BAG Urteil v. - 5 AZR 110/24

FTE automotive Möve Entgelttarifvertrag vom (Entgelt-TV) - Anspruch auf Zahlung einer tarifvertraglichen Zulage zur Besitzstandswahrung - Tarifauslegung

Instanzenzug: ArbG Nordhausen Az: 3 Ca 627/22 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 85/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Zahlung einer tarifvertraglichen Zulage zur Besitzstandswahrung.

2Der Kläger ist seit Juli 1997 bei der Beklagten, einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie, als Einrichter beschäftigt. Seit April 2018 ist er Mitglied der IG Metall. Ab März 2021 verhandelten die Beklagte und die IG Metall über den Abschluss von Haustarifverträgen. Vor dem Hintergrund eines durch Umsatzrückgänge und die Corona-Krise sinkenden Kapazitätsbedarfs sollte eine Anpassung der Belegschaftsstärke sowie eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden erfolgen. Zugleich war es Ziel der Vereinbarung, betriebsbedingte Kündigungen für die verbleibenden Arbeitnehmer zu vermeiden und bei der Einführung des Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie in Thüringen vom (ERA) ab dem eine Besitzstandswahrung zum bisherigen Arbeitsentgelt zu gewährleisten. Am schlossen die Verhandlungspartner den „FTE automotive Möve Mantel Haustarifvertrag“ (MTV) und den „FTE automotive Möve Entgelttarifvertrag“ (Entgelt-TV). Der Entgelt-TV enthält ua. folgende Regelung:

3In der Fußnote 2 zu § 3 Abs. 2 Entgelt-TV heißt es:

4Der Kläger erhielt von Januar bis Juni 2021 ein monatliches Grundentgelt iHv. 2.996,50 Euro brutto zuzüglich Zulagen, Urlaubsgeld und Boni. Ab Juli 2021 erzielte er aufgrund einer Höhergruppierung ein monatliches Grundentgelt iHv. 3.175,50 Euro brutto. Durchschnittlich erhielt der Kläger im Jahr 2021 ein monatliches Grundentgelt iHv. 3.086,00 Euro brutto und ein Entgelt mit Zulagen, Urlaubsgeld sowie Boni iHv. 3.258,70 Euro brutto. Dies entspricht umgerechnet auf eine 35-Stunden-Woche monatlich einem Grundentgelt iHv. 2.700,25 Euro brutto und einem Durchschnittsentgelt einschließlich Zulagen, Urlaubsgeld und Boni iHv. 2.851,36 Euro brutto. Ab Januar 2022 arbeitete der Kläger in einer 35-Stunden-Woche. Die Beklagte zahlte ihm von Januar bis April 2022 monatlich 2.710,00 Euro brutto Grundentgelt, 75,00 Euro brutto Urlaubsgeld (fest), 203,25 Euro brutto Quartalsbonus und 5,65 Euro brutto Urlaubsgeld (variabel).

5Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Belang - von der Beklagten die Zahlung einer Zulage zur Besitzstandswahrung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV für die Monate Januar bis April 2022 iHv. 274,00 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, für die Berechnung des sog. individuellen Referenzentgelts sei nicht auf den Jahresdurchschnittsverdienst 2021, sondern auf das nach der Höhergruppierung im Juli 2021 erzielte Durchschnittsentgelt abzustellen. Zudem sei sowohl für die Berechnung des Referenzentgelts nach § 3 Abs. 1 Entgelt-TV als auch des Tabellenentgelts nach § 3 Abs. 2 Entgelt-TV allein das Grundentgelt maßgeblich.

6Der Kläger hat zuletzt beantragt,

7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, das Referenzentgelt sei anhand des für das Jahr 2021 regelmäßigen monatlichen Durchschnittsentgelts unter Einbeziehung von Zulagen, Urlaubsgeld und Boni zu ermitteln. Auch das Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV sei anhand des Gesamtentgelts zu bestimmen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision begehrt.

Gründe

9Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

10I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Zulage zur Besitzstandswahrung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV.

111. Anspruch auf eine übertarifliche Zulage zur Besitzstandswahrung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV haben alle Arbeitnehmer, die nach erfolgter Eingruppierung in ERA mit ihrem Referenzentgelt bereits das Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV oder mehr verdienen („Überschreiter“). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

12a) Der Geltungsbereich des Entgelttarifvertrags ist eröffnet. Er ist identisch mit dem Geltungsbereich des Manteltarifvertrags, vgl. Satz 2 der Vorbemerkung vor § 1 Entgelt-TV. Dessen Geltungsbereich ist nach § 1 MTV eröffnet, denn der Kläger ist am Standort der F34 in M beschäftigt und Mitglied der IG Metall.

13b) Das Landesarbeitsgericht hat das sog. individuelle Referenzentgelt des Klägers nach § 3 Abs. 1 Entgelt-TV zutreffend iHv. monatlich 2.851,36 Euro brutto bestimmt. Dabei ist das regelmäßige monatliche Durchschnittsentgelt des Klägers des gesamten Jahres 2021 einschließlich Zulagen, Urlaubsgeld und Boni zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Regelung.

14aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Mit zu berücksichtigen ist ferner die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer

vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., zB  - Rn. 19; - 4 AZR 365/20 - Rn. 21, jeweils mwN).

15bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist für die Ermittlung des sog. individuellen Referenzentgelts nicht nur der Zeitraum seit der Höhergruppierung des Klägers ab dem , sondern das gesamte Jahr 2021 maßgeblich. Eine ergänzende Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV in dem vom Kläger begehrten Sinn kommt nicht in Betracht, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt.

16(1) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Entgelt-TV, der ausdrücklich auf das gesamte Jahr 2021 als Referenzzeitraum abstellt. Die Tarifvertragsparteien haben gerade keine Stichtagsregelung gewählt, sondern das gesamte regelmäßige Durchschnittsentgelt des Jahres 2021 in Bezug genommen.

17(2) Dafür sprechen auch Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Entgelt-TV. Die Betrachtung des Durchschnittsentgelts ermöglicht eine vereinfachte Handhabe der Berechnung der Zulage für sog. Überschreiter anhand pauschaler Werte. Mögliche Änderungen des Entgelts während des Jahres, etwa durch Umgruppierungen, sind für das Arbeitsleben typisch und den Tarifvertragsparteien bekannt. Ohne weitere Anhaltspunkte im Tarifvertrag, die nicht ersichtlich sind, ist nicht davon auszugehen, dass sie diesen Aspekt übersehen hätten.

18(3) Der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht ebenfalls gegen eine Verkürzung des Referenzzeitraums.

19(a) Die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV gewählte Formulierung „Ist-Entgelt zum “ lässt erkennen, dass die Tarifvertragsparteien an anderer Stelle bewusst eine Stichtagsregelung vereinbart haben.

20(b) Auch der Überschrift von § 3 Entgelt-TV „Besitzstandswahrung bei Eingruppierung“ kann nicht entnommen werden, dass ausschließlich das zuletzt gewährte Entgelt maßgeblich sein soll. Sie bringt nicht zum Ausdruck, welche Besitzstände miteinander verglichen werden sollen, sondern bezieht sich auf die zum geplante Eingruppierung nach ERA, die nach § 1 Abs. 1 und 2 Entgelt-TV für die beabsichtigte Einführung des ERA notwendig ist.

21cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass bei der Bestimmung des individuellen regelmäßigen monatlichen Durchschnittsentgelts 2021 neben dem Grundentgelt Zulagen, Urlaubsgeld und Boni einzubeziehen sind.

22(1) Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV, der auf das „Durchschnittsentgelt“ und nicht auf ein „Durchschnittsgrundentgelt“ abstellt, spricht dafür, dass entgegen der Auffassung der Revision nicht ausschließlich das monatliche Grundentgelt maßgeblich ist. Vielmehr sollen alle Entgeltbestandteile, die regelmäßig gezahlt werden, Berücksichtigung finden. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis wird „regelmäßig“ iSv. „nach einer bestimmten Regel (geschehend, verlaufend, eintretend), in gleichen Abständen (sich wiederholend)“ bzw. „immer, gewohnheitsmäßig, gewöhnlich“ verstanden (vgl.  - Rn. 35 mwN unter Hinweis auf Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Band 5; Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Band 7, jeweils zum Stichwort „regelmäßig“). Es kommt wegen der Formulierung als „regelmäßiges monatliches Durchschnittsentgelt“ nicht darauf an, ob die Zahlung dem Arbeitnehmer jeden Monat und stets in gleicher Höhe zufließt oder ob eine jahres- oder quartalsweise Zahlung vorgesehen ist (vgl. zur Auslegung des Begriffs „durchschnittliche monatliche Bezüge“ iSv. § 1 Nr. 1.3 Buchst. c Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland vom idF des Änderungstarifvertrags vom :  - Rn. 26). Daher sind auch regelmäßig gezahlte Zulagen und Boni sowie das Urlaubsgeld bei der Bestimmung des sog. individuellen Referenzentgelts heranzuziehen. Lediglich außergewöhnliche Zahlungen anlässlich besonderer, nicht wiederkehrender Ereignisse - wie zB Sonderzahlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie - sind für die Bestimmung des individuellen regelmäßigen monatlichen Durchschnittsentgelts nicht zu berücksichtigen.

23(2) Sinn und Zweck des § 3 Entgelt-TV sprechen ebenfalls für eine Berücksichtigung von Zulagen, Urlaubsgeld und Boni. Mit der Einführung des ERA sollen die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung einer 35-Stunden-Woche in finanzieller Hinsicht nicht schlechter gestellt werden, als dies nach dem vorherigen Entgeltsystem der Beklagten der Fall war. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien kommt auch in Fußnote 2 zu § 3 Abs. 2 Entgelt-TV, wonach sog. Überschreiter „im worst case“ weiterhin ihr derzeitiges Entgelt, umgerechnet auf eine 35-Stunden-Woche, erhalten, sowie in der Überschrift von § 3 Entgelt-TV „Besitzstandswahrung bei Eingruppierung“ zum Ausdruck. Der „Besitzstand“ der Arbeitnehmer wird nicht nur durch das Grundentgelt, sondern durch die gesamte regelmäßig gezahlte Vergütung bestimmt. Zu dieser gehören neben dem monatlichen Grundentgelt aber auch regelmäßig gezahlte Zulagen, Urlaubsgeld und Boni. Dem steht auch der Wortlaut der Überschrift „Besitzstandswahrung bei Eingruppierung“ nicht entgegen. Die Überschrift nimmt auf die neue Eingruppierung und Überleitung in ERA Bezug und hat - wie der Inhalt der Regelung im Folgenden zeigt - nicht lediglich eine Besitzstandswahrung hinsichtlich des Grundentgelts zum Inhalt.

24(3) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.

25(a) Die Verwendung der Begriffe „Grundentgelt“ in § 3 Abs. 3 Entgelt-TV und „Bruttomonatsgrundentgelt“ in § 4 Abs. 1 Entgelt-TV zeigen, dass die Tarifvertragsparteien bewusst zwischen Grundentgelt und Entgelt im Allgemeinen als Bezugsgröße für die Ermittlung des sog. individuellen Referenzentgelts unterschieden haben. Und auch für den Fall des „worst case“ sollen die betroffenen Arbeitnehmer weiterhin ihr derzeitiges Entgelt - und nicht nur das Grundentgelt - umgerechnet auf eine 35-Stunden-Woche und entsprechend reduziert erhalten.

26(b) Dem steht auch die in § 3 Abs. 3 Entgelt-TV vorgesehene Anpassung des individuellen Referenzentgelts für Arbeitnehmer, die nach erfolgter Eingruppierung in ERA mit ihrem individuellen Referenzentgelt unterhalb der F34 Entgelttabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV liegen („Unterschreiter“), mit jährlich minimal 7,3 % (Satz 1) durch die Erhöhung des bisherigen Grundentgelts jährlich um mindestens 5 % (Satz 2 erster Spiegelstrich) und die Weitergabe der regulären Entgelterhöhung - für 2022 mit 2,3 % - (Satz 2 zweiter Spiegelstrich) nicht entgegen. Die Begriffe „individuelles Referenzentgelt“ und „Grundentgelt“ werden durch diese Regelung nicht gleichgesetzt. Vielmehr dient Satz 2 der Erläuterung des nicht präzise formulierten Satz 1, indem nicht das gesamte Referenzentgelt erhöht werden soll, sondern nur das Grundentgelt. Dies wiederum führt automatisch auch zu einer Erhöhung des individuellen Referenzentgelts, wenn auch nicht um die zunächst in Satz 1 angegebenen 7,3 %. Eine Erhöhung des gesamten Referenzentgelts samt Zulagen, Boni und Urlaubsgeld wäre zwar auch denkbar gewesen, war jedoch ausweislich der angeführten Regelung nicht gewollt.

27(c) Des Weiteren spricht auch § 3 Abs. 1 Satz 3 Entgelt-TV für die Berücksichtigung von weiteren Entgeltbestandteilen neben dem Grundentgelt, indem er exemplarisch für Arbeitnehmer in der Produktion, die regelmäßig Schicht arbeiten, regelmäßig gezahlte Schichtzulagen in die Berechnung einschließt. Anders als der Kläger meint, ist dieser Regelung nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um eine Ausnahme handelt, welche die Berücksichtigung aller sonstigen regelmäßig gezahlten Entgeltbestandteile neben dem monatlichen Grundentgelt ausschließt.

28(d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts lassen sich allerdings aus § 14 Abs. 4 MTV, der Fußnote 5 zu § 11 Abs. 1 MTV und der Fußnote 6 zu § 13 Abs. 1 Buchst. a MTV keine Rückschlüsse für die Bestimmung des Referenzentgelts ziehen und auch § 19 Abs. 4 und 5 MTV iVm. § 14 Abs. 4 MTV und der Fußnote 8 zu § 14 Abs. 4 Buchst. a MTV stehen - anders als der Kläger meint - der Berücksichtigung von Urlaubsgeld für das sog. individuelle Referenzentgelt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV nicht entgegen. Zwar wurden sowohl der Manteltarifvertrag als auch der Entgelttarifvertrag am abgeschlossen, der Manteltarifvertrag sollte aber gemäß § 39 Abs. 1 MTV - soweit im Text oben nicht anders vorgesehen - erst am in Kraft treten und trifft keine Aussage über das individuelle regelmäßige Durchschnittsentgelt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV. Zudem regeln die Fußnote 5 zu § 11 Abs. 1 MTV und die Fußnote 6 zu § 13 Abs. 1 Buchst. a MTV nicht die Bemessung des sog. individuellen Referenzentgelts nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV, sondern des Tabellenentgelts nach dem TV Entgelt.

29(4) Dieser Tarifauslegung folgend sind für die Bestimmung des sog. individuellen Referenzentgelts die dem Kläger neben dem Grundentgelt regelmäßig gezahlten Zulagen, Urlaubsgeld und Boni zu berücksichtigen. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat nicht aufgezeigt, dass und weshalb diese Entgeltbestandteile nicht bei der Bestimmung des regelmäßigen monatlichen Durchschnittsentgelts 2021 zu berücksichtigen sind. Der Hinweis, dass diese Zahlungen zum Teil nicht monatlich und auch in variabler Höhe gezahlt wurden, ist - wie bereits dargestellt - für die Bestimmung des monatlichen Durchschnittsentgelts nicht maßgeblich (vgl. Rn. 22). Nach den für den Senat gemäß § 559 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2021 neben dem Durchschnittsgrundentgelt iHv. monatlich 3.086,00 Euro brutto regelmäßig Zulagen, Urlaubsgeld und Boni iHv. monatlich durchschnittlich 172,70 Euro brutto erhalten, woraus sich nach Umrechnung auf eine 35-Stunden-Woche das sog. individuelle Referenzentgelt des Klägers von monatlich 2.851,36 Euro brutto ergibt.

30c) Das Landesarbeitsgericht hat auch das Tabellenentgelt nach § 3 Abs. 2 Entgelt-TV im Ergebnis zutreffend iHv. monatlich 2.993,90 Euro brutto ermittelt. Für die Bestimmung des Tabellenentgelts nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV sind neben dem Grundentgelt jedenfalls das Urlaubsgeld - fester Anteil -, Boni und das Urlaubsgeld - variabler Anteil - zu berücksichtigen. Das ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Regelung.

31aa) Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV ist das Referenzentgelt entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich mit einem allgemeinen „Tabellenentgelt“, sondern mit dem „Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1“ des Entgelt-TV in Bezug zu setzen.

32(1) In der F34 Entgelttabelle der Anlage 1 des Entgelt-TV werden neben dem Grundentgelt (Spalte 3), ua. Urlaubsgeld - fester Anteil - (Spalte 4), Bonus (Spalte 6) und Urlaubsgeld - variabler Anteil - (Spalte 7) aufgeführt. Daraus wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff „Tabellenentgelt“ nicht einen Begriff zur Beschreibung des eingruppierungsabhängigen Grundentgelts nach ERA verwendet, sondern das Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV mit den in der Tabelle genannten Entgeltbestandteilen zu dem sog. individuellen Referenzentgelt nach § 3 Abs. 1 Entgelt-TV in Beziehung gesetzt haben. Eine Beschränkung auf das Grundentgelt ist weder dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Entgelt-TV noch der F34 Entgelttabelle der Anlage 1 des Entgelt-TV zu entnehmen.

33(2) Dem steht auch die Überschrift der Anlage 1 des Entgelt-TV „F34 Entgelt- und Vergütungstabellen“ nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Revision haben die Tarifvertragsparteien nicht zwischen den Begriffen „Entgelt“ und „Vergütung“ unterschieden, sondern diese synonym verwendet, wie auch die nächste, ohne weiteren Zusatz, verwendete Überschrift „F34 Entgelttabelle“ der Anlage 1 des Entgelt-TV zeigt.

34bb) Dieses Verständnis entspricht Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht - durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils nach § 69 Abs. 2 ArbGG - darauf abgestellt, dass der von den Tarifvertragsparteien mit § 3 Entgelt-TV beabsichtigte Zweck der Besitzstandswahrung dafür spricht, bei der Ermittlung des Tabellenentgelts nach § 3 Abs. 2 Entgelt-TV auch die Entgeltbestandteile zu berücksichtigen, die bereits bei der Bestimmung des sog. individuellen Referenzentgelts nach § 3 Abs. 1 Entgelt-TV berücksichtigt wurden. Ob der Besitzstand gewahrt ist, kann nur festgestellt werden, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen wird. Da für das Referenzentgelt neben dem Grundentgelt ua. Urlaubsgeld und Boni heranzuziehen sind, sind auch für das Tabellenentgelt neben dem Grundentgelt jedenfalls die Urlaubsgelder und Boni zu berücksichtigen. Sollten gleichwohl nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für die Wahrung des Besitzstandes Entgeltbestandteile bei der Bestimmung des Tabellenentgelts unberücksichtigt bleiben, hätte sich dies aus den tarifvertraglichen Regelungen ergeben müssen. Anhaltspunkte dafür sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

35cc) Der tarifvertragliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Auslegung. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Entgelt-TV finden jährliche Steigerungen des regelmäßigen Bruttomonatsgrundentgelts nach den F34 Entgelt- und Vergütungstabellen 2022 statt. Auch diese ausdrückliche Erwähnung des Bruttomonatsgrundentgelts spricht dagegen, dass mit dem Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV lediglich das Grundentgelt gemeint wäre. Die Fußnote 8 zu § 14 Abs. 4 Buchst. a MTV, wonach das feste Entgelt, bestehend aus den monatlich immer in gleicher Höhe wiederkehrenden Bestandteilen des Arbeitsentgelts, die nicht auf einzelne Stunden bezogen sind, „bei F34 nicht das monatlich umgelegte zusätzliche Urlaubsgeld nach § 19 Abs. 4“ erfasst, trifft keine Regelung über die Bestandteile des Tabellenentgelts nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV.

36dd) Hiernach umfasst das Tabellenentgelt nach der F34 Entgelt- und Vergütungstabelle in Anlage 1 des Entgelt-TV gemäß § 3 Abs. 2 Entgelt-TV für den Kläger nach den für den Senat gemäß § 559 ZPO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedenfalls das Grundentgelt iHv. monatlich 2.710,00 Euro brutto, das Urlaubsgeld (fest) iHv. monatlich 75,00 Euro brutto, den Quartalsbonus iHv. monatlich 203,25 Euro brutto und das Quartalsurlaubsgeld (variabel) iHv. monatlich 5,65 Euro brutto und beträgt 2.993,90 Euro brutto. Ob die in der Spalte 8 der F34 Entgelttabelle der Anlage 1 des Entgelt-TV genannten Zuschläge nach § 7 MTV Gegenstand des Tabellenentgelts sind, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlung von Zulagen oder Zuschlägen ab Januar 2022 nicht festgestellt.

37d) Damit liegt das Tabellenentgelt des Klägers iHv. 2.993,90 Euro brutto über seinem sog. individuellen Referenzentgelt iHv. 2.851,36 Euro brutto. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Besitzstandszulage nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Entgelt-TV zu.

382. Ein Zinsanspruch scheidet mangels Hauptanspruchs aus.

39II. Der Kläger hat die Kosten der Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:231024.U.5AZR110.24.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-81774