BGH Urteil v. - XI ZR 251/22

Instanzenzug: Az: XI ZR 251/22 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 11 U 39/22vorgehend Az: 316 O 109/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt u.a. die Beklagte zu 2 als Gründungsgesellschafterin einer Fondsgesellschaft wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Fondsbeteiligung auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erklärte am seinen Beitritt als Treugeber für eine Kommanditbeteiligung an der A.                              GmbH & Co. KG (künftig: Fondsgesellschaft). Die Zeichnungssumme betrug 750.000 € abzüglich eines Discounts in Höhe von 30.000 €. Der am aufgestellte Verkaufsprospekt lag dem Kläger vor Zeichnung der Beteiligung vor.

3Die Beklagte zu 2 ist Rechtsnachfolgerin der A.        C.                           GmbH, die Rechtsnachfolgerin der A.       R.                          GmbH ist. Sie ist Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft und fungierte als deren geschäftsführende Kommanditistin.

4Auf Seite 81 des Prospekts wird u.a. Folgendes ausgeführt:

"Geschäftsbesorgungsvertrag Eigenkapitalvermittlung

Das Beteiligungskapital wird durch die A.       Ca.                    GmbH als Generalvermittler auf Basis des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Fondsgesellschaft vom platziert."

5Auf Seite 85 des Prospekts heißt es u.a. weiter:

"Vertriebsbeauftragte

Das Beteiligungskapital wird auf Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrages Eigenkapitalvermittlung durch die A.      Ca.                   GmbH als Generalvermittler sowie deren Vertriebsbeauftragte, mit denen entsprechende Vertriebsvereinbarungen getroffen werden, platziert. Die A.       Ca.                     GmbH und die Vertriebsbeauftragten sind selbständige Unternehmer. Sie und ihre Mitarbeiter treten nicht als Erfüllungsgehilfen der Anbieterin dieses Beteiligungsangebotes auf. […]"

6Das Fondskonzept sah vor, dass sich die Fondsgesellschaft mittelbar an der Projektgesellschaft Am.     S.A. beteiligt, die in die Bewirtschaftung des natürlichen Amazonas-Tropenwaldes und die Aufforstung bereits gerodeten Regenwaldes in Brasilien investieren sollte.

7Der Kläger macht u.a. verschiedene Prospektfehler geltend und meint, die Beklagte zu 2 sei ihm aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.

8Mit seiner Klage begehrt der Kläger (1.) die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 720.000 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers an der Fondsgesellschaft, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung im Verzug befänden, (3.) die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, den Kläger von allen Schäden und Nachteilen freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Zeichnung der Fondsanteile resultieren, und (4.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.813,73 €.

9Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung zum Nachteil des Klägers erkannt hat. Insoweit verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

10Die Revision hat Erfolg.

I.

11Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

12Eine Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG in der bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) verdrängt. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung schließe in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB aus. Ansprüche nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung seien gemäß § 46 BörsG aF verjährt.

II.

13Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG aF verdrängt, kann die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage nicht abgewiesen werden.

141. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend angenommen, dass eine Haftung der Beklagten zu 2 als Gründungsgesellschafterin aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann.

15Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird nach gefestigter Senatsrechtsprechung durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908 und vom - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff., jeweils mwN). Diese Senatsrechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. , BGHZ 238, 302 Rn. 11).

16Auf den am aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eröffnet.

17Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF), im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Die Beklagte zu 2 ist Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF, da sie Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 32/20, BGHZ 233, 47 Rn. 2, 19 und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908; , BKR 2024, 816 Rn. 15 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 16).

18Die Beklagte zu 2 haftete somit als Prospektverantwortliche für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Beklagten zu 2 unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26).

192. Ein Gründungsgesellschafter kann gegenüber Anlegern allerdings aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eine Haftung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht aus (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 8, vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908, vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 und vom - XI ZB 16/21, NZG 2024, 24 Rn. 23; , BKR 2024, 816 Rn. 17 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 18).

20Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF auch dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (Senatsbeschluss vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 ff.; , BGHZ 238, 302 Rn. 11; , BKR 2024, 816 Rn. 18 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 19).

21Vertriebsverantwortung kann durch verschiedene Umstände begründet werden. Vertriebsverantwortung trägt ein Altgesellschafter, wenn er selbst den Vertrieb übernimmt, beispielsweise als Vertriebsgesellschaft. Vertriebsverantwortung kann jedoch auch bestehen, wenn ein Altgesellschafter den Vertrieb nicht selbst übernimmt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter (vgl. , BGHZ 238, 302 Rn. 30 und Senatsbeschlüsse vom - XI ZR 60/22, BKR 2023, 718 Rn. 7 und XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44 und vom - XI ZB 17/22, WM 2024, 887 Rn. 50, 53).

22Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte zu 2 für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich. Aus dem Prospekt ergibt sich, dass die A.      Ca.                        GmbH von der Fondsgesellschaft auf der Basis eines Geschäftsbesorgungsvertrags vom mit dem Vertrieb beauftragt wurde. Die Komplementärin der Fondsgesellschaft war nach den Angaben im Prospekt (S. 77) ausdrücklich von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Geschäftsführende Kommanditistin der Fondsgesellschaft war vielmehr die Beklagte zu 2 (Prospekt, S. 73). Diese ist danach für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich, da der Vertriebsauftrag, wie hier, von der Fondsgesellschaft erteilt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44; , BGHZ 238, 302 Rn. 31; , BKR 2024, 818 Rn. 20 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 21). Eine Haftung der Beklagten zu 2 wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB kann damit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, die Haftung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

III.

23Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Ellenberger                Grüneberg                Derstadt

           Schild von Spannenberg       Ettl

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124UXIZR251.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-81424