BSG Beschluss v. - B 1 KR 29/24 BH

Krankenversicherung - Kostenerstattung - Krankenhausbehandlung in einem anderen EU-Mitgliedstaat - besonderes Leistungsangebot

Gesetze: § 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 13 Abs 4 S 6 SGB 5, § 13 Abs 5 S 1 SGB 5, § 13 Abs 5 S 2 SGB 5, § 18 SGB 5

Instanzenzug: SG Augsburg Az: S 3 KR 287/23 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 4 KR 12/24 Urteil

Gründe

1I. Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm die beantragte Zustimmung zur stationären Krankenhausbehandlung zur Amputation des linken Unterarms in der V Privatklinik in G, Spanien, zu erteilen, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben (; ).

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat er Beschwerde eingelegt und für dieses Beschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

3II. 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.

4Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten und unter Würdigung des Vorbringens des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegen könnte.

5Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bun-des (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

6a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich und durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (vgl hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 6 ff mwN). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist, mithin ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (stRspr; vgl nur - juris RdNr 6 mwN).

7Dass danach die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl - juris RdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen.

8§ 13 Abs 5 SGB V regelt den grundsätzlichen Zustimmungsvorbehalt der Krankenkassen für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Nach § 13 Abs 5 Satz 2 SGB V darf die Zustimmung versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass eine Auslandsbehandlung - zumal in stationärer Form unter den erschwerten (europarechtskonformen) Voraussetzungen des § 13 Abs 5 SGB V - unter dem allgemeinen, sich auch in § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V niederschlagenden Regime des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht allein unter Hinweis auf den Patientenwunsch oder die Inanspruchnahme der europarechtlichen passiven Dienstleistungsfreiheit beansprucht werden kann. Aus § 18 SGB V hat der Senat vielmehr hergeleitet, dass dafür ein qualitatives oder quantitatives Versorgungsdefizit im Inland zu fordern ist. Ein solches Defizit besteht nicht schon dann, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Denn eine solche Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Krankenkassen schulden den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik; sie haben die Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1, § 27 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V). Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung besteht dagegen kein Anspruch. Spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten eines ausländischen Arztes oder überlegene technische oder personelle Kapazitäten eines Krankenhauses können erst dann eine Inanspruchnahme zu Lasten der GKV rechtfertigen, wenn sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen, das nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Teil einer zweckmäßigen medizinischen Behandlung der betreffenden Krankheit ist, im Inland aber nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht ( - SozR 4-2500 § 13 Nr 24 RdNr 26 f mwN).

9Es dürfte daher auch dann keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, wenn das LSG die medizinische Notwendigkeit der begehrten Amputation des linken Unterarms hier sogar ausdrücklich zugunsten des Klägers unterstellt. Davon ausgehend hat das LSG keine Zweifel daran, dass es im Inland gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger gibt und dieser daher die begehrte stationäre Krankenhausbehandlung zur Armamputation rechtzeitig in einem zugelassenen Krankenhaus im Inland erlangen kann. Auch in diesem Zusammenhang sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ersichtlich.

10b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) dürfte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Dafür ist nichts ersichtlich.

11c) Aus dem Vortrag des Klägers und aus den Akten ist auch kein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens ersichtlich, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Insbesondere ergibt sich kein Verfahrensmangel daraus, dass das LSG kein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt hat. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bestimmt insoweit, dass die Revision nur zuzulassen ist, wenn "ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 (…) gestützt werden". Dieser Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 SGG gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht. Der ausnahmslose Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 109 SGG gilt auch für mittelbare Rügen durch Geltendmachung eines anderen Verfahrensfehlers. Darin liegt keine Missachtung des Art 103 Abs 1 GG. Vielmehr stimmt diese Rechtsprechung durchaus mit der angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) verfassungsrechtlich unbedenklichen Intention des Gesetzgebers überein, von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen auszuschließen, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (stRspr; - juris RdNr 7 f mwN; - juris RdNr 6 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusses unabhängig davon, worauf der Verfahrensmangel im Einzelnen beruht vgl BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 1425/88 - SozR 1500 § 160 Nr 69).

12d) Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

132. Die vom Kläger privatschriftlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht von einem vor dem BSG nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Die Verwerfung erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:081124BB1KR2924BH0

Fundstelle(n):
GAAAJ-81507