BGH Beschluss v. - 2 StR 87/24

Instanzenzug: Az: 2 StR 87/24 Beschlussvorgehend Az: 2 StR 87/24 Beschlussvorgehend LG Wiesbaden Az: 1 KLs 15613/16nachgehend Az: 2 StR 87/24 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen „gemeinschaftlichen unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom – 2 StR 212/18 – mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

2Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, jeweils tateinheitlich mit Entziehung elektrischer Energie, sowie wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 16 Fällen, davon in 13 Fällen bandenmäßig begangen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen es vier Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 339.170 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

31. Der Schuldspruch kann mit Blick auf das zum in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz keinen Bestand haben, soweit er sich auf den Umgang des Angeklagten mit Cannabis bezieht. Danach unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Konsumcannabisgesetz. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Das neue Recht ist in sämtlichen Fällen milder, weil das Landgericht entweder vom Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG oder des § 29a Abs. 1 BtMG ausgegangen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 158/24, Rn. 5; vom – 3 StR 164/24, Rn. 13). Der Schuldspruch weist darüber hinaus Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

4a) Die Strafkammer ist auf der Grundlage des Tatzeitrechts zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich durch den Betrieb der Marihuanaplantage in R.                        ab März 2012 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht hat. Sie hat auch rechtlich zutreffend die einzelnen Anbauvorgänge als selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens bewertet.

5Das vom Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegte Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 14 erfüllt nunmehr den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Der dem Betäubungsmittelgesetz entnommene Begriff des Handeltreibens umfasst jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. , BGHSt 50, 252, 256). Der Anbau zum Zweck der gewinnbringenden Veräußerung ist Handeltreiben, wobei gesonderte Anbauvorgänge, die auf die gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind (vgl. , BGHSt 58, 99, 101; vom – 6 StR 239/22, NStZ 2023, 681 Rn. 9; Beschlüsse vom – 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461 Rn. 4; vom – 2 StR 228/11 Rn. 4, NStZ 2012, 43). Auch die Anbauvorgänge, bei denen es nach den Feststellungen zu Missernten gekommen ist, erfüllen den Tatbestand des Handeltreibens, da der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielte (, aaO, S. 102). Sowohl für die Abgrenzung zur nicht geringen Menge – der Grenzwert, ab dem eine nicht geringe Menge vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiterhin bei 7,5 Gramm THC anzusetzen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24; vom – 5 StR 153/24; vom – 2 StR 480/23; vom – 4 StR 5/24; vom – 6 StR 73/24) – als auch für den Schuldumfang ist bei der Strafzumessung die Menge an Wirkstoff maßgeblich, die mit dem Anbau letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll (vgl. , Rn. 8 mwN). Dies gilt auch für die Anbauvorgänge, die letztlich zu Missernten geführt haben.

6b) Soweit das Landgericht den Angeklagten mit Bezug auf Plantagen in H.                             , N.                        , M.                    , L.               und W.                       darüber hinaus wegen Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmittel verurteilt hat, bedarf der Schuldspruch im Hinblick auf das Inkrafttreten des in den konkreten Fällen milderen Konsumcannabisgesetzes ebenfalls der Korrektur. Darüber hinaus weist die konkurrenzrechtliche Bewertung Rechtsfehler auf. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt:

„Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass sie [die Strafkammer] für die Plantagen in H.                            , N.                         und M.                      jeweils eine der Anzahl der Ernten entsprechende Anzahl von dem Angeklagten durchgeführter Fahrten zur Anlieferung von Dünger und Erde angenommen hat (UA S. 127 f.). Sie hat jedoch nicht berücksichtigt, dass nach den Feststellungen jedenfalls ein Teil der ersten Ernte von der Plantage in M.                     im Pool mit einer der Ernten aus N.                          verkauft wurde (UA S. 33). Die Annahme von zwei selbständigen realkonkurrierenden Taten der Beihilfe zum Handeltreiben erweist sich insoweit als unzutreffend. Soweit einzelne Ernten gemeinsam abverkauft wurden, hat das Landgericht zu Recht jeweils eine Bewertungseinheit und damit nur eine Haupttat des Handeltreibens angenommen (UA S. 102 f.). Mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen – hier: das Anliefern von Dünger und Erde sowohl nach N.                          als auch nach M.                     –, die ein- und dieselbe Haupttat fördern, werden in einem solchen Fall jedoch zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst (st. Rspr.; vgl. nur –, juris Rn. 6 mwN). Entsprechend ist die Kammer erkennbar hinsichtlich der sonstigen Unterstützungsleistungen auf den verschiedenen Plantagen wie der Hilfe beim Aufbau der Plantagen, der Urlaubsvertretung bei der Pflege der Pflanzen, dem Besorgen von Equipment sowie dem gelegentlichen Abtransport von Pflanzenresten rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass diese keine selbständigen Beihilfetaten darstellen, da sie jeweils zugleich denselben Anbauvorgängen dienten, zu denen der Angeklagte bereits durch das Anliefern von Erde und Dünger Hilfe geleistet hat. Es liegen mithin nur 15 Taten der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis vor, wobei der Angeklagte in zwölf Fällen, nämlich bei den Unterstützungshandlungen für den Anbau auf den Plantagen in H.                            , N.                         und M.                      , als Mitglied einer Bande gehandelt hat.“

7c) Der Senat ändert in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

8d) Die darüber hinaus vom Generalbundesanwalt beantragte Änderung des Schuldspruchs dahin, der Angeklagte sei des Handeltreibens mit Cannabis in 18 (statt in 14) Fällen schuldig, kann der Senat nicht vornehmen, ohne dass er deshalb an einer Entscheidung wie aus der Beschlussformel ersichtlich gehindert wäre (vgl. , Rn. 2). Das angefochtene Urteil erschöpft die Anklage nicht, soweit das Landgericht in den Gründen Feststellungen zu den Taten 15 bis 18 betreffend die Plantage R.                          im Jahr 2016 getroffen hat. Die Gründe teilen insoweit mit, der Angeklagte sei „versehentlich nur wegen 14 Taten betreffend die Plantage in R.     verurteilt“ worden. Ein Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung erfolgte jedoch nicht. Aufgrund der umfassenden Kognitionspflicht des Tatrichters hätte die Strafkammer auch diese Taten aburteilen müssen (vgl. , Rn. 18). Weil die Strafkammer dies unterlassen hat, ist das die Taten 15 bis 18 betreffende Verfahren beim Landgericht anhängig geblieben. Insoweit unterliegt es nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht, sondern weiterhin der Kognition des Landgerichts. Die Änderung des Schuldspruchs durch den Senat kann sich auf die Taten 15 bis 18 nicht beziehen.

92. Die Änderung des Schuldspruchs in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung der milderen Strafrahmen des § 34 KCanG zu niedrigeren Einzelstrafen und einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre, zumal es das Verschlechterungsverbot zu beachten hatte und damit die Summe der Einzelstrafen für konkurrenzrechtlich richtig als tatmehrheitlich begangen zu bewertende Fälle nicht höher sein durfte als die im ersten Rechtsgang verhängten Einzelstrafen für dort als eine Tat bewertete Fälle (vgl. , Rn. 15). Die Aufhebung des Strafausspruchs lässt die Kompensationsentscheidung unberührt, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist (vgl. , Rn. 19 mwN). Die Feststellungen sind ebenfalls nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

103. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Der Angeklagte veräußerte nicht wie von der Strafkammer angenommen 60,6 kg Marihuana, sondern nur 60,32 kg (79,8 kg abzüglich sichergestellter 6.878 Gramm und 12,6 kg, die er an den Mitangeklagten P.      zur Schuldentilgung abgegeben hat). Ausgehend von dem vereinnahmten Verkaufspreis (4.200 €/kg) erzielte der Angeklagte insoweit einen Tatertrag in Höhe von insgesamt 253.344 €. Zusammen mit den weiteren, rechtsfehlerfrei festgestellten Taterträgen (ersparte Stromkosten in Höhe von 79.050 €; Entlohnung für Materialfahrten und Umbauarbeiten in Höhe von 5.600 €) ergibt sich ein Gesamtbetrag von 337.994 €. Die darüberhinausgehende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen hat zu entfallen.

114. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine Erstreckung der Entscheidung auf die Nichtrevidenten (§ 357 StPO) findet nicht statt. Denn diese beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung beim Erlass des Urteils, sondern auf einer nachträglichen, vom Senat gemäß § 354a StPO zu berücksichtigenden Rechtsänderung (vgl. , Rn. 11 mwN).

125. Das neue Tatgericht wird zu erwägen haben, das die Taten 15 bis 18 (Plantage R.                         2016) betreffende – bei der bisher zuständigen Strafkammer noch anhängige – Verfahren zu dem zurückverwiesenen Verfahren entsprechend § 4 StPO hinzuzuverbinden (vgl. , Rn. 12 mwN). Die Kostenbeschwerde ist mit der auch nur teilweisen Aufhebung und Zurückverweisung gegenstandslos geworden (vgl. , Rn. 9 mwN).

Menges                         Meyberg                         Grube

                  Schmidt                      Zimmermann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090924B2STR87.24.2

Fundstelle(n):
YAAAJ-81485