BGH Beschluss v. - 4 StR 368/24

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 1 KLs 7/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, sowie wegen besonders schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Am betrat der Angeklagte maskiert eine Tankstelle und forderte von dem dort tätigen Mitarbeiter unter Vorhalt eines Messers die Herausgabe des in der Kasse befindlichen Geldes. Dieser Aufforderung kam der Mitarbeiter unter dem Eindruck der Drohung (teilweise) nach. Beim Verlassen des Verkaufsraumes entnahm der Angeklagte, einem spontanen Entschluss folgend, aus einer auf dem Verkaufstresen stehenden Auslage Waren im Wert von 60 €, um diese für sich zu behalten. Dabei war ihm bewusst, dass die vorherige Drohung mit dem Messer fortwirkte (Fall II. 1. der Urteilsgründe).

4An drei weiteren Tagen im September 2023 betrat der Angeklagte erneut maskiert die Verkaufsräume von Tankstellen und verlangte unter Vorhalt eines Messers die Herausgabe von Geld und teilweise auch Waren (Fälle II. 2. – 4. der Urteilsgründe). In zwei Fällen wurde ihm durch das Kassenpersonal das geforderte Geld, in einem Fall davon zusätzlich die Ware, übergeben. In einem weiteren Fall griff der Angeklagte selbst in die geöffnete Kassenschublade und nahm das darin befindliche Geld an sich. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe entnahm der Angeklagte im Zusammenhang mit der Übergabe des Bargeldes auch eine Wasserflasche.

5b) Das Landgericht hat das Geschehen in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe als besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 253 Abs. 1 und 2, 255 StGB, § 52 StGB), im Fall II. 2. der Urteilsgründe als besonders schweren Raub (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und im Fall II. 4. der Urteilsgründe als besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 253 Abs. 1 und 2, 255 StGB) gewertet.

62. Der Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte in Bezug auf die Wegnahme von Waren wegen besonders schweren Raubes verurteilt worden ist. Insoweit liegt lediglich ein Diebstahl mit Waffen vor.

7a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Tatbestand des Raubes voraus, dass zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme eine finale Verknüpfung besteht; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 115/23 Rn. 6). Wird der Vorsatz, eine bestimmte Sache wegzunehmen, erst nach der Drohung mit Gewaltanwendung gefasst, kommt insoweit ein Raub i.S.v. § 249 StGB nur dann in Betracht, wenn die frühere Drohung zumindest konkludent erneuert wird (vgl. Rn. 5, 6; Beschluss vom – 4 StR 351/22 Rn. 5, 8; Beschluss vom – 5 StR 41/14 Rn. 4). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die ursprüngliche Drohung bereits auf die Herausgabe (vgl. Rn. 6) oder die Wegnahme von Gegenständen gerichtet war (vgl. Rn. 5 mwN) und es sich bei der nachfolgenden Wegnahme nicht mehr um eine nur unwesentliche Abweichung von dem ursprünglichen Tatplan handelt. Nicht ausreichend ist es, dass die Wirkungen des zuvor eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt (vgl. Rn. 5). Vielmehr muss sich den Gesamtumständen eine neuerliche Drohung mit Gewaltanwendung entnehmen lassen (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 4 StR 351/22 Rn. 8).

8b) Gemessen hieran wird die Annahme eines (besonders schweren) Raubes durch die Wegnahme der Ware aus der Auslage im Fall II. 1. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen. Diese erfolgte aufgrund eines spontanen Tatentschlusses des Angeklagten beim Verlassen des Verkaufsraumes. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan (Abpressen des Kasseninhaltes) bereits umgesetzt. Eine Äußerung oder eine Handlung des Angeklagten vor oder bei der Wegnahme, die als – ausdrückliche oder konkludente – Nötigung zur Ermöglichung der Wegnahme gedeutet werden könnte, ist nicht festgestellt und lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass die zuvor mit dem Messer zum Ausdruck gebrachte Drohung fortwirkte.

9c) Die Feststellungen tragen aber die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB). Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes tragen, und ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Annahme von Tateinheit beschwert den Angeklagten nicht.

103. Im Übrigen wird der Schuldspruch von den Feststellungen getragen. Insbesondere ist die finale Verknüpfung zwischen der Drohung mit dem Messer und der unmittelbar darauf erfolgten Wegnahme der Wasserflasche im Fall II. 3. der Urteilsgründe noch hinreichend festgestellt.

114. Die Strafaussprüche haben Bestand.

12a) In Fall II. 1. der Urteilsgründe bleibt der Strafausspruch von der Schuldspruchänderung unberührt, da die Strafe unverändert aus dem vom Landgericht zur Anwendung gebrachten Strafrahmen der §§ 255, 250 Abs. 2 StGB zu entnehmen ist (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB) und weiterhin tateinheitlich mehrere Strafgesetze verwirklicht sind. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer aufgrund des milderen Strafrahmens des § 244 Abs. 1 StPO auf eine mildere Einzelstrafe als die tatsächlich verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren – die Mindeststrafe nach § 250 Abs. 2 StGB – erkannt hätte.

13b) Soweit die vom Landgericht in allen Fällen bei der Bemessung der Einzelstrafen angeführte strafschärfende Erwägung, dass die Taten „Bestandteil einer Serie“ von Überfällen waren, rechtlichen Bedenken begegnen könnte (vgl. Rn. 10; Urteil vom – 2 StR 18/16 Rn. 16, vgl. aber auch ; Beschluss vom – 4 StR 467/12 Rn. 23; Urteil vom – 3 StR 401/02 Rn. 6), schließt der Senat aus, dass die Strafaussprüche hierauf beruhen (§ 337 StPO). Die Annahme minder schwerer Fälle liegt angesichts des Tatbildes und der weiteren Strafschärfungsgründe fern und bei seiner konkreten Strafzumessung hat das Landgericht die Untergrenze des Normalstrafrahmens (§ 250 Abs. 2 StGB) nicht oder nur relativ geringfügig überschritten.

145. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Quentin                         Maatsch                         Marks

                Tschakert                         Gödicke

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:241024B4STR368.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-81427