Instanzenzug: Az: 40 KLs 18/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der Angeklagte greift mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision seine Verurteilung im Fall II.8 und die Strafen in den Fällen II.1 bis 7 der Urteilsgründe an. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen bestellte der Angeklagte zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs im Zeitraum von Oktober bis Mitte Dezember 2022 in sechs Fällen zwischen zwei und 60 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 10 % THC (Fälle II.1 bis 5 sowie II.7 der Urteilsgründe) und in einem Fall drei Kilogramm Kokain (Fall II.6 der Urteilsgründe). Ferner organisierte er mit weiteren unbekannt gebliebenen Beteiligten eine Lieferung von 176 Kilogramm Marihuana (Wirkstoffmenge 16,5 % THC) aus Spanien, die im April 2023 in Deutschland eintraf, von Mitangeklagten auf Geheiß des Beschwerdeführers entgegengenommen und sodann polizeilich sichergestellt wurde (Fall II.8 der Urteilsgründe).
32. Das Rechtsmittel führt in den Fällen II.1 bis 5 sowie II.7 und 8 der Urteilsgründe zur Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen, der Gesamtstrafe und der Anordnung des Vorwegvollzugs; im Übrigen zeigt es keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers auf.
4a) Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Schuldspruch im Fall II.8 der Urteilsgründe sowie die Strafaussprüche in den Fällen II.1 bis 5 sowie II.7 der Urteilsgründe beschränkt und erfasst auch die Anordnung des Vorwegvollzugs.
5aa) Der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung steht nicht entgegen, dass der Schuldspruch auf § 29a BtMG und damit auf eine Strafvorschrift gestützt ist, die nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes vom (KCanG; BGBl. 2024 I Nr. 109) auf Cannabis und seine Produkte nicht mehr anwendbar ist (vgl. , Rn. 11; vom – 3 StR 467/23, Rn. 6; vom – 5 StR 424/23, Rn. 9; Beschluss vom – 5 StR 153/24, Rn. 4; anders noch ). Durch diese Gesetzesänderung ist die Strafbarkeit des Handeltreibens mit Cannabis nicht entfallen (vgl. zu dieser Konstellation MüKo-StPO/Quentin, 2. Aufl., § 318 Rn. 52 mwN); der Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis ist vielmehr unverändert geblieben. Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt und auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94; , StV 2024, 581). Lediglich die Strafdrohung hat der Gesetzgeber für § 34 KCanG gemildert. Mangels doppelrelevanter Tatsachen können deshalb die angefochtenen Strafaussprüche ohne Rückgriff auf die unter Geltung des Betäubungsmittelgesetzes getroffenen Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch geprüft werden (vgl. LR-StPO/Gössel, 26. Aufl., § 318 Rn. 52).
6bb) Unter den hier gegebenen Umständen kann auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) losgelöst von den nicht angegriffenen Teilen des Urteils rechtlich überprüft werden. Zwar kann der Maßregelausspruch regelmäßig nicht wirksam vom Revisionsangriff ausgenommen werden, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, weil die Feststellung der Symptomtat unerlässliche Voraussetzung für die Maßregelanordnung ist (vgl. ‒ 3 StR 154/22, Rn. 11; Beschluss vom ‒ 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172). Richtet sich die Revision aber ‒ wie hier ‒ nur teilweise gegen den Schuldspruch und sind mehrere Symptomtaten von dem Revisionsangriff ausgenommen, welche die Maßregelanordnung losgelöst von den mit dem Rechtsmittel angegriffenen Taten tragen, ist die Rechtsmittelbeschränkung auch insoweit als wirksam anzusehen (vgl. , Rn. 6; vom – 3 StR 154/22, Rn. 9; vom – 4 StR 125/23, StV 2024, 223). Allerdings gilt dies nicht für die Frage des Vorwegvollzugs (§ 67 StGB), weil hierfür die vom Beschwerdeführer beanstandete Gesamtfreiheitsstrafe maßgeblich ist (vgl. , Rn. 6); insoweit ist die Beschränkung unwirksam.
7b) Trotz wirksamer Beschränkung führt die Revision mit Blick auf das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes in den Fällen II.1 bis 5 sowie II.7 und 8 der Urteilsgründe zur Neufassung der Schuldsprüche.
8Das Revisionsgericht hat auch bei einem durch Rechtsmittelbeschränkung rechtskräftigen Schuldspruch eine nachträgliche, gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO beachtliche Gesetzesänderung zu berücksichtigen, wenn diese den Tatbestand der angewendeten Vorschrift nicht verändert, sondern nur die Strafdrohung mildert (vgl. , Rn. 9; Beschluss vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216). Der Senat ändert deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO insoweit den Schuldspruch auf Handeltreiben mit Cannabis, so dass darin klar zum Ausdruck kommt, auf welche Gesetze sich der Strafausspruch jetzt gründet (vgl. , BGHSt 20, 116, 121). Diese Strafvorschrift ist auch unter Berücksichtigung des für besonders schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG milder als der vom Landgericht insoweit herangezogene Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (vgl. etwa , Rn. 6 mwN).
9Dem steht die Regelung des § 265 StPO nicht entgegen. Der Senat schließt aus, dass sich der im Wesentlichen geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
10c) Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für die Fälle II.1 bis 5 sowie II.7 und 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Angesichts des gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG deutlich milderen Strafrahmens des § 34 KCanG ist nicht auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht insoweit geringere Strafen verhängt hätte. Die zugehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden. Der Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe bedingt schließlich die Aufhebung des Ausspruchs über den Vorwegvollzug.
11d) Eine Erstreckung auf nichtrevidierende Mitangeklagte nach § 357 StPO erfolgt nicht, weil die Aufhebung nicht auf einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes, sondern auf einer nachträglichen Rechtsänderung beruht (vgl. , BGHSt 20, 77; Beschlüsse vom – 5 StR 535/02; vom – 5 StR 68/24, Rn. 4).
Bartel Feilcke Wenske
Fritsche von Schmettau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170924B6STR165.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-81808