Leitsatz
Gesetze: § 195 BGB, § 604 Abs 5 BGB, § 648a Abs 1 S 1 BGB vom , § 695 S 2 BGB, § 696 S 3 BGB
Instanzenzug: Az: 9 U 301/23 Bau e Urteilvorgehend LG München I Az: 2 O 15750/21 Endurteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 4.318.313,55 €.
2Die Beklagten zu 1 und 2 sind Eigentümerinnen nebeneinander gelegener Grundstücke. Sie schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen (Beklagte zu 3), um eine zeitgleiche, aufeinander bezogene Umnutzung beider Grundstücke nebst Umbau der Bestandsgebäude durchzuführen. Die Beklagte zu 3 beauftragte die Klägerin mit Generalplanervertrag vom mit der Erbringung von Planungsleistungen zum Umbau der bestehenden Büro- und Gewerbebebauung in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie anteiliger gewerblicher Nutzung. Später vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Planung auf die Errichtung eines Aparthotels beziehungsweise Boardinghauses angepasst werden sollte.
3Mit der Beklagten zu 3 am zugegangenem Schreiben vom selben Tag forderte die Klägerin die Beklagte zu 3 - im Ergebnis erfolglos - auf, eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB (in der Fassung vom ) in Höhe von 1.443.590,21 € zu stellen. Ende Oktober 2018 kündigte die Beklagte zu 3 den Vertrag wegen vermeintlicher Pflichtverletzungen der Klägerin fristlos aus wichtigem Grund. Im Rahmen eines von der Beklagten zu 3 gegen die Klägerin geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens, gerichtet auf die Herausgabe von Planungsunterlagen, fanden anlässlich der mündlichen Verhandlung vom vor dem Landgericht Gespräche zwischen den Parteivertretern statt.
4Unter dem legte die Klägerin ihre Schlussrechnung. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte zu 3 zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von insgesamt 3.594.000 € auf. Die Beklagte zu 3 stellte weder die geforderte Sicherheit noch leistete sie Zahlungen auf die Schlussrechnung.
5Mit der vorliegenden, am bei Gericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von insgesamt 4.318.313,55 €. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Beklagten antragsgemäß zur Sicherheitsleistung nach ihrer Wahl in Höhe von 4.318.313,55 € verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.
Gründe
6Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
7Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB).
I.
8Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZfBR 2024, 318 veröffentlicht ist, hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
9Die Klägerin habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a BGB in Höhe von 4.318.313,55 €.
10Dieser Anspruch, bei dem es sich um einen sogenannten verhaltenen Anspruch handele, sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht verjährt. Für die Berechnung der Verjährungsfrist sei nicht taggenau auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherungsverlangens am abzustellen. Vielmehr finde die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginne.
11Zwar sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob auf den Anspruch aus § 648a BGB die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung finde oder die Verjährungsfrist sich taggenau ab Geltendmachung berechne. Der Bundesgerichtshof habe lediglich entschieden, dass die Verjährung dieses Anspruchs nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit zu laufen beginne und der Anspruch als sogenannter verhaltener Anspruch zu qualifizieren sei. Die Anwendung von § 199 Abs. 1 BGB auf den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung entspreche jedoch der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung. Bereits dem Wortlaut und der Gesetzessystematik lasse sich entnehmen, dass nur in den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fällen eine taggenaue Berechnung der Verjährung in Betracht komme, es ansonsten aber bei der Regelung des § 199 Abs. 1 BGB verbleiben solle, die der Gesetzgeber als allgemeine Auffangregelung für alle sonstigen, nicht ausdrücklich anders geregelten Fälle geschaffen habe. Da der Gesetzgeber in § 648a BGB gerade nicht ausdrücklich angeordnet habe, dass die Verjährungsfrist bereits mit erstmaliger Geltendmachung des Sicherungsverlangens taggenau zu laufen beginne, verbleibe es bei der allgemeinen Auffangnorm. Sollte der Gesetzgeber von der Vorstellung geleitet gewesen sein, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung der Verjährung angezeigt wäre, hätte er dies in der Regelung nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr für den Rechtsanwender den Eindruck erweckt, dass es in allen nicht ausdrücklich abweichend von § 199 Abs. 1 BGB geregelten Fällen bei der Geltung dieser Vorschrift sein Bewenden habe. Einen etwaigen hiervon abweichenden Willen hätte der Gesetzgeber in einer allgemeinen Regelung zum Ausdruck bringen können und müssen. Es sei nicht möglich, sich im Rahmen der Gesetzesauslegung unter Verweis auf einen etwaigen verborgen gebliebenen gesetzgeberischen Willen so weit vom Regelungsgehalt einer Vorschrift zu entfernen, dass diese in ihr Gegenteil verkehrt werde.
12Für die vom Landgericht vorgenommene doppelte Analogie zu einzelnen, vom Gesetzgeber als "verhalten" identifizierten Ansprüchen aus dem Leih- und Verwahrungsrecht (§ 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB) fehle es bereits an einer Regelungslücke sowie einer vergleichbaren Interessenlage. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber verkannt habe, dass es sich bei dem Anspruch des Unternehmers nach § 648a BGB um einen verhaltenen Anspruch handele, zu dessen Entstehung und Fälligkeit tatbestandlich seine Geltendmachung erforderlich sei. Hingegen habe der Gesetzgeber keine Zweifel daran gelassen, dass bei fehlender abweichender gesetzlicher Bestimmung des Verjährungsbeginns die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Anspruch entstanden beziehungsweise fällig geworden sei.
13Mit der Neufassung des § 199 Abs. 1 BGB im Zuge der Schuldrechtsreform habe der Gesetzgeber Klarheit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich des Verjährungsbeginns schaffen wollen. Ausnahmen vom Grundsatz des § 199 Abs. 1 BGB gerade durch Richterrecht seien deshalb nicht zuzulassen. Den Geboten der Rechtssicherheit und -klarheit komme bei der Verjährung von Ansprüchen besondere Bedeutung zu, da sich für den Rechtsanwender ohne Weiteres durch einfachen Blick in das Gesetz ergeben müsse, welche Verjährungsfrist zur Anwendung komme und wie sie zu berechnen sei. Solle sich dies erst durch Rückgriff auf eine gesetzlich nicht geregelte "doppelte Analogie" oder "Gesamtanalogie" ergeben, fehle jegliche Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit. Für eine Erweiterung expliziter Ausnahmeregelungen wie den § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB durch ungerechtfertigte "Gesamtanalogien" sei daher kein Raum. Bei den genannten Vorschriften handele es sich um Ausnahmevorschriften, die grundsätzlich nicht analogiefähig seien. Das Landgericht habe daher contra legem entschieden. Für eine Abweichung von § 199 Abs. 1 BGB gebe es vorliegend keine Rechtfertigung. Denn bei Erlass des Forderungssicherungsgesetzes vom , durch das § 648a BGB grundlegend umgestaltet und erstmals ein Anspruch auf die Bauhandwerkersicherung geschaffen worden sei, habe § 199 BGB bereits gegolten. Von der Anwendung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sei der Gesetzgeber daher bei der Neufassung des § 648a BGB ausgegangen, da er andernfalls eine Ausnahme von § 199 Abs. 1 BGB bestimmt hätte und auch hätte bestimmen müssen.
14Die Frage des konkreten Verjährungsbeginns sei entscheidungserheblich, da Hemmungstatbestände, die zur rechtzeitigen Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung hätten führen können, nicht gegeben seien. Zu Recht habe das Landgericht den Hemmungstatbestand des § 203 BGB im Hinblick auf den Anspruch aus § 648a BGB abgelehnt. Soweit im Vorprozess zur Herausgabe von Plänen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am eruiert worden sei, inwieweit eventuell eine Gesamteinigung in Betracht kommen könne, habe dies nur die Honorarforderung, die Herausgabe von Plänen und Gegenansprüche der Beklagten betroffen. Über die Stellung einer Sicherheit nach § 648a BGB sei dabei nicht explizit gesprochen worden. Dadurch, dass die Vergütungsfrage angesprochen und eine Gesamteinigung kurzzeitig in Erwägung gezogen worden sei, hätten die Parteien nicht zwingend auch den streitgegenständlichen Anspruch auf Stellung einer Sicherheit in den Blick genommen.
II.
15Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
16Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang durchsetzbar und die Beklagten seien nicht berechtigt, die Sicherheitsleistung wegen Eintritts der Verjährung ganz oder auch nur teilweise zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).
171. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Anspruch gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB (jetzt § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB), wonach der Unternehmer unter den dort geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, in der Der Besteller kann den Sicherungsanspruch zwar durch die Bestellung einer Hypothek an einem inländischen Grundstück erfüllen (§ 232 Abs. 1 BGB). Der Unternehmer hat aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Sicherheit.
18entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB auf diesen Anspruch. Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, findet daher keine Anwendung.
19( Rn. 21 ff., BGHZ 229, 257) Rn.16, 27, BGHZ 229, 257)
20b) , BauR 2020, 1952, juris Rn. 62 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 22. Aufl., Anh. 1 Rn. 251; Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl., § 650f Rn. 14; Messerschmidt/Voit/Cramer, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 650f BGB Rn. 183 f.; ähnlich BeckOGK/Mundt, BGB, Stand: , § 650f Rn. 127 f.).
21beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung in entsprechender Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB bereits taggenau mit der Geltendmachung des Sicherungsanspruchs durch den Unternehmer (BeckOK Bauvertragsrecht/Scharfenberg, Stand: , § 650f BGB Rn. 43; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: , § 650f BGB Rn. 48; Vogel, IBR 2023, 131).
22d) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.
23Im Recht der Leihe ist geregelt, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückgabe der Sache mit der Beendigung der Leihe beginnt (§ 604 Abs. 5 BGB). Da der Verleiher bei einer Leihe auf unbestimmte Zeit die Sache jederzeit zurückfordern kann (§ 604 Abs. 3 BGB), beginnt die Verjährung in diesen Fällen mit der Geltendmachung des Rückgabeanspruchs. Im Verwahrungsrecht gilt, dass die Verjährung des Anspruchs des Hinterlegers auf Rückgabe der Sache nach § 695 Satz 1 BGB mit der Rückforderung durch den Hinterleger beginnt (§ 695 Satz 2 BGB) beziehungsweise die Verjährung des Rücknahmeanspruchs des Verwahrers nach § 696 Satz 1 BGB mit dem Verlangen auf Rücknahme (§ 696 Satz 3 BGB).
24Die Vorschriften der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB, die für die dreijährige Regelverjährung (§ 195 BGB) einen taggenauen Beginn mit der Anspruchsgeltendmachung vorsehen und als Sonderregelungen der Anwendung von § 199 Abs. 1 BGB vorgehen (vgl. Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 17. Aufl., § 199 Rn. 2), sind auf den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anzuwenden.Urteil vom - I ZR 113/16 Rn. 23, MDR 2017, 1314; Urteil vom - V ZR 32/14 Rn. 26, DNotZ 2015, 199; Urteil vom - III ZR 105/11 Rn. 29, NJW 2012, 58). Die Voraussetzungen dieser (Gesamt-)Analogie, eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes und eine vergleichbare Interessenlage (vgl. Rn. 20 m.w.N., NZBau 2019, 242), sind auch in Bezug auf den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt.
25Weder für verhaltene Ansprüche im Allgemeinen noch für den verhaltenen Anspruch nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB im Besonderen besteht eine spezielle Regelung über den Verjährungsbeginn.
26bb) Die Interessenlage hinsichtlich des speziell geregelten Verjährungsbeginns für die Ansprüche nach § 604 Abs. 3, § 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB einerseits und diejenige hinsichtlich des Verjährungsbeginns bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung andererseits sind unter den wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten gleich.
27(1) Nach der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 1 BGB kommt es für den Verjährungsbeginn auf die Entstehung des Anspruchs an. Entstanden in diesem Sinne ist ein Anspruch, wenn er vom Gläubiger im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich die Fälligkeit, die dem Gläubiger im Falle eines Leistungsanspruchs die Möglichkeit einer Leistungsklage verschafft (st. Rspr.; Rn. 27, BeckRS 2023, 20548; Urteil vom - I ZR 141/21 Rn. 20, NJW-RR 2023, 480). Dies bedeutet bezogen auf verhaltene Ansprüche, dass zwar die Erfüllbarkeit der Forderung von der Geltendmachung durch den Gläubiger abhängt, nicht jedoch - anders als die Revisionsbeklagte meint - die Entstehung beziehungsweise Fälligkeit des Anspruchs (vgl. Rn. 22, MDR 2017, 1314; Schulze in Schulze, BGB, 12. Aufl., § 271 Rn. 2; a.A. MünchKommBGB/Grothe, 9. Aufl., § 199 Rn. 7).
28(2) Auch der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 ging davon aus, dass die verjährungsrechtliche Entstehung eines verhaltenen Anspruchs nicht von dessen Geltendmachung abhängt. Er hat durch Einfügung der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB den Beginn der Verjährung für die von ihm ausdrücklich als "verhalten" identifizierten Ansprüche aus § 604 Abs. 3, § 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB geregelt, nicht aber deren Entstehung. Die schon zum alten Schuldrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach verhaltene Ansprüche - ebenso wie andere Ansprüche auch - zu dem Zeitpunkt entstehen, zu welchem sie frühestens geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden können (vgl. IVa ZR 249/86, NJW-RR 1992, 902, juris Rn. 30 zu § 281 BGB a.F.), hat er in diesem Zusammenhang ausdrücklich gebilligt und sich vor deren Hintergrund für eine von § 199 Abs. 1 BGB abweichende Bestimmung des Verjährungsbeginns entschieden, um das von ihm als "absurd" bezeichnete Ergebnis zu verhindern, dass bereits mit Vertragsschluss die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB in Gang gesetzt wird mit der Folge, dass - so der Gesetzgeber - etwa eine auf unbestimmte Zeit verliehene Sache nach Ablauf von drei Jahren, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht mehr zurückgefordert werden könnte (BT-Drucks. 14/6040, S. 258, 269). Wäre die Geltendmachung des verhaltenen Anspruchs dagegen schon Tatbestandsmerkmal der Anspruchsentstehung im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB, hätte es der besonderen Regelungen der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB nicht bedurft. Dem Regelungskonzept des Gesetzes kann nicht entnommen werden, dass bei anderen verhaltenen Ansprüchen, die der Gesetzgeber nicht in Bezug genommen hat, abweichend die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger bereits Tatbestandsmerkmal der Anspruchsentstehung sein soll.
29(3) Die abstrakte Gefahr der Anspruchsverjährung, die durch das zeitliche Auseinanderfallen von Anspruchsentstehung und Leistungsaufforderung droht und nach dem Willen des Gesetzgebers durch die besonderen Regelungen der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB verhindert werden soll, besteht allerdings nicht nur bei den vom Gesetzgeber ausdrücklich als "verhalten" qualifizierten Ansprüchen nach § 604 Abs. 3, § 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB, sondern in vergleichbarer Weise ebenso bei dem verhaltenen Anspruch gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Sicherungsanspruch entsteht bereits mit Vertragsschluss (vgl. Rn. 23, BGHZ 229, 257), so dass bei Anwendung von § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung mit Schluss des Jahres zu laufen beginnen würde, in dem der Bauvertrag geschlossen worden ist, und damit die abstrakte Gefahr einer Verjährung des Sicherungsanspruchs vor dem endgültigen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses des Unternehmers bestünde.
30cc) Wegen der unter den wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten gleich gelagerten Interessenlage ist von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. Ein unterschiedlicher Verjährungsbeginn für die Ansprüche nach § 604 Abs. 3, § 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB einerseits und für den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB andererseits entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.
31Insbesondere kann aus dem Fehlen einer eigenen Regelung über den Verjährungsbeginn verhaltener Ansprüche im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - nicht der Schluss gezogen werden, dass nur für die Ansprüche aus der Leihe (§ 604 Abs. 3 BGB) und der Verwahrung (§ 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB) aufgrund der besonderen Regelungen in § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB die Verjährung abweichend von § 199 Abs. 1 BGB beginnen solle. Denn die Schaffung einer eigenen Regelung über den Verjährungsbeginn verhaltener Ansprüche ist nach den Motiven des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 lediglich wegen des Ausnahmecharakters dieser Fälle unterblieben (BT-Drucks. 14/6040, S. 258). Diese Erwägung steht der Übertragung des Regelungsgehalts von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB im Wege der (Gesamt-)Analogie auf andere verhaltene Ansprüche wie § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB von vorneherein nicht entgegen. Auch anlässlich des zum in Kraft getretenen Forderungssicherungsgesetzes, mit dem § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB eine grundlegend neue Gestalt angenommen hat, indem für den Unternehmer ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Leistung einer Sicherheit geschaffen worden ist, hat der Gesetzgeber das Problem nicht behandelt (vgl. BT-Drucks. 16/511, S. 17), so dass nicht erkennbar ist, dass er sich damit bewusst für eine abschließende Regelung der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB entschieden hätte.
32dd) Einem taggenauen Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB mit seiner Geltendmachung aufgrund entsprechender Anwendung der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB steht schließlich nicht entgegen, dass Ausnahmevorschriften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Rn. 31, NJW-RR 2007, 1219; Urteil vom - VIII ZR 121/88, NJW 1989, 460, juris Rn. 9) grundsätzlich nicht analogiefähig sind (a.A. BeckOGK/Mundt, BGB, Stand: , § 650f Rn. 128). Zwar handelt es sich bei der Kategorie der verhaltenen Ansprüche als solche um Fälle mit Ausnahmecharakter. Dies bedeutet aber nicht, dass innerhalb dieser Kategorie die Vorschriften der § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB Ausnahmevorschriften wären mit der Folge, dass ihre entsprechende Anwendung auf einen weiteren solchen Ausnahmefall (hier: § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht in Betracht käme.
333. Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, dass die Erhebung der unter dem anhängig gemachten Klage die Verjährung des Sicherungsanspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB insgesamt noch rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist gehemmt hat, nachdem die Klägerin bereits am erstmalig Sicherheit verlangt hatte.
III.
34Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen insgesamt als richtig dar (§ 561 ZPO).
35mündlichen Verhandlung vom vor dem Landgericht
36Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist gemäß § 203 Satz 1 BGB die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.
371. Unter dem Begriff des Anspruchs in § 203 BGB ist nicht die einzelne materiellrechtliche Anspruchsgrundlage, sondern das aus dem Lebenssachverhalt hergeleitete Begehren auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen (BT-Drucks. 14/6040, S. 112; vgl. Rn. 12, BauR 2014, 1771)Die von der Hemmung gemäß § 203 BGB erfassten Ansprüche werden durch den Gegenstand der Verhandlungen bestimmt, der durch Auslegung der Verhandlungserklärungen der Parteien zu ermitteln ist (vgl. , juris Rn. 45; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 203 Rn. 3). Diese Auslegung ist Angelegenheit des Tatrichters und revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Eine Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. Rn. 35 m.w.N., BauR 2023, 1383 zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab bei der Auslegung von Willenserklärungen).
382. Derartige Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen und werden von der Revisionserwiderung, die eine angestrebte Gesamteinigung der Parteien abweichend vom Berufungsgericht in einem weitergehenden, sich ebenfalls auf den Sicherungsanspruch erstreckenden Umfang verstanden wissen möchte, auch nicht aufgezeigt.
39Das Berufungsurteil stellt sich allerdings aus anderen Gründen teilweise als richtig dar. Im Übrigen ist es im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann insoweit in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
40Im weitergehenden Umfang von 1.443.590,21 € sind die Beklagten berechtigt, die Sicherheitsleistung wegen Eintritts der Verjährung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).
411. Frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin - unbeschadet einer etwaigen Verjährung - ein Anspruch nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB auf Sicherheitsleistung für vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung zuzüglich Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, in geltend gemachter Höhe von 4.318.313,55 € gegen die Beklagten zusteht. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, die sich gegen die Sicherung des auf die Planung des Boardinghauses entfallenden Vergütungsanteils richtet, hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Anspruch insoweit dem Grunde nach feststeht, ist rechtsfehlerfrei.
42 von 4.318.313,55 €1.443.590,21 € eingetreten.
43a) Die Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB beginnt nur in der jeweils geforderten Sicherheitshöhe taggenau mit Geltendmachung zu laufen, nicht jedoch einheitlich auch für die Sicherung der übrigen vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung.
44aa) Vereinbaren die Parteien im Anschluss an ein erstes Sicherungsverlangen eine Nachtragsvergütung, ist es bereits denkgesetzlich ausgeschlossen, dass die Verjährung des Sicherungsanspruchs in Höhe der Nachtragsvergütung schon mit einem früheren Sicherungsverlangen zu laufen begonnen hat. Das erste Sicherungsverlangen kann sich nicht auf einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht existenten Werklohnanspruch beziehen. Die auch in der Sache unangemessene Konsequenz wäre zudem, dass Zusatzvergütungen, die erst drei Jahre nach dem ersten Sicherungsverlangen vereinbart werden, nicht mehr sicherbar wären (Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: , § 650f BGB Rn. 48; Leinemann/Kues/Koppmann, BGB-Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 650f Rn. 93).
45bb) Aber auch im Übrigen, nämlich wenn der Unternehmer mit einem ersten Sicherungsverlangen nur die Absicherung eines Teilbetrags der zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Vergütung - etwa in Höhe offener Abschlagsrechnungen - fordert, beginnt die Verjährungsfrist nur in der Höhe zu laufen, in der die Sicherheit verlangt wird. Dies folgt aus dem Wesen des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung als verhaltenem Anspruch. Nicht nur das "Ob", sondern auch die Höhe der verlangten Sicherheit steht innerhalb der Grenzen von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB im Belieben des Unternehmers. Fordert der Unternehmer nur einen Teilbetrag der ihm zustehenden Sicherheit, wird dies regelmäßig darauf zurückzuführen sein, dass er keinen Anlass sieht, die Sicherheit in voller Höhe zu fordern, etwa weil er dies im Hinblick auf die aktuelle Bonität des Bestellers nicht für erforderlich erachtet, er die Kosten der Sicherheit gering halten oder das auf Kooperation angelegte Verhältnis der Bauvertragsparteien durch Geltendmachung der vollen Sicherheit nicht belasten möchte. Wäre der Unternehmer allein wegen drohender Verjährung gehalten, die Sicherheit in voller Höhe geltend zu machen und gegebenenfalls einzuklagen, würde dies den Interessen der Beteiligten nicht gerecht werden. Die einen verhaltenen Anspruch kennzeichnende abstrakte Gefahr der Anspruchsverjährung infolge des Auseinanderfallens von Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs besteht auch für Teile des Sicherungsanspruchs, die der Unternehmer in Ermangelung eines konkreten Sicherungsbedürfnisses noch nicht geltend gemacht hat (so auch BeckOK Bauvertragsrecht/Scharfenberg, Stand: , § 650f BGB Rn. 43; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: , § 650f BGB Rn. 48; Rodemann, IBR 2021, 296; im Ergebnis ebenso BeckOGK/Mundt, BGB, Stand: , § 650f Rn. 130).
46 Bei der gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Anspruchshemmung führenden Erhebung der unter dem anhängig gemachten Klage war die dreijährige Verjährungsfrist insoweit bereits abgelaufen.Im weitergehenden Umfang von 2.874.723,34 € ist hingegen die Verjährung rechtzeitig durch Klageerhebung gehemmt worden, da die Klägerin die Sicherheit insoweit erst mit dem zweiten Sicherungsverlangen vom beziehungsweise mit der Klage selbst geltend gemacht hat.
IV.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
Pamp Halfmeier Graßnack
Sacher Brenneisen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:211124UVIIZR245.23.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-81417