Marktordnungsrecht/Abgabenordnung: Zinsen auf erstattete Sanktionen und verzögert ausbezahlte Ausfuhrerstattungen
Leitsatz
1. Die vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Grundsätze über den Anspruch Wirtschaftsbeteiligter auf Erstattung von Geldbeträgen,
zu deren Zahlung sie von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht herangezogen werden, sowie auf Verzinsung
dieser Beträge, sind dahin auszulegen, dass diese Grundsätze erstens anwendbar sind, wenn die fraglichen Geldbeträge zum einen
Ausfuhrerstattungen, die einem Wirtschaftsbeteiligten zunächst unter Verstoß gegen das Unionsrecht versagt und dann verspätet
gezahlt wurden, und zum anderen einer finanziellen Sanktion entsprechen, die gegen ihn aufgrund dieses Verstoßes verhängt
wurde (, Rn. 85, 1. Spiegelstrich).
2. Diese Grundsätze sind auch anwendbar, wenn sich aus einer Entscheidung des EuGH oder eines nationalen Gerichts ergibt,
dass aufgrund einer unzutreffenden Auslegung oder einer fehlerhaften Anwendung des Unionsrechts die Zahlung von Ausfuhrerstattungen
von einer nationalen Behörde versagt bzw. die Zahlung einer finanziellen Sanktion eingefordert worden ist (EuGH, a.a.O., Rn.
85, 2. Spiegelstrich).
3. Die in § 236 AO angelegte Beschränkung des Zinsanspruchs betreffend Erstattungsbeträge auf den Zeitraum ab Einlegung des
gerichtlichen Rechtsbehelfs bis zum Tag der Entscheidung des Gerichts ist mit den vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen
Grundsätzen unvereinbar mit der Konsequenz, dass diese Vorschrift keine Anwendung findet.
4. Der Wirtschaftsbeteiligte kann Zinsen auch für den Zeitraum beanspruchen und erlangen, der zwischen dem Tag, an dem der
fragliche Betrag hätte gezahlt werden müssen bzw. an dem der Geldbetrag an den betreffenden Mitgliedstaat entrichtet wurde,
und dem Tag der Einlegung eines solchen (= gerichtlichen) Rechtsbehelfs liegt.
5. Dem Wirtschaftsbeteiligten wird die Ausübung seiner nach dem Unionsrecht verliehenen Rechte übermäßig erschwert, wenn
ihm der Zinsanspruch unter Hinweis darauf versagt wird, dass er keinen gerichtlichen Rechtsbehelf auf Zahlung der ihm versagten
Ausfuhrerstattung bzw. auf Erstattung der von ihm entrichteten Sanktion eingelegt habe, obgleich er die Initiative ergriffen
und Einspruch eingelegt hat.
Fundstelle(n): RAAAJ-81551
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Finanzgericht Hamburg, Urteil v. 03.11.2022 - 4 K 56/18
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