Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 13 FEK 36/23
Gründe
11. Der Kläger (Bezirkspersonalrat bei einer Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit) begehrt, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Revisionsverfahrens zu gewähren, in dem er die unangemessene Dauer eines von ihm vor dem Verwaltungsgericht geführten personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens mit dem Ziel geltend macht, Wiedergutmachung auf andere Weise durch die Feststellung zu erlangen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Zugleich beantragt er, ihm den von ihm benannten Rechtsanwalt beizuordnen.
22. Der vorgenannte Antrag hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht vorliegen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe und dementsprechend auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts setzt nach den gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO neben der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung die Bedürftigkeit des Klägers in der Weise voraus, dass dieser nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (vgl. etwa - FamRZ 2022, 123 Rn. 8 und 13). Handelt es sich - was hier für den Personalrat offenbleiben kann - um eine parteifähige Vereinigung (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO), so setzt der Anspruch auf Prozesskostenhilfe voraus, dass die Kosten von der parteifähigen Vereinigung nicht aufgebracht werden können. An dieser Bedürftigkeit bzw. wirtschaftlichen Voraussetzung des Prozesskostenhilfeanspruchs fehlt es hier.
3Der Kläger verfügt zwar als Personalrat über keine eigenen finanziellen Mittel. Ihm steht jedoch die Verpflichtung der Dienststelle zur Kostentragung aus § 46 Abs. 1 BPersVG zur Seite, die im vorliegenden Revisionsverfahren die notwendigen Kosten der Prozessführung des Klägers erfasst.
4a) Nach § 46 Abs. 1 BPersVG trägt der Bund die durch die Tätigkeit des Personalrats und seiner Mitglieder entstehenden Kosten. Darunter fallen alle in einem Zusammenhang zur Personalratstätigkeit stehenden Kosten, die zur Aufgabenerfüllung des Personalrats notwendig sind und die dieser bei pflichtgemäßer Beurteilung der Sachlage für erforderlich und verhältnismäßig halten darf (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 6 P 1.90 - BVerwGE 89, 93 <104 f.>, vom - 6 PB 3.08 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 36 Rn. 8, vom - 6 PB 21.10 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 39 Rn. 3 und vom - 5 P 2.15 - NZA-RR 2016, 389 Rn. 14, 16 f.). Unter diesen Voraussetzungen zählen hierzu anerkanntermaßen auch die (angemessenen) Kosten, die zur gerichtlichen Verfolgung oder Verteidigung von Rechten des Personalrats in einem Beschlussverfahren nach § 108 BPersVG entstehen (vgl. Hebeler, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand Mai 2024, § 46 BPersVG Rn. 29; Jacobs/Heinkel, in: Richardi/Dörner/Weber/Annuß, Personalvertretungsrecht, 6. Aufl. 2024, § 46 BPersVG Rn. 18).
5Dieser Anspruch des Klägers erstreckt sich hier angesichts einer bislang nicht abschließend geklärten Rechtslage insbesondere zu der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob ein Personalrat Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG sein kann, auch auf ein gerichtliches Verfahren, in dem für die angeblich unangemessen lange Dauer eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens gemäß § 198 Abs. 1 und 5 GVG Wiedergutmachung auf andere Weise durch eine entsprechende gerichtliche Feststellung angestrebt wird. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch steht der Sache nach in einem engen Zusammenhang zu der im Ausgangsverfahren erfolgten gerichtlichen Geltendmachung von Beteiligungsrechten des Klägers, die in ihrer Wirksamkeit durch eine unangemessene Verfahrensdauer beeinträchtigt sein können. Insoweit ist es unerheblich, dass sich der Anspruch auf Wiedergutmachung nicht gegen die am personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beteiligte Dienststellenleitung, sondern gegen die Körperschaft richtet, in deren Verantwortungsbereich es zu der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens gekommen sein soll.
6Der Kostentragungsanspruch gemäß § 46 Abs. 1 BPersVG ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen. Insbesondere ist in diesem Verfahren die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder haltlos. Zwar besteht der Anspruch aus § 46 Abs. 1 BPersVG nicht, wenn ein Verfahren mutwillig oder aus haltlosen Gründen angestrengt wird, so dass der Personalrat bei der ihm obliegenden pflichtgemäßen Beurteilung der objektiven Sachlage zu dem Ergebnis kommen muss, dass ein Verfahren nicht erforderlich ist. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung einschließlich der Fälle des Rechtsmissbrauchs, wenn ein verständiger und sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Verfahrensführung selbst einstehen muss, in einem gleichgelagerten Fall die Rechtsverfolgung in der gewählten Form unterlassen hätte (vgl. Jacobs/Heinkel, in: Richardi/Dörner/Weber/Annuß, Personalvertretungsrecht, 6. Aufl. 2024, § 46 BPersVG Rn. 21 f.). Das ist etwa der Fall, wenn von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird ( 6 P 3.11 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 8 Rn. 37 m. w. N.). Haltlos sind die Gründe für ein Verfahren dann, wenn die Rechtsverfolgung von Anfang an als offensichtlich aussichtslos anzusehen ist ( 6 P 11.90 - BVerwGE 90, 76 <85> m. w. N.). Hier ist weder von Mutwilligkeit noch von Haltlosigkeit auszugehen. Ein verständiger und sachgerecht handelnder "Selbstzahler" hätte von der Rechtsverfolgung nicht abgesehen angesichts der bislang offenen Rechtsfrage, ob ein Personalrat die unangemessene Dauer eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens im Verfahren nach § 198 GVG geltend machen kann. Dies gilt jedenfalls für das auf die erstmalige Klärung dieser Frage gerichtete Verfahren. Auch steht für die Geltendmachung des Wiedergutmachungsanspruchs kein anderes Verfahren zur Verfügung. Die Rechtsverfolgung ist auch nicht offensichtlich aussichtslos. Dagegen spricht bereits die Zulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Darüber hinaus unterstützen Stellungnahmen in der Fachliteratur im Ergebnis den Rechtsstandpunkt des Klägers (vgl. Hebeler, PersV 2024, 57 ff.; Bergmann/Teichert, ZfPRonline 11/2023, 17 ff.).
7b) Der Berücksichtigung des mit der Verpflichtung der Dienststelle aus § 46 Abs. 1 BPersVG korrespondierenden Anspruchs des Personalrats auf Kostentragung bei der kostenhilferechtlichen Beurteilung der Bedürftigkeit steht auch nicht entgegen, dass dieser Kostentragungsanspruch nicht realisierbar bzw. nicht praktisch werthaltig wäre. Mit Blick auf die Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist zu erwarten, dass die Dienststellenleitung ungeachtet des bisher von ihr eingenommenen gegenteiligen Rechtsstandpunkts ihrer Pflicht zur Kostentragung gemäß § 46 Abs. 1 BPersVG nachkommen wird.
8c) Angesichts des Vorstehenden bedarf es zur Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keiner Ausführungen zu den Erfolgsaussichten des vom Senat noch zu entscheidenden Revisionsverfahrens.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:230524B5C6.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-81436