Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 33/21vorgehend LG Aurich Az: 2 O 431/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Februar 2015 einen 1.6 Diesel, der mit einem Motor der Baureihe EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Im April 2021 veräußerte der Kläger das Fahrzeug.
2Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und des Weiterveräußerungserlöses sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Gründe
3Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Durch den Einsatz einer Fahrkurvenerkennung sei dem Kläger kein Schaden entstanden. Es stehe ex post fest, dass keine Betriebsuntersagung oder -beschränkung gedroht habe. Das zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bekannte Verhalten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) als allein zuständiger Bundesbehörde nach Vertragsschluss sei bei der Beurteilung, ob der Vertragsschluss unvernünftig gewesen sei, zu berücksichtigen. Dass das Verhalten des KBA zum Zeitpunkt des Kaufvertrags anders als nach Bekanntwerden gewesen wäre, sei nicht anzunehmen oder von dem Kläger auch nicht behauptet.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand.
71. Ein Anspruch nach §§ 826, 31 BGB kann nicht mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung wegen eines fehlenden Schadens verneint werden. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es für die Beurteilung, ob ein Schaden vorliegt, darauf ankommt, dass die Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand (vgl. VIa ZR 1425/22, WM 2024, 1140 Rn. 28; Urteil vom - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 48 iVm 21, 52 ff.). Ein Vermögensschaden setzt voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (, NJW 1998, 302, 304; Urteil vom , aaO Rn. 46; Urteil vom - VI ZR 367/19, NJW 2020, 2804 Rn. 21). Gerechtfertigt ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier der Kläger - ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 30; Urteil vom - VIa 325/21, WM 2023, 138 Rn. 19; Urteil vom . aaO. Rn. 51). Für den Eintritt eines Schadens kommt es nicht darauf an, ob sich die Stilllegungsgefahr verwirklicht hat ( aaO Rn. 54; Urteil vom - VI ZR 131/20, WM 2024, 218 Rn. 21). Anders als das Berufungsgericht annimmt, kann aus dem Verhalten des KBA, insbesondere aus dem Umstand, dass dieses nicht einschritt, nicht auf eine fehlende Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschlossen werden.
82. Die Revision hat auch deshalb Erfolg, weil das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Danach kann dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenz-schadens zustehen (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung des Klägers bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.
III.
10Die Berufungsentscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 826, 31 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV getroffen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auch auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer Krüger Götz
Rensen Katzenstein
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041224UVIAZR618.21.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-81423