Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten; Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsumsätzen und Vorsteueraufteilung nach § 15 Absatz 4 UStG
Bezug: BStBl 2024 I S. 1327
Bezug:
I. Grundlagen zur Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge
1. Allgemeine Grundsätze
1Als grundlegendes Element des Umsatzsteuersystems wird bei allen Umsätzen die Umsatzsteuer abzüglich des Umsatzsteuerbetrags (Vorsteuer) geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente der Gegenstände und Dienstleistungen unmittelbar belastet. Sofern keine gegenständliche Zuordnung von Eingangsleistungen zu Ausgangsleistungen möglich ist, ist eine wirtschaftliche Zuordnung von Eingangsumsätzen zu Ausgangsumsätzen nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten vorzunehmen (Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung, vgl. , BStBl II 1994 S. 271).
2Das Recht auf Abzug der Steuer für die Eingangsleistungen setzt voraus, dass die für den Bezug dieser Leistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehören. Die Aufwendungen müssen somit Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. , a. a. O.). Ein nur mittelbar bestehender Zusammenhang zwischen Eingangsumsätzen und Ausgangsumsätzen tritt grundsätzlich hinter einen bestehenden direkten und unmittelbaren Zusammenhang zurück (vgl. , BStBl II 2018 S. 727). Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist auf die beabsichtigte erstmalige Verwendung des einzelnen Eingangsumsatzes abzustellen. Hierbei ist eine funktionale Zuordnung von Vorsteuern zu den Ausgangsumsätzen vorzunehmen. Es ist zwischen drei Gruppen von Vorsteuerbeträgen zu unterscheiden (vgl. Abschnitt 15.17 Abs. 1 UStAE):
Vorsteuerbeträge, die in voller Höhe abzugsfähig sind, weil sie ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen (Abzugsumsätze) zuzuordnen sind.
Vorsteuerbeträge, die in voller Höhe vom Abzug ausgeschlossen sind, weil sie ausschließlich vorsteuerschädlichen Ausgangsumsätzen (Ausschlussumsätze) zuzuordnen sind.
Vorsteuerbeträge, die keiner der beiden vorherigen Gruppen zugeordnet werden können, weil sie sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nur für diese Vorsteuerbeträge ist eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen.
3Vor Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG muss der Unternehmer zwingend zunächst die Vorsteuerbeträge bestimmen, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangumsätzen unmittelbar und wirtschaftlich zuzuordnen sind (Gruppen 1 und 2; Grundsatz der direkten Zuordnung). Dabei ist für jeden einzelnen Leistungsbezug eine nachvollziehbare Prüfung vorzunehmen, ob die Voraussetzungen einer direkten Zuordnung von Vorsteuerbeträgen zu bestimmten Ausgangsumsätzen vorliegen. Die Vorsteuerbeträge, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen ganz oder teilweise zuzuordnen sind, müssen aus den Aufzeichnungen des Unternehmers leicht und eindeutig nachprüfbar zu ersehen sein (§ 22 Abs. 3 UStG).
4Kommt der Unternehmer dieser Zuordnungsverpflichtung nicht oder nicht in ausreichender Art und Weise nach, sind die den einzelnen Gruppen zuzuordnenden Eingangsleistungen und die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 162 AO im Wege der Schätzung zu ermitteln. Nur die nach der direkten Zuordnung verbleibenden Vorsteuerbeträge kommen für eine Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG in Betracht (vgl. auch Abschnitt 15.17 Abs. 1 und 2 UStAE).
2. Grundlagen der Vorsteueraufteilung
5Verwendet ein Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder inner-gemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine in Anspruch genommene sonstige Leistung sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG ausschließen, hat er die angefallenen Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Nach Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL ist für die Aufteilung im Grundsatz ein auf die Gesamtheit der von dem Unternehmer bewirkten Umsätze bezogener, nach Art. 174 und 175 MwStSystRL zu ermittelnder Umsatzschlüssel (Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs, „Gesamtumsatzschlüssel“) anzuwenden. Der Pro-rata-Satz wird nach Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.
6Die Mitgliedstaaten können jedoch nach Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL von diesem Grundsatz abweichen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in Form des Vorranges von „anderen wirtschaftlichen Zuordnungen“ vor einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze (Gesamtumsatzschlüssel, gleichbedeutend mit gesamtumsatzbezogenen oder gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel) Gebrauch gemacht.
7Die Vorsteueraufteilung muss nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel erfolgen. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege der sachgerechten Schätzung ermitteln. Als „sachgerecht” i. S. d. § 15 Abs. 4 UStG gilt ein Aufteilungsverfahren, das – objektiv nachprüfbar – nach einheitlicher Methode die gemischt verwendete Eingangsleistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet (vgl. , BStBl II 2014 S. 95). Das heißt, die gewählte Schätzungsmethode muss realistisch sein und annähernd die sich bei einer vollständigen direkten Zuordnung aller Kosten ergebenden Vorsteuerverteilung widerspiegeln. Zudem darf sie keine selektiven Elemente enthalten, durch die bei der Berechnung des Aufteilungsschlüssels bestimmte Teile in nicht sachgerechter Weise beeinflusst werden (zu einem selektiven Personalschlüssel vgl. , BStBl II 2022 S. 782). Der Begriff der einheitlichen Methode schließt aber die Anwendung verschiedener Schlüssel innerhalb des Unternehmens nicht aus.
8Eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel kann wegen des Vorrangs anderer wirtschaftlicher Zuordnungen nur erfolgen, wenn kein anderer, präziserer Aufteilungsschlüssel in Betracht kommt (vgl. auch Abschnitt 15.17 Abs. 3 und 3a UStAE). Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel mehrere andere präzisere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl der anzuwendenden präziseren Methode obliegt in diesen Fällen dem Unternehmer; das Finanzamt kann sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie sachgerecht ist (vgl. auch Abschnitt 15.17 Abs. 3 UStAE).
9Stellt sich ein angewandter Aufteilungsschlüssel im Nachhinein als nicht sachgerecht heraus, hat der Unternehmer die Möglichkeit, einen sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel zu wählen. Wenn er diese Möglichkeit nicht wahrnimmt, kann die Finanzverwaltung einen von ihr ermittelten sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel anwenden (Abschnitt 15.17 Abs. 3 UStAE). Dabei kann auch eine punktuelle Anpassung des angewandten Aufteilungsschlüssels (zur Herstellung einer Sachgerechtigkeit) ausreichend sein.
10Der Prozentsatz eines Aufteilungsschlüssels, der nach einer anderen wirtschaftlichen Zuordnung als dem Gesamtumsatzschlüssel ermittelt wird, ist auf die zweite Nachkommastelle aufzurunden. Insoweit kommt die Rundungsregelung nach Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL nicht zur Anwendung (vgl. , Kreissparkasse Wiedenbrück, BStBl II 2024 S. 207). Eine Aufteilung, die auf Umsatzzahlen nur eines Teils der Umsätze beruht (Teilumsatzschlüssel, z. B. ein objekt- oder abteilungsbezogener Umsatzschlüssel), stellt eine andere Methode der wirtschaftlichen Zuordnung dar und geht dem Gesamtumsatzschlüssel daher vor, wenn sie sachgerecht und präziser als der Gesamtumsatzschlüssel ist, vgl. Abschnitt 15.17 Abs. 3 UStAE.
11Ergeben sich im Jahresvergleich schwankende Prozentsätze, sind bei Berichtigungsobjekten im Sinne von § 15a UStG innerhalb des Berichtigungszeitraums die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG jährlich zu prüfen.
3. Aufzeichnungspflichten
12Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (ständige Rechtsprechung, z. B. , BStBl II 2017 S. 577). Der Umfang der Aufzeichnungspflichten zum Vorsteuerabzug und zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge ergibt sich aus § 22 UStG und § 63 UStDV.
13Bei Unternehmern, die nur teilweise Umsätze erbringen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (z. B. Kreditinstitute), sind insbesondere aufzuzeichnen:
Die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge (§ 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG).
In den Fällen des § 13b Abs. 1 bis 5 UStG beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG (§ 22 Abs. 2 Nr. 8 UStG).
Die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe (§ 22 Abs. 3 Satz 3 UStG).
14Die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen sind dabei grundsätzlich getrennt von den hierauf entfallenden Steuerbeträgen aufzuzeichnen. Nimmt ein Unternehmer die Vereinfachungsregelung des § 63 Abs. 5 UStDV in Anspruch und zeichnet er die Entgelte oder Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge (Vorsteuern) jeweils in einer Summe, getrennt nach den in den Eingangsrechnungen angewandten Steuersätzen, auf, so trifft ihn eine besondere Sorgfaltspflicht dafür, dass Vorsteuern nur aus tatsächlich mit Steuer belasteten Eingangsrechnungen errechnet werden. Die Berechnung der Entgelte oder Teilentgelte und der hierauf entfallenden Steuern gehört zu den aufzuzeichnenden Angaben (§ 63 Abs. 5 Satz 2 UStDV).
15Die Aufzeichnungen müssen – auch bei Inanspruchnahme der Möglichkeit nach § 63 Abs. 5 UStDV – so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 UStDV).
16Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, sind die Aufzeichnungen so zu führen, dass die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sind, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzuordnen sind (§ 22 Abs. 3 Satz 2 UStG, vgl. auch Abschnitt 22.4 UStAE). Zu den Pflichten des Unternehmers gehört damit sowohl das Führen von Aufzeichnungen, die die Zuordnung von Vorsteuern zu Ausgangsumsätzen betreffen, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen, als auch ein Nachweis seiner Ermittlung solcher Vorsteuern, deren Abzugsfähigkeit sich aus § 15 Abs. 4 UStG ergibt. Mängel in diesen Aufzeichnungen hat grundsätzlich der Unternehmer zu vertreten. Sofern der Unternehmer die Aufzeichnungen nicht vorlegen kann, ist die Finanzbehörde zu einer Zuordnung der Vorsteuerbeträge auf die verschiedenen Gruppen (Rn. 2) im Wege einer Schätzung nach § 162 AO berechtigt (vgl. Rn. 4).
II. Aufteilung der Vorsteuerbeträge bei Kreditinstituten
17Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten Folgendes:
18Die durch Kreditinstitute gewählte Vorsteueraufteilungssystematik muss eindeutig und leicht nachprüfbar sein. Hierzu sollten Kreditinstitute eine Dokumentation der gewählten Vorsteueraufteilungssystematik zum Nachweis von deren Sachgerechtigkeit anfertigen. Neben dem Ergebnis der Analyse, ob eine Vorsteueraufteilung sachgerecht ist, sollte sie auch eine Erwägung zu deren Auswahl und Umsetzung umfassen.
1. Abgrenzung zwischen unternehmerischem und nichtunternehmerischem Bereich
19Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen werden, ist nach § 15 Abs. 1 UStG ausgeschlossen. Das gilt auch für gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, die der Unternehmer im nichtunternehmerischen Bereich hält.
20Vorsteuern, die im Zusammenhang mit im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen anfallen, sind unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG abziehbar (vgl. auch Abschnitt 15.22 UStAE).
21Vertretbare Sachen und sonstige Leistungen, die sowohl für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen werden (z. B. allgemeine Verwaltungskosten, allgemeine Beratungskosten, Steuerberatungskosten usw.), sind nach den üblichen Grundsätzen für Zwecke des Vorsteuerabzugs aufzuteilen (vgl. Abschnitt 15.2c Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 UStAE). Es ist dabei darauf abzustellen, in welche Ausgangsumsätze die dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnenden Eingangsumsätze (z. B. aus dem Erwerben und Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen) zugrunde liegenden Aufwendungen als Kostenelemente eingehen (vgl. Abschnitte 2.3 Abs. 2 bis 4, 15.22, 15.2b Abs. 2 und 15.17 Abs. 1 UStAE). Insoweit gelten die Grundsätze des § 15 Abs. 4 UStG analog.
22Soweit einheitliche Gegenstände teilweise für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i. e. S. (z. B. für das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 1a UStAE) bezogen werden, hat der Unternehmer – im Gegensatz zu einer teilweise unternehmensfremden Verwendung – kein Wahlrecht zur vollständigen Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmen, es besteht vielmehr grundsätzlich ein Aufteilungsgebot (vgl. Abschnitt 15.2c Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a UStAE).
2. Zuordnung der unternehmerisch bezogenen Eingangsleistungen zu den Ausgangsumsätzen
23Es gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. Rn. 5 bis 16). Das Kreditinstitut ist verpflichtet, den Leistungsbezug und dessen Zuordnung zu Ausgangsumsätzen aufzuzeichnen und nachprüfbar zu dokumentieren. Kreditinstitute müssen nach den aufsichtsrechtlichen Vorgaben über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation u. a. zur Beachtung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten verfügen (§ 25a KWG). Daher lassen sich die für umsatzsteuerliche Zwecke benötigten Informationen regelmäßig den danach vorhandenen Unterlagen (z. B. betriebliche Kosten- und Leistungsrechnung oder vergleichbaren innerbetrieblichen Aufzeichnungen) entnehmen.
24Werden Eingangsleistungen auf Grundlage von aggregierten Daten abgerechnet (z. B. IT-Dienstleistungen), sind diese soweit wie möglich im Wege der Schätzung (vgl. Rn. 4) den Ausgangsumsätzen direkt zuzuordnen.
2.1. Segmentierung als Möglichkeit der Zuordnung zu den Ausgangsumsätzen
25Eine getrennte Betrachtung einzelner abgrenzbarer Teile des Unternehmens für Zwecke des Vorsteuerabzuges (sog. Segmentierung) trägt den dargestellten Anforderungen angemessen Rechnung. Eine Segmentierung zeichnet dabei die Aufteilung des Unternehmens in organisatorisch trennbare Untereinheiten nach und umfasst im Ergebnis das gesamte Unternehmen. Trotz des Grundsatzes der Einheit des Unternehmens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) sind einzelne Segmente des Kreditinstituts insoweit isoliert zu betrachten. Bei Berücksichtigung der folgenden Ausführungen für sämtliche Eingangsleistungen führt die Segmentierung zu einem sachgerechten und präziseren Ergebnis der Vorsteueraufteilung im Sinne von Rn. 7 und 8 und stellt somit – neben weiteren sachgerechten und präziseren Methoden, vgl. hierzu Rn. 33 bis 35 – eine zulässige Methode der Vorsteueraufteilung dar.
26Für die Entscheidung, ob ein Segment vorliegt, ist darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang es – für sich betrachtet – abgrenzbare Tätigkeiten ausführt. Das Vorhandensein einer eigenständigen Buchführung ist nicht erforderlich.
27Beispiele für mögliche Segmente sind:
Organgesellschaften,
ausländische Betriebsstätten,
Filialen,
Geschäftsbereiche (z. B. Investmentbanking, Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft),
Abteilungen (z. B. Versicherungsvermittlung, Immobilienverwaltung),
Produktgruppen (z. B. Kreditgeschäft, Depotgeschäft, Immobilienhandel, Windkraftanlagen, Zertifikatehandel).
28Die Exaktheit bei der Zuordnung von Eingangs- zu Ausgangsleistungen nimmt mit dem Detaillierungsgrad der Segmentierung zu. Die Bestimmung einer präzisen Vorsteueraufteilung erfordert eine Analyse des Unternehmens nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall und hat sich an den wirtschaftlichen und organisatorischen Strukturen des Unternehmens auf Basis des konkreten Geschäftsmodells zu orientieren. Dabei muss eine Segmentierung das Ziel haben, weitgehend gleichartige Ausgangsumsätze zusammenzufassen, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu führen (siehe auch Rn. 8). Weisen ähnliche Ausgangsumsätze (z. B. Kreditgeschäft im Retail- und Großkundenbereich) deutlich unterschiedliche Verhältnisse – insbesondere der vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen – auf, sind gesonderte Segmente zu bilden.
29Auch bei der Segmentierung gilt, dass für jeden einzelnen Leistungsbezug vorab zunächst eine nachvollziehbare Prüfung vorzunehmen ist, ob die Voraussetzungen einer direkten Zuordnung zu bestimmten Ausgangsumsätzen vorliegen (Grundsatz der direkten Zuordnung, vgl. auch Rn. 2 und 3). Dies kann sowohl vor einer Zuordnung der Leistung zu einem Segment als auch innerhalb eines Segments erfolgen, da das Ergebnis dasselbe ist.
30Die verbleibenden, aufzuteilenden Vorsteuern auf Eingangsleistungen sind den einzelnen Segmenten zuzuordnen. Betrifft eine Eingangsleistung mehrere Segmente, sind die betreffenden Vorsteuern auf diese Segmente aufzuteilen, ggf. im Schätzungswege. Für jedes Segment ist ein separater Vorsteuerschlüssel nach den Grundsätzen dieses Schreibens und den allgemeinen Regelungen (vgl. Abschnitt 15.16 und 15.17 UStAE sowie Rn. 5 bis 11) zu bilden. Der Vorsteuerabzug richtet sich nach den Ausgangsleistungen dieses Segments.
Ein Kreditinstitut, das gegenüber seinen Geschäftskunden gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis g UStG verzichtet hat, stellt seinen Kunden Cash-Recycling-Systeme zur Bargeldversorgung (Ein- und Auszahlung) zur Verfügung. Die Nutzung erfolgt – nach der im EDV-System dokumentierten Leistungsinanspruchnahme der Kunden – zu 98 % durch Privatkunden und zu 2 % durch Geschäftskunden.
Lösung:
Die für die Bargeldversorgung notwendigen Eingangsleistungen (z. B. Erwerb der Hardware, Betriebskosten, Befüllung) sind zu 98 % dem Segment „Privatkunden“ und zu 2 % dem Segment „Geschäftskunden“ zuzuordnen.
31Lediglich für die nicht direkt oder keinem Segment unmittelbar zuordenbaren Eingangsleistungen (z. B. für alle Segmente betreffende Gemeinkosten) erfolgt die Ermittlung des Vorsteuerabzugs auf Gesamtunternehmensebene nach einem sachgerechten „Restschlüssel“ unter Einbeziehung aller Aktivitäten des Kreditinstituts (nachfolgend als Residualschlüssel bezeichnet). Eine Segmentierung bewirkt somit eine Reduzierung des Umfangs der Aufteilung nach einem Residualschlüssel und trägt im Ergebnis zu einer präziseren Vorsteueraufteilung bei.
32Bietet ein Kreditinstitut Leistungen kostenlos oder zu einem nicht kostendeckenden Preis an (z. B. kostenloses Girokonto, Depot oder Online-Zahlungsdienste), so ist zu prüfen, ob im Einzelfall mit diesen Ausgangsleistungen im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch noch weiteren Ausgangsleistungen zuzuordnen sind (zur verbilligten Weiterveräußerung von Werbeartikeln siehe , a. a. O., zur unentgeltlichen Zurverfügungstellung von Stellplätzen durch eine Bank zur Neukundengewinnung vgl. , BStBl 1993 II S. 525, vgl. auch Abschnitt 15.12 Abs. 3 UStAE). Eingangsleistungen für derartige Angebote stehen in der Regel mit den Ausgangsumsätzen des Segments im unmittelbaren Zusammenhang, zu dem die weiteren Ausgangsleistungen gehören. Für die Feststellung des maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhangs ist zudem der ausschließliche Entstehungsgrund zu berücksichtigen (vgl. u. a. , BStBl II 2023 S. 45). Nur wenn die Eingangsleistungen nachweisbar mit allen Ausgangsleistungen des Kreditinstituts in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, können die Vorsteuerbeträge nach einem Aufteilungsschlüssel für das gesamte Unternehmen (Residualschlüssel) aufgeteilt werden.
Eine Bank bietet zur Neukundengewinnung ein kostenloses Girokonto für Privatkunden an. Neben dem Segment „Privatkundengeschäft“ wurde ein weiteres Segment „Geschäftskundengeschäft“ gebildet.
Lösung:
Die Ausgaben für die kostenlosen Girokonten stehen – neben dem Angebot eines Girokontos – auch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den übrigen Ausgangsleistungen, die an die Privatkunden erbracht werden. Sie stehen aber nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Ausgangsleistungen, die an Geschäftskunden erbracht werden. Die bloße Möglichkeit, dass ein gewonnener Neukunde neben seinem Privatkonto auch ein Geschäftskonto eröffnet, reicht für einen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht aus. Die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Verwaltung der kostenlosen Privatgirokonten (z. B. aus IT-Leistungen) berechtigen nach den Maßstäben des Segments „Privatkundengeschäft“ zum Vorsteuerabzug, nicht aber nach den Maßstäben des gesamten Kundengeschäfts. Die Tatsache, dass Einlagen von Privatkunden in der Gesamtbankbetrachtung teilweise auch für die Vergabe von Geschäftskrediten verwendet werden, führt aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs zum Privatkundengeschäft zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs von Eingangsleistungen zu Ausgangsumsätzen ist der vom Unternehmer verfolgte endgültige Zweck unerheblich (, BStBl 2013 II S. 840).
2.2. Andere Möglichkeiten der Zuordnung zu den Ausgangsumsätzen
33Wählt das Kreditinstitut eine andere Methode als die Segmentierung, um die Vorsteuern den Ausgangsumsätzen zuzuordnen, muss diese andere Methode den Besonderheiten der Kreditwirtschaft ausreichend Rechnung tragen, um zu einem sachgerechten Ergebnis im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG zu führen. Auch dabei gilt der Grundsatz der direkten Zuordnung (vgl. Rn. 2 und 3). Auf Rn. 4 wird ergänzend hingewiesen.
34Hierbei ist sicherzustellen, dass die Modalitäten für die Berechnung des Vorsteuerabzugs objektiv den tatsächlichen Anteil der beim Bezug genutzter Eingangsleistungen angefallenen Ausgaben widerspiegeln, der auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgangsumsätze entfällt. Die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls sind zu beachten. Daher kann es für ein sachgerechtes Ergebnis erforderlich sein, bestimmte Eingangsleistungen (z. B. IT-Leistungen oder für Gebäude, vgl. hierzu Abschnitt 15.17. Abs. 5 ff. UStAE) gesondert zu betrachten mit dem Ziel, eine Aufteilung anhand individueller Schlüssel vorzunehmen.
Die Eingangsleistungen aus dem Beispiel 1 (Rn. 30) sind aufgrund ihrer Bedeutung auch bei einer Zuordnung außerhalb einer Segmentierung gesondert zu betrachten. Das Kreditinstitut ist nur für die Eingangsleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt, die mit optierten Kontokorrentkonten in Verbindung stehen. Die gewählte Methode der Zuordnung muss dieses Ziel sicherstellen.
Lösung:
Über die im EDV-System dokumentierte Leistungsinanspruchnahme der Kunden mit optierten bzw. nicht optierten Kontokorrentkonten lässt sich ein individueller Schlüssel definieren. Mit diesem Aufteilungsmaßstab können die für die Bargeldversorgung notwendigen Eingangsleistungen entsprechend der Automatennutzung aufgeteilt werden.
35Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs im Falle von kostenlosen oder nicht kostendeckenden Ausgangsleistungen gelten die Ausführungen in Rn. 32 analog.
3. Aufteilungsmaßstäbe bei Kreditinstituten
3.1. Allgemeines
36Hat das Kreditinstitut die Vorsteuern auf Eingangsleistungen den drei Gruppen gemäß Rn. 2 zugeordnet, ist im nächsten Schritt für die Vorsteuerbeträge, die sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Gruppe 3), eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen. Hat das Kreditinstitut für Zwecke der Zuordnung eine Segmentierung des Unternehmens (Rn. 25 bis 33) gewählt, erfolgt diese Aufteilung auf Ebene des einzelnen Segments nach einem Segmentschlüssel bzw. für die keinem Segment zuordenbaren Eingangsleistungen nach einem Residualschlüssel.
37Die Aufteilung der Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG hat zu berücksichtigen, inwieweit vor-steuerbelastete Eingangsleistungen bei der Erbringung von Ausgangsumsätzen verbraucht werden (sog. wirtschaftliche Methode). Die Aufteilung dieser Vorsteuern ist nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten oder nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung vorzunehmen. Es gelten die Grundsätze aus Rn. 5 bis 11 und 23.
38Die vom Kreditinstitut gewählten Aufteilungsschlüssel müssen zu einer möglichst präzisen und sachgerechten Zuordnung der Eingangsleistungen zu den ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen führen.
39Kommt für Eingangsleistungen, die mit bankentypischen Ausgangsleistungen in Verbindung stehen, eine umsatzbasierte Aufteilung in Betracht, so ist Folgendes zu beachten:
40Die Tätigkeiten eines Kreditinstituts sind von einer Intermediärsfunktion am Finanzmarkt geprägt, bei denen die reinen Umsatzgrößen nicht die erwirtschaftete Wertschöpfung widerspiegeln. Ist es nach den vorangegangenen Ausführungen sachgerecht, eine umsatzbasierte Vorsteueraufteilung (ggf. auch für ein einzelnes Segment) vorzunehmen, sind die einzelnen Umsätze daher vergleichbar auszugestalten.
41Für Leistungsbereiche des Bankgeschäfts, bei denen der Umsatz weitgehend von nicht vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen bestimmt wird, kann die Marge eine präzisere wirtschaftliche Zuordnung im Sinne von § 15 Abs. 4 UStG für die Vorsteueraufteilung darstellen, da nur diese zur Deckung der operativen Kosten eines Kreditinstitutes zur Verfügung steht. Typische Bankgeschäfte sind Geschäfte i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG und andere, nach allgemeiner Verkehrsauffassung der Kreditwirtschaft zuzurechnende Geschäfte, die in kreditwirtschaftlicher Weise betrieben werden (z. B. das Eigengeschäft). Bankenuntypisch sind Geschäfte, die auch andere Marktteilnehmer anbieten können (z. B. Vermietungsumsätze, Leasingumsätze, Immobilienvermittlung).
42In den nachfolgenden Fällen kommt daher die Marge als sachgerechter Aufteilungsmaßstab in Betracht:
Kreditgeschäft: Für Zwecke der Vorsteueraufteilung ist der Saldo aus Kundenzins und Refinanzierungszins als Marge anzusetzen. Soweit es sachgerecht ist, können in diese Ermittlung auch Kuponerträge aus Anleihen, Schuldverschreibungen und anderen verzinslichen Wertpapieren einbezogen werden, die das Kreditinstitut im Anlagebuch hält.
Handelsgeschäft (Eigenhandel): Für Zwecke der Vorsteueraufteilung ist das Nettohandelsergebnis (Handelsmarge) unter Berücksichtigung von Sicherungsgeschäften und Refinanzierungskosten anzusetzen.
Führen Kreditinstitute im Auftrag von Kunden Wertpapiergeschäfte durch, erbringen die Kreditinstitute sonstige Leistungen. Bei der Schlüsselermittlung ist die gesamte Provision aus den jeweiligen Geschäften abzüglich der Entgelte für bezogene Vorleistungen (z. B. Kosten für die Verwaltung und Verwahrung) und weitergeleitete Provisionen anzusetzen.
43Negative Margen innerhalb der oben genannten Geschäftsbereiche bleiben bei einem insgesamt positiven Ergebnis des jeweiligen Bereichs im Ansatz erhalten. Ergibt sich insgesamt eine negative Marge für einen Bereich, ist ein anderer Ansatz zu wählen, der in diesem Fall (ggf. für das betreffende Segment) sachgerecht ist.
44Bei allen sonstigen banktypischen Geschäften kommt – je nach Umständen des Einzelfalls – der Ansatz der Marge oder eines Dienstleistungsentgelts in Betracht. Verwahrentgelte sind für Zwecke der Vorsteueraufteilung bei den Provisionserträgen zu erfassen (vgl. Abschnitt 4.8.5 Abs. 1 UStAE).
45Für Vorsteuerbeträge, die nicht banktypischen Geschäften zuzuordnen sind, gelten die allgemeinen Grundsätze gemäß Rn. 1 bis 4 und Abschnitt 15.16 und 15.17 UStAE.
3.2. Vorsteueraufteilung bei Segmentierung
46Im Rahmen einer Segmentierung des Unternehmens für Zwecke des Vorsteuerabzugs sind die dargestellten Anforderungen auf Ebene der einzelnen Segmentschlüsselermittlung zu beachten. Dabei sind die im Einzelfall gegebenen Besonderheiten (z. B. Größe des Kreditinstituts, Geschäftsmodelle, inhomogene Geschäftsfelder, Kreditgrößenstruktur) angemessen zu berücksichtigen. Die Aufteilung darf keine selektiven Elemente enthalten (, BStBl II 2022 S. 782). Für die keinem Segment zuordenbaren Eingangsleistungen bietet sich als letzter Schritt eine Aufteilung nach einem Residualschlüssel (vgl. Rn. 31) an.
3.3. Vorsteueraufteilung in anderen Fällen
47Nimmt das Kreditinstitut keine Vorsteueraufteilung im Rahmen einer Segmentierung i. S. d. Schreibens vor, hat es andere Methoden zu verwenden, die den Besonderheiten der Kreditwirtschaft ausreichend Rechnung tragen und zu einem sachgerechten Ergebnis führen.
48Bei der gewählten Methode hat das Kreditinstitut den Neutralitätsgrundsatz zu beachten. Hierbei ist sicherzustellen, dass die Modalitäten für die Berechnung des Vorsteuerabzugs objektiv den tatsächlichen Anteil der beim Bezug genutzter Eingangsleistungen angefallenen Ausgaben widerspiegeln, der auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgangsumsätze entfällt.
49Die bei Kreditinstituten vorliegenden Strukturen sind häufig durch eine Vielschichtigkeit und Inhomogenität der einzelnen Leistungsbereiche gekennzeichnet. Da z. B. die umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen bestimmter Ausgangsumsätze deren wirtschaftlichen Gehalt vielfach nicht zutreffend abbilden, muss bei Anwendung einer umsatzbasierten Methode für Zwecke des Vorsteuerabzugs eine Vergleichbarkeit der Entgelte i. S. v. Rn. 36 bis 45 hergestellt werden, um dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung gerecht zu werden. Dabei sind die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls zu beachten.
III. Grenzüberschreitende Unternehmensstrukturen in der Kreditwirtschaft
50Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass die Hauptniederlassung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat und deren in einem anderen Mitgliedstaat registrierte Betriebsstätte grundsätzlich als ein einziger Steuerpflichtiger anzusehen sind, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Betriebsstätte einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht (vgl. , TGE Gas Engineering). Selbstständige Betriebsstätten sind dementsprechend als eigenständige Unternehmer zu behandeln.
51Für die Frage, ob die Betriebsstätte einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, kommt es darauf an, ob sie umsatzsteuerlich als selbständige Bank betrachtet werden kann, insbesondere ob sie das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt. Wird die finanzielle Stabilität und Zahlungsfähigkeit eines Kreditinstitutes im Staat der Hauptniederlassung überwacht, trägt die in einem anderen Staat ansässige Betriebsstätte des Kreditinstituts nicht das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit. Daher liegt keine selbständige Wirtschaftstätigkeit einer solchen Betriebsstätte vor.
52Zu den Besonderheiten im Falle von grenzüberschreitenden Organschaften und den Auswirkungen der , Skandia America (USA), und vom , C-812/19, Danske Bank, auf die deutsche Verwaltungsauffassung ergeht ein gesondertes BMF-Schreiben.
53Soweit bei einer Geschäftstätigkeit eines Kreditinstituts in mehreren Staaten dieses als ein einziger Steuerpflichtiger anzusehen ist, richtet sich der Vorsteuerabzug für die auf dem Gebiet eines Staates bezogenen Eingangsleistungen nach den Vorschriften dieses Staates (Territorialitätsprinzip).
54Bei der Umsatzbesteuerung des inländischen Unternehmens sind deshalb für Zwecke der Beurteilung von Vorsteuern auf im Inland bezogene Eingangsleistungen ausländische unselbständige Betriebsstätten als eigenständige, abgrenzbare Organisationseinheiten zu betrachten, für die nach der Methode der Segmentierung regelmäßig eigenständige Schlüssel zu ermitteln sind.
55Je nach Lage der Betriebsstätte sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:
1. Inländische unselbständige Betriebsstätten ausländischer Kreditinstitute
56Inländische unselbständige Betriebsstätten (vgl. Abschnitt 3a.1 Absatz 3 UStAE) gehören zum ausländischen Gesamtunternehmen i. S. d. § 2 UStG. Für Zwecke der Umsatzbesteuerung und damit auch für den Vorsteuerabzug von im Inland bezogenen Eingangsleistungen sind diese Betriebsstätten als im Inland ansässige Unternehmer anzusehen, wenn sie im Inland Umsätze ausführen (§ 59 UStDV). Dies ist bei Kreditinstituten regelmäßig der Fall. Diese Betriebsstätten stellen eigenständige, abgrenzbare Organisationseinheiten dar.
57Bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist maßgeblich, für welche Ausgangsumsätze die entsprechenden Eingangsleistungen verwendet werden. Für Eingangsleistungen, die die Betriebsstätte zur Ausführung eigener Ausgangsumsätze verwendet, steht ihr ein Vorsteuerabzug nach den Regelungen dieses Schreibens zu.
58Sofern Eingangsleistungen der unselbständigen inländischen Betriebsstätte in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit Umsätzen stehen, die von dem ausländischen Unternehmer im Ausland bewirkt werden, kommt ein Vorsteuerabzug bei der Betriebsstätte unter Beachtung der Regelungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 UStG in Betracht. Im Rahmen einer Vorsteueraufteilung nach § 15 Absatz 4 UStG ist für diese Eingangsleistungen ein eigener Schlüssel zu bilden (vgl. , Morgan Stanley & Co. International).
59Für Umsätze im übrigen Gemeinschaftsgebiet gilt, dass für den Vorsteuerabzug Voraussetzung ist, dass die mit den Eingangsleistungen durch den ausländischen Unternehmer bewirkten Ausgangsumsätze sowohl bei diesem selbst steuerpflichtig sind, als auch im Falle einer Leistungserbringung im Inland steuerpflichtig wären. Wegen im Drittland bewirkter Umsätze vgl. Abschnitt 15.14 Abs. 3 UStAE. Ertragsteuerliche Verrechnungen zwischen den im Inland und Ausland belegenen Unternehmensteilen haben als nichtsteuerbare Innenumsätze deshalb keine Relevanz für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs. Für diesen Schlüssel umfassen die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten auch die im Ausland verwirklichten Besteuerungsgrundlagen.
2. Ausländische unselbständige Betriebsstätten inländischer Kreditinstitute
60Ausländische unselbständige Betriebsstätten gehören zum inländischen Gesamtunternehmen i. S. d. § 2 UStG. Für Zwecke des Vorsteuerabzugs für im Inland bezogene Eingangsleistungen sind diese Betriebsstätten als eigenständige, abgrenzbare Organisationseinheiten zu betrachten (Territorialitätsprinzip).
61Bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs für im Inland bezogene Eingangsleistungen einer unselbständigen ausländischen Betriebsstätte ist maßgeblich, ob und für welche Ausgangsumsätze diese Eingangsleistungen in dieser Betriebsstätte verwendet werden. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 UStG kommt ein Vorsteuerabzug in Betracht. Im Rahmen einer Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG ist für diese Eingangsleistungen ein eigener Schlüssel zu bilden (vgl. , Morgan Stanley & Co. International).
62Für Umsätze im Gemeinschaftsgebiet ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass die mit den Eingangsleistungen durch die ausländische Betriebsstätte bewirkten Ausgangsumsätze sowohl bei dieser selbst steuerpflichtig sind, als auch im Falle einer Leistungserbringung im Inland steuerpflichtig wären. Wegen im Drittland bewirkter Umsätze vgl. Abschnitt 15.14 Abs. 3 UStAE. Ertragsteuerliche Verrechnungen zwischen den im Inland und Ausland belegenen Unternehmensteilen haben als nichtsteuerbare Innenumsätze deshalb keine Relevanz für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs. Für diesen Schlüssel umfassen die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 2 und 3 UStG auch die im Ausland verwirklichten Besteuerungsgrundlagen.
IV. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass
63Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das (2024/0883153), BStBl 2024 I S. 1327, geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Abschnitt 15.2d wird wie folgt geändert:
In Nummer 15 wird der abschließende Punkt durch ein Semikolon ersetzt.
Nach Nummer 15 wird folgende Nummer 16 angefügt:
„16.Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten, vgl. BStBl 2024 I S. xxx.“
Abschnitt 15.17 wird wie folgt geändert:
In Absatz 2 werden die Sätze 2 bis 4 wie folgt gefasst:
„2Vor Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG muss der Unternehmer zunächst die Vorsteuerbeträge den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen unmittelbar und wirtschaftlich zuordnen (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2, direkte Zuordnung) sowie getrennte Aufzeichnungen führen (§ 22 Abs. 3 Satz 2 und 3 UStG; Abschnitt 22.4). 3Die Vorsteuerbeträge jedes einzelnen Leistungsbezugs und jeder Anzahlung sind zuzuordnen; dabei ist eine nachvollziehbare Prüfung vorzunehmen, ob die Voraussetzungen einer direkten Zuordnung vorliegen. 4Kommt der Unternehmer dieser Zuordnungsverpflichtung nicht oder in nicht ausreichender Art und Weise nach, sind die den einzelnen Bereichen zuzuordnenden Vorsteuerbeträge nach § 162 AO im Wege der Schätzung zu ermitteln.“
Absatz 3 wird wie folgt geändert:
aa) Nach Satz 8 wird folgender Satz 9 eingefügt:
„9Sachgerecht ist z. B. die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten durch Segmentierung (vgl. BStBl 2024 I S. xxx).“
bb) Die bisherigen Sätze 9 bis 11 werden die neuen Sätze 10 bis 12.
Anwendungsregelung
64Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
65Es wird nicht beanstandet, wenn sich ein Unternehmer in der Zeit bis zum auf die Grundsätze in dem Schreiben des BMF an die Bankenverbände vom (IV A 5-S7306-5/05) beruft, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen und dem nicht andere zwischenzeitlich veröffentlichte BMF-Schreiben entgegenstehen.
Schlussbestimmung
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zum Herunterladen bereit.
BMF v. - III C 2 - S 7306/19/10003 :004
Fundstelle(n):
TAAAJ-81598