Drittprodukte, S. 3). Als Gesamtprüfergebnis wird unter "Zusammenfassung und Struktur" darin wiedergegeben, dass sämtliche durchgeführten Prüfungen ein positives Ergebnis lieferten; beim Autor wird vermerkt: "Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis beA" - dies wird im Prüfprotokoll mit der "Ampelfarbe" grün unterlegt - sowie: "Die Signatur ist gültig. Alle notwendigen Prüfungen sind positiv verlaufen." (siehe auch hierzu BRAK, beA-Anwenderhandbuch, November 2024, S. 156 f.). Hiernach spricht viel dafür, dass der fehlende Hinweis auf den vHN beim Eingang im elektronischen Postfach des Oberverwaltungsgerichts auf einem technischen Fehler beruht.

82. Die Beschwerde ist begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

9Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, welche Auswirkungen die Einschränkung der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde auf den Lauf der Planungsschadensfrist nach § 42 Abs. 2 und 3 BauGB hat.

10Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:061124B4BN3.24.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-81929