Instanzenzug: Az: 1 BGs 267/24
Gründe
I.
1Die Angeschuldigte wurde in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des ) am festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich in zwei Fällen am 9. (richtig: 10.) und in Budapest als Mitglied an einer Vereinigung beteiligt, deren Zweck und Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet sei, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht seien, und habe dabei jeweils durch dieselbe Handlung mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich andere Personen mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung an der Gesundheit geschädigt, strafbar als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährliche Körperverletzung gemäß § 129 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2, Nr. 4 und 5, § 25 Abs. 2, § 53 StGB.
3Der Generalbundesanwalt hat unter dem Anklage erhoben und den Tatvorwurf rechtlich abweichend vom Haftbefehl gewertet. Hinsichtlich des Tatbestandes der gefährlichen Körperverletzung nimmt die Anklageschrift in beiden Fällen zudem das Qualifikationsmerkmal der Beibringung eines gesundheitsschädlichen Stoffes an sowie hinsichtlich eines Falls (II. 1. a) bb) (1) dieses Beschlusses) das Qualifikationsmerkmal eines hinterlistigen Überfalls. Überdies geht die Anklageschrift hinsichtlich des letztgenannten Falls von einem versuchten Mord aus.
II.
4Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
51. Die Angeschuldigte ist der ihr im Haftbefehl angelasteten Taten dringend verdächtig.
6a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7aa) Im Februar 2023 bestand eine aus jedenfalls den gesondert Verfolgten P. , D. , W. , T. , M. , A. , Mü. , G. , As. , S. , Sc. , Sa. , Ma. , An. und Ab. sowie E. und Me. gebildete Gruppierung, deren Ziel es war, in Deutschland und anderen europäischen Staaten - insbesondere anlässlich der Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ in Budapest - gemeinsam Gewaltstraftaten gegen Angehörige des politisch rechten Spektrums zu begehen. Sie stand in der Kontinuität eines Personenzusammenschlusses, der sich spätestens Anfang 2018 mit dem Schwerpunkt in L. aus der politisch links motivierten und militant eingestellten Szene herausgebildet hatte. Die Angehörigen dieses Personenzusammenschlusses, zu denen die gesondert Verfolgten M. , E. , G. und dessen damalige Lebensgefährtin En. gehörten, hatten bis Juni 2020 auf der Grundlage ihrer gemeinsamen linksextremistisch-antifaschistischen Einstellung sowie innerhalb der von ihnen gebilligten und für gerecht erachteten Militanz mit wechselnder Beteiligung wenigstens drei gewaltsame Angriffe auf Teilnehmer rechter Szeneveranstaltungen an außerhalb L. s gelegenen Bahnhöfen durchgeführt. Zudem hatten Mitglieder der Vereinigung in mindestens vier Fällen gezielt bekannte oder in der linken Szene bekanntgemachte Rechtsextremisten sowie in einem Fall situationsbedingt kurzentschlossen ein (vermeintlich) ebenfalls dem Zielspektrum entsprechendes Tatopfer angegriffen sowie durch Ausspähmaßnahmen einen weiteren solchen Angriff vorbereitet.
8Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor den Angriffen in Budapest, spätestens aber mit Beginn der Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ am , integrierte sich die Angeschuldigte neben den weiteren gesondert Verfolgten entweder in diesen bereits bestehenden Personenzusammenschluss oder alle genannten Personen bildeten eine neue Gruppierung. Handlungsleitende Motive aller Beteiligten betreffend die Beteiligung an dieser auf gefährliche Körperverletzungen gerichteten Organisation waren ein militanter Antifaschismus und die Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere des staatlichen Gewaltmonopols. Ziel der Angehörigen der Gruppierung war es, in Durchsetzung ihrer Überzeugungen mittels Gewalttätigkeiten gegen der rechten Szene zugehörige Personen deren politische Aktivitäten nachhaltig zu unterbinden und zugleich andere Rechtsextremisten durch die mit den Taten verbundene Signalwirkung abzuschrecken.
9Insgesamt verübten Mitglieder der Organisation im Februar 2023 in Budapest mindestens fünf linksextremistisch motivierte körperliche Angriffe auf (vermeintliche) Angehörige der rechten Szene, bei denen neun Personen nicht unerheblich, in zwei Fällen sogar lebensgefährlich verletzt wurden: Am überfielen die Angeschuldigte und weitere Beteiligte zunächst am Budapester We. im Bezirk einen ungarischen Staatsangehörigen und sodann auf dem Fö. Platz drei polnische Staatsangehörige. Am griffen Mitglieder der Vereinigung zur Mittagszeit auf dem Ga. Platz im Bezirk einen ungarischen Staatsangehörigen und am Abend in der Ba. Straße im Budapester Bezirk zwei weitere ungarische Staatsangehörige an. Am schließlich überfielen Angehörige der Gruppierung in der Mi. Straße im Bezirk zwei deutsche Staatsangehörige.
10Diese Angriffe folgten dem Muster der Überfälle, die von der um M. , G. und E. bestehenden Gruppierung in den Jahren 2018 bis 2020 begangen wurden; ihnen lagen bei sogenannten Szenariotrainings eingeübte Verhaltensweisen zu Grunde. So erfolgten alle Angriffe in Budapest stets aus einer personellen Überzahl von vermummten Angreifern heraus unter Verwendung von Pfeffer- und Gassprays. Daneben wurden - außer in einem Fall - Schlagwerkzeuge eingesetzt, mit denen die Angreifer binnen der vorab vereinbarten Angriffsdauer von etwa 30 Sekunden wiederholt auf die Geschädigten einschlugen, um diesen größtmöglichen gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Die zeitliche Begrenzung der Angriffsdauer sollte eine rechtzeitige Flucht aller Beteiligten sicherstellen. Zur Vorgehensweise bei den Überfällen gehörte auch die Verteilung auf angriffsspezifische Rollen. So gab es wenigstens einen Mittäter, der sich als „Überblicksperson“ selbst nicht unmittelbar an den körperlichen Misshandlungen beteiligte, sondern die Aufgabe innehatte, zur Hilfeleistung bereite Dritte von einem Eingreifen abzuhalten. Zugleich oblag es ihm als „Kommandogeber“, das Wirken der übrigen Angreifer zu koordinieren und nach Ablauf der vorab vereinbarten Angriffsdauer das Signal zum Rückzug zu geben.
11In Vorbereitung der Angriffe in Budapest hatten Angehörige der Tätergruppierung am 22. und über die Online-Buchungsplattform „ “ zwei Wohnungen, eine davon in der K. Straße , angemietet, die während des Tatzeitraums als Rückzugsort von den Gruppenmitgliedern genutzt wurden. Zur Kommunikation untereinander verwendeten die Vereinigungsmitglieder SIM-Karten, die auf nicht existente Personen registriert waren und daher nicht ohne Weiteres einem Nutzer zugeordnet werden konnten. Zudem veränderten die Angehörigen der Tätergruppierung regelmäßig zeitnah während der Flucht ihr Äußeres, um eine Wiedererkennung zu verhindern. Hierzu entledigten sie sich zumeist einzelner ihrer bei den Taten getragener Kleidungsstücke.
12bb) Die Angeschuldigte war in Umsetzung des Vereinigungszwecks an zwei der in Budapest verübten Taten beteiligt.
13(1) Am überfielen die Angeschuldigte und sieben gesondert Verfolgte auf dem Ga. Platz im Bezirk den ungarischen Staatsangehörigen Tó. .
14Gegen 11.30 Uhr hielten die Angeschuldigte sowie die anderen Personen am Sz. Platz Ausschau nach potentiellen Tatopfern. Dabei fiel ihnen wegen der von ihm getragenen Militärkleidung Tó. auf, der um 11.45 Uhr aus dem Linienbus ausstieg. Von seiner Ankunft am Sz. Platz an beobachteten die Angeschuldigte und die weiteren späteren Angreifer sowie darüber hinaus drei gesondert Verfolgte den Geschädigten. Als dieser gegen 11.50 Uhr seine Fahrt mit dem Bus der Linie in Richtung Ga. Platz fortsetzte, folgten ihm die Angeschuldigte sowie die sieben übrigen gesondert Verfolgten in der Erwartung, es werde sich eine geeignete Gelegenheit ergeben, ihn anzugreifen.
15Am Ga. Platz angekommen, versammelten sich die Angeschuldigte und die gesondert Verfolgten zunächst auf einem Parkplatz. Währenddessen trat die gesondert Verfolgte As. an den Geschädigten heran und fragte ihn auf Ungarisch, ob er beabsichtige, an Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ teilzunehmen. Seine Antwort, dass ihm eine Teilnahme nicht möglich sei, weil er arbeiten müsse, er aber Bekannte habe, die teilnehmen wollten, wies den Geschädigten in den Augen der Angreifer mit der für sie erforderlichen Gewissheit als rechtsextrem aus. Nachdem die gesondert Verfolgte As. sich kurz wieder zu ihren Begleitern begeben und von seiner Antwort berichtet hatte, beschlossen sie gemeinsam endgültig, Tó. körperlich anzugehen.
16Zu diesem Zweck näherten sich die Angreifer dem Geschädigten, der weiterhin auf dem Ga. Platz unterwegs war, eilig von hinten an. Tó. versah sich in diesem Moment keines Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit. Für den Geschädigten völlig unvermittelt versetzte ihm der gesondert Verfolgte S. sodann mit einem Teleskopschlagstock zunächst wenigstens vier Schläge in den Nacken- und Kopfbereich. Nachdem Tó. infolgedessen taumelnd zu Boden gegangen war, schlug der Täter noch mehrfach mit dem Schlagstock auf Kopf, Rücken und Brust ein. Derweil versuchten die Angeschuldigte sowie die gesondert Verfolgten Sa. , Ma. und An. , die Beine und Arme des Geschädigten am Boden zu fixieren, um ihn daran zu hindern, eine Schutzhaltung einzunehmen. So wollten sie dem gesondert Verfolgten S. eine größere Angriffsfläche für die von ihm ausgeführten Schläge bieten. Darüber hinaus schlugen und traten die gesondert Verfolgten Sa. , Ma. und An. auch selbst mehrfach auf den Kopf und den Körper des Geschädigten ein; die gesondert Verfolgte W. schlug mit einem Kubotan dreimal gezielt auf seinen Kopf. Während der von den übrigen Angreifern ausgeführten Misshandlungen sicherten die gesondert Verfolgten D. und As. das Vorgehen gegen ein etwaiges Zuhilfekommen durch Dritte ab, indem sie die Arme ausbreiteten und sich vor die den Angriff beobachtenden Passanten stellten. Der Beschuldigten As. kam zudem, wie zuvor abgesprochen, die Funktion der „Kommandogeberin“ zu, die durch Klatschen mit den Händen das Ende des Angriffs signalisierte. Unmittelbar nach ihrem Kommando sprühte die gesondert Verfolgte D. Pfefferspray in das Gesicht des Geschädigten. Im Anschluss rannten die Angreifer los und kümmerten sich nicht weiter um ihr erkennbar stark blutend am Boden liegendes Opfer.
17Der Geschädigte Tó. erlitt mehrfache Schädelprellungen, Prellungen am rechten Brustkorb, neben der Wirbelsäule und am rechten Knie sowie diverse Kopfplatzwunden, die genäht werden mussten. Solche Folgen hatten die Angreifer beabsichtigt. Aufgrund des massiven Einwirkens insbesondere auf den Kopf bestand darüber hinaus die reale Gefahr, dass Tó. bei dem Angriff noch schwerere, eventuell sogar tödliche Verletzungen hätte erleiden können. Die diese Gefahr begründenden Umstände erkannten die Angreifer.
18(2) Kurz nach Mitternacht des verübten die Angeschuldigte sowie fünf gesondert Verfolgte in der Mi. Straße im Bezirk einen Angriff auf die deutschen Staatsangehörigen F. und B. .
19Die Gruppe der Angreifer hatte sich zunächst am gegen 22.15 Uhr im Restaurant „ “ in der O. Straße mit anderen gesondert Verfolgten getroffen. Die anwesenden Angehörigen der Tätergruppierung gingen davon aus, dass zu dieser Zeit in der Stadt noch Teilnehmer der Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ unterwegs waren, die für sie lohnenswerte Angriffsziele darstellen könnten. Vom Restaurant aus wollten sie - aufgeteilt in zwei Gruppen - losgehen, nach solchen Personen Ausschau halten und diese bei passender Gelegenheit entsprechend ihrer gemeinsamen Zielsetzung körperlich angreifen.
20 F. und B. , die aus Anlass der Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ nach Budapest gekommen waren und sich auf dem Heimweg von einem Konzert unter anderem der national gesinnten Schweizer Sängerin „ “ im „ “ Pub in der Bar. Straße befanden, waren nach dem Ende des Konzerts um 00.01 Uhr am nur wenige Hundert Meter entfernten Mó. Platz in eine Straßenbahn eingestiegen. Dort wurden sie von der Angeschuldigten sowie den weiteren Begleitern bemerkt, die um 00.05 Uhr am Sze. Platz in dieselbe Straßenbahn zustiegen. Aufgrund der vom Geschädigten F. getragenen Jacke der in rechtsextremen Kreisen populären Marke „ “ wurden die Geschädigten dem rechten Spektrum zugeordnet und deshalb als Opfer auserkoren.
21Um eine günstige Gelegenheit für einen Angriff abzupassen, beobachteten die Angeschuldigte sowie fünf gesondert Verfolgte die Geschädigten F. und B. zunächst in der Straßenbahn. Anschließend folgten sie F. und B. , als diese die Bahn in der Mi. Straße verließen und zu Fuß in Richtung ihrer Unterkunft weitergingen. Als die Geschädigten ihre Unterkunft erreicht hatten und B. den Zugangscode zur Haustür eingeben wollte, rief schließlich eine der weiblichen Angreiferinnen: „Go!“ und gab damit das Kommando zum Angriff. Daraufhin rannten die Angeschuldigte und die weiteren Angreifer auf die Geschädigten zu, schlugen mit Schlagwerkzeugen, darunter mehrere Schlagstöcke sowie ein kleiner Hammer, auf sie ein und versetzten ihnen vereinzelte Tritte. Der Geschädigte F. wurde - über-wiegend am Kopf - von wenigstens 15 Schlägen getroffen. Die Geschädigte B. , die aufgrund der Einwirkung zu Boden ging, erhielt eine unbekannte Anzahl an Schlägen. Auf den Ausruf „Stopp“ oder „Schluss“ der „Kommandogeberin“ stellten die Angreifer die Schläge ein und besprühten die Geschädigten abschließend mit Pfefferspray. Dann flüchteten sie.
22 F. erlitt bei dem Angriff multiple Kopfplatzwunden, die genäht werden mussten, sowie Prellungen und Hämatome im Kopf- und Gesichtsbereich. B. trug bei dem Angriff eine behandlungsbedürftige Kopfplatzwunde, multiple Prellungen am Körper sowie Reizungen der Schleimhäute und Augen davon. Solche Folgen hatten die Angreifer beabsichtigt. Aufgrund des massiven Einwirkens insbesondere auf den Kopf der Geschädigten bestand darüber hinaus die reale Gefahr, dass diese bei dem Angriff noch schwerere, eventuell sogar tödliche Verletzungen hätte erleiden können. Die diese Gefahr begründenden Umstände erkannten die Angreifer.
23b) Die Angeschuldigte hat sich zu den Tatvorwürfen bislang nicht eingelassen.
24Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) hinsichtlich der ihr zur Last gelegten Taten beruht auf Folgendem:
25aa) Die Abläufe der beiden Angriffe und ihre Folgen sind den jeweiligen polizeilichen Ermittlungen zu entnehmen und werden insbesondere belegt durch Zeugenaussagen, Arztberichte und Gutachten sowie die Auswertung von Videoaufnahmen und Asservaten.
26bb) Belege für die Mitwirkung der Angeschuldigten an den beiden Angriffen und ihre hierin liegenden Beteiligungshandlungen an der kriminellen Vereinigung ergeben sich aus den Erkenntnissen zu den Einzelvorgängen, insbesondere aus der Identifizierung der Angeschuldigten und der ganz überwiegenden Zahl der weiter beteiligten Personen anhand von Vergleichen verschiedener Videoaufnahmen. Diese zeigen die Angeschuldigte als Bestandteil einer Teilgruppe jeweils bei der planvollen Beobachtung und Verfolgung der später Geschädigten sowie bei der Tatausführung.
27cc) Dafür, dass sich die Angeschuldigte durch ihre Mitwirkung an den beiden Angriffen auf die Geschädigten zugleich mitgliedschaftlich an einem längerfristig organisierten Personenzusammenschluss beteiligte, spricht mit hohem Gewicht deren serielle Ausführung unter gleichartigen Bedingungen und unter Beteiligung überwiegend derselben Personen. Hinzu kommt die bereits Monate zuvor organisierte Anmietung der als Operationsbasis dienenden Wohnungen, wobei die Angeschuldigte - ausweislich ausgewerteter Videoaufnahmen - uneingeschränkt Zugang zu der Wohnung in der K. Straße hatte.
28dd) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des und die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom (S. 17 - 47) sowie die dort jeweils angeführten Nachweise aus der Sachakte Bezug genommen.
29c) Das dargelegte Verhalten der Angeschuldigten begründet in rechtlicher Hinsicht den dringenden Tatverdacht jedenfalls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 129 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, Nr. 2 Alternative 2, Nr. 4 und 5, § 25 Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 1 StGB). Im Einzelnen:
30aa) Dass die unmittelbar Beteiligten in zwei Fällen zum Nachteil der Geschädigten täterschaftliche gefährliche Körperverletzungen nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, Nr. 2 Alternative 2, Nr. 4 und 5 StGB verübten, bedarf keiner näheren Ausführungen (zum Verhältnis von Nr. 1 und Nr. 2 vgl. , juris Rn. 20 ff.).
31Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich - wie hier - auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. nur , juris Rn. 4 mwN).
32Hieran gemessen handelte die Angeschuldigte als Mittäterin. Sie beteiligte sich nach der derzeitigen Beweislage jeweils an dem konkreten Angriffsgeschehen und damit bei der unmittelbaren Tatausführung in Übereinstimmung mit den und als Ergänzung der Tatbeiträge der weiteren Beteiligten.
33bb) Die spätestens seit Februar 2023 existierende Vereinigung erfüllt die Begriffsmerkmale des § 129 Abs. 2 StGB.
34Die Annahme mitgliedschaftlicher Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Gruppierung voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb des Zusammenschlusses einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein eine Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch eine Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - AK 39/24, juris Rn. 37; vom - AK 108/23, NStZ-RR 2024, 111, 112; vom - AK 33/22, juris Rn. 33; vom - AK 18/22, juris Rn. 5).
35Diese Anforderungen sind in der Person der Angeschuldigten erfüllt. Über den Umstand hinaus, dass sie ungehinderten Zugang zu der als Operationsbasis dienenden Wohnung in der K. Straße hatte, erbrachte sie bei den Angriffen auch denjenigen anderer Tatbeteiligter gleichrangige Tatbeiträge. Sie beteiligte sich bei den Angriffen im Zusammenwirken mit den weiteren ihr Handeln billigenden Mitgliedern der Gruppierung in der oben im Einzelnen dargelegten Weise.
36cc) Ob darüber hinaus dringender Tatverdacht hinsichtlich weiterer Delikte besteht, ist für die Frage der Haftfortdauer ohne Bedeutung. Hinsichtlich der Konkurrenzen verweist der Senat auf seine Entscheidung vom ().
372. Deutsches Strafrecht ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Denn die Angeschuldigte ist deutsche Staatsangehörige und hält sich in der Bundesrepublik auf. Die Tat ist auch in Ungarn mit Strafe bedroht.
383. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof ergibt sich aus § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3, § 74a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 GVG in Verbindung mit § 129 Abs. 1 StGB. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom Bezug genommen.
394. Bei der Angeschuldigten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
40Die Angeschuldigte hat im Fall der Verurteilung wegen der ihr vorgeworfenen - hohes Gewaltpotential aufweisenden - Taten mit der Verhängung einer erheblichen, nicht mehr zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem sich aus der hohen Straferwartung ergebenden starken Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände gegenüber. Es besteht die Gefahr, dass sich die Angeschuldigte - ebenso wie die übrigen sich auf der Flucht befindenden gesondert Verfolgten - dem Strafverfahren entziehen wird. Die bestehenden beruflichen oder sozialen Bindungen durch ihren Verlobten, die Familie und ihr Studium sind nicht geeignet, dem Anreiz zur Flucht entgegenzuwirken. Die Angeschuldigte ist Angehörige einer international verflochtenen Szene gewaltbereiter Linksextremer, die sie bei einer Flucht oder einem Untertauchen sowohl im Inland als auch im Ausland unterstützen könnten, was etwa aus dem Umstand folgt, dass seit dem Bekanntwerden der gegen die übrigen gesondert Verfolgten geführten Ermittlungen und ihrer drohenden Auslieferung zur Durchführung des Strafverfahrens in Ungarn mehrfach Solidaritätserklärungen linker und linksradikaler Gruppierungen veröffentlicht worden sind.
41Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der in der Verfahrenssicherung liegende Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.
425. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Es handelt sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt mit einer Mehrzahl von Taten und einer Vielzahl von Beteiligten. Überdies ist eine große Anzahl von Videodateien auszuwerten gewesen. Vor diesem Hintergrund ist das Ermittlungsverfahren mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Anklage ist unter dem bei dem Oberlandesgericht München erhoben worden. Der Vorsitzende des Staatsschutzsenats hat am die Zustellung der Anklageschrift verfügt und für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens den Beginn der Hauptverhandlung für Mitte Februar 2025 in Aussicht gestellt.
436. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Hohoff Anstötz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:271124BAK90.24.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-81910