BGH Urteil v. - IX ZR 122/23

Leitsatz

1. Ein Schuldner handelt bei einem Bargeschäft unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung eines Bargeschäfts handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.

2. Ein unlauteres Handeln liegt nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet.

Gesetze: § 133 InsO, § 142 Abs 1 InsO

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 5 U 147/22vorgehend LG Magdeburg Az: 2 O 140/22

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.              GmbH & Co.                           KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte ist einer von drei Kommanditisten der Schuldnerin mit einer Einlage von jeweils 500 €. Die Schuldnerin war als Dienstleisterin für Bauvorhaben ausführende Projektgesellschaften tätig. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel. Der Beklagte übernahm aufgrund einer Vereinbarung mit der Schuldnerin seit Beginn des Jahres 2017 die gesamte Bauleitung und Baubetreuung für die von der Schuldnerin zu betreuenden Bauvorhaben. Die Leistungen wurden im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet und bezahlt.

2Am stellte das H.                                                   GmbH & Co. KG (im Folgenden: H.                      ) der Schuldnerin eine Rechnung für Materiallieferungen, die sich unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen auf eine Restforderung von 41.601,65 € belief, sowie eine weitere Rechnung über 2.302,25 €. Das H.                       mahnte die Forderungen wiederholt an und kündigte mit Schreiben vom die Erhebung einer Zahlungsklage an.

3Mit Schreiben vom wies der Geschäftsführer der Schuldnerin die Gesellschafter, darunter den Beklagten, darauf hin, dass es wegen Verzögerungen im Baufortschritt umfassender Vereinbarungen der Schuldnerin und ihrer Projektgesellschaften mit allen Gläubigern der Gesellschaften hinsichtlich der Bestandsverbindlichkeiten sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaften bedürfe. Für die Schuldnerin bestehe ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf von 600.000 €, darunter 275.000 € zur quotalen Bedienung von Bestandsverbindlichkeiten, der voraussichtlich nicht durch Zuflüsse aus Bauvorhaben gedeckt sein werde. Die Kommanditisten wurden aufgefordert, bis spätestens jeweils 200.000 € einzuzahlen, um einen geordneten Geschäftsbetrieb gewährleisten zu können. Bis zur Bereitstellung der Liquidität beziehungsweise zur Gesellschafterversammlung am würden weder Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet noch neue Verbindlichkeiten begründet. Der Beklagte entsprach der Zahlungsaufforderung nicht.

4Der Beklagte stellte der Schuldnerin für die von ihm im Monat April 2019 erbrachten Leistungen am insgesamt 31.414,63 € und für die im Monat Mai 2019 erbrachten Leistungen am weitere 32.184,91 € in Rechnung. Die Schuldnerin nahm - entgegen ihrer Ankündigung - am und am Zahlungen von 127.728,98 € und 60.911,55 € vor, mit denen sie unter anderem die beiden Rechnungen des Beklagten vollständig bezahlte. Zudem zahlte die Schuldnerin am an das H.                     auf dessen erste Rechnung 20.000 €; die zweite Rechnung beglich sie vollständig. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags standen von den Forderungen des H.                        noch 24.817,54 € offen.

5Der Kläger begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wege der Anfechtung Erstattung der beiden Zahlungen an den Beklagten. Er behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im März 2019 zahlungsunfähig gewesen und habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, welchen der Beklagte gekannt habe. Die Zahlungen seien wegen der dauerhaft unrentablen Wirtschaftsweise der Schuldnerin anfechtbar. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Zahlungen an den Beklagten unlauter gewesen seien. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen.

6Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Nebenforderungen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Zahlungen vom und vom abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

7Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

8Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sei grundsätzlich gegeben. Es liege allerdings ein privilegiertes Bargeschäft im Sinne von § 142 Abs. 1 InsO in der seit geltenden Fassung vor.

9Die Zahlungen seien in den drei letzten Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Zahlungseinstellung habe vorgelegen, weil die Schuldnerin fällige Zahlungen an das H.                         über einen Zeitraum von Februar 2019 bis zum trotz Mahnung und Klageandrohung am zunächst überhaupt nicht und dann nur teilweise geleistet habe. Aus dem Schreiben vom ergebe sich, dass Bestandsverbindlichkeiten von mehr als 275.000 € bestünden und für eine quotale Befriedigung dieser Forderungen und weiterer Ausgaben Liquidität von 600.000 € benötigt werde. Die erheblichen Zahlungen im Nachgang zum Schreiben änderten nichts, weil sich aus der vom Kläger vorgelegten Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel ergebe, dass die Schuldnerin seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kontinuierlich Verbindlichkeiten aufgebaut habe, die ihre liquiden Mittel jeweils deutlich überstiegen hätten und sie zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, die fälligen Verbindlichkeiten auch nur ansatzweise zu befriedigen. Die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit werde nach § 130 Abs. 3 in Verbindung mit § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO vermutet. Diese Vermutung habe der Beklagte nicht widerlegt; der Inhalt des Schreibens begründe überdies ein starkes Indiz für die Kenntnis des Beklagten von der desolaten Situation der Schuldnerin.

10Ein Bargeschäft liege vor. Die Leistung des Beklagten sei in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Die Leistung der Schuldnerin habe den Wert der vom Beklagten erbrachten Leistungen nicht überstiegen. Leistung und (gleichwertige) Gegenleistung seien vorliegend vereinbarungsgemäß in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden. Welcher Zeitraum unschädlich sei, sei eine Frage des Einzelfalls. Dieser Zeitraum sei vorliegend nicht überschritten.

11Liege demnach ein Bargeschäft vor, müsse der Kläger darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vorlägen, die Schuldnerin unlauter gehandelt und der beklagte Anfechtungsgegner dies erkannt habe. Vorliegend lägen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zu deren Neuausrichtung vor. Die Schuldnerin habe ausweislich ihres Schreibens vom gewusst, dass sie einen Liquiditätsbedarf von 600.000 € gehabt und dass der Beklagte seinen Anteil von 200.000 € nicht bezahlt habe. Die Kenntnis des Beklagten werde nach § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO vermutet; diese Kenntnis habe der Beklagte nicht widerlegt.

12Allerdings seien die Zahlungen nicht unlauter gewesen. Unlauterkeit verlange mehr als das Bewusstsein, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können. Solange ein Schuldner Geschäfte führe, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien, fehle es ausweislich der Gesetzesbegründung auch dann an einer Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkenne, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei. Gehe es dem Schuldner vor allem darum, Verbindlichkeiten aus dem Bargeschäft zu tilgen, gestatte die Kenntnis des Schuldners von der Unrentabilität seiner Geschäftstätigkeit nicht den Schluss auf Unlauterkeit. Der Kläger habe trotz Hinweises Unlauterkeit nur pauschal behauptet, jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Schuldnerin bei den angefochtenen Zahlungen unlauter gehandelt habe.

II.

13Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Zahlungen an den Beklagten weder nach § 130 Abs. 1 InsO noch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sind, weil ein Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom (vgl. Art. 103j EGInsO) vorliegt. Ein unlauteres Handeln der Schuldnerin hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

141. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ausscheidet, weil es sich um ein Bargeschäft gemäß § 142 Abs. 1 InsO handelt.

15a) Es liegt ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung vor, der nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgte (§ 142 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Schuldnerin bezahlte die erbrachten Dienstleistungen des Beklagten aufgrund der monatlich unmittelbar nach der Leistungserbringung erfolgten Rechnungsstellung jeweils innerhalb von 30 Tagen.

16b) Das Berufungsgericht stellt weiter fest, dass für die Leistung der Schuldnerin unmittelbar eine objektiv gleichwertige Gegenleistung des Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin geflossen ist. Die Revision nimmt diese Feststellung im Ausgangspunkt hin, meint allerdings, Leistungen, die einer dauerhaft defizitären Unternehmensführung dienten, seien - normativ haftungsrechtlich betrachtet - nicht gleichwertig (vgl. zur Problematik Thole, ZIP 2017, 401, 408). Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden. Die Frage der Gleichwertigkeit ist vielmehr nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, ohne dass nach dem Abnehmer zu differenzieren wäre (vgl. Ganter, NZI 2019, 481, 489; Foerste, ZInsO 2019, 1778, 1780). Die Regelungen zum Bargeschäft wollen einem Schuldner in der Krise die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE-InsO; , BGHZ 150, 122, 132).

172. Weiter verneint das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Anfechtung des Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO. Zwar hat die Schuldnerin die Zahlungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem dem Beklagten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen. Hiergegen erheben die Parteien keine Einwände. Es fehlt jedoch an der nach § 142 Abs. 1 InsO für eine Anfechtung eines Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns.

18a) Gemäß § 142 Abs. 1 InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom (BGBl. I S. 654) ist ein Bargeschäft nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

19b) In der Literatur ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners anzunehmen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienen, unlauter sind. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung werden als Beispiele insbesondere die Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder die Abstoßung von für die Unternehmensfortführung notwendigem Betriebsvermögen in der Absicht, den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen, genannt (statt vieler: Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn. 17 mwN). Umstritten ist, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen ist.

20aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, das neue Tatbestandsmerkmal habe gegenüber der früheren Rechtslage keine sachliche Änderung mit sich gebracht. Letztlich seien Ansätze, das Unlauterkeitsmerkmal (objektiv oder subjektiv) zu definieren, Umschreibungen dafür, dass der Schuldner bei Vornahme der Leistungshandlung erkenne und für möglich halte, dass trotz des gleichwertigen Leistungsaustauschs ein mittelbarer Nachteil für die Insolvenzgläubiger eintreten könne, und dies billigend in Kauf nehme (Bartels in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2019, § 142 Rn. 141, 148).

21bb) Andere nehmen Unlauterkeit nur an, wenn der Schuldner hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes mit dolus directus - und nicht nur mit dolus eventualis - handelt (Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 133 Rn. 146b; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 142 Rn. 38; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 10. Aufl., § 142 Rn. 20).

22cc) Wieder andere bejahen Unlauterkeit, wenn Schuldner und Empfänger wissen, dass die Zahlung zu einer Insolvenzverschleppung führt und dadurch andere Gläubiger Quotennachteile erleiden (HK-InsO/Thole, 11. Aufl., § 142 Rn. 17). Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei strafbewehrt (§ 15a InsO); Gesellschaftsorganen sei bei Zahlungsunfähigkeit die Leistung von Zahlungen untersagt (§ 15b InsO). Diese gesetzlichen Wertungen zwängen dazu, bei Verstößen hiergegen Unlauterkeit anzunehmen. Daraus folge, dass ein Anfechtungsgegner, der die Insolvenzverschleppung durch Weiterbelieferung des Schuldners fördere und davon profitiere, nicht ungeschoren davonkommen dürfe; Leistungen an ein dauerhaft unrentables Unternehmen seien daher vom Bargeschäftsprivileg nicht geschützt (vgl. Pape, ZInsO 2018, 296, 303 f; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 774 f; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1248; Kayser, ZIP 2018, 1153, 1157). Damit sei im Ergebnis an der Rechtsprechung zu § 142 InsO in der Fassung bis zum festzuhalten, wonach ein anfechtungsfestes Rechtsgeschäft ausscheide, wenn zwar im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelange, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfinde, der Schuldner jedoch wisse, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeite und deshalb bei Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste anhäufe, die die Befriedigungschancen der Gläubiger weiter minderten, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich bestehe (vgl. , WM 2015, 591 Rn. 22, 25). Dem wird entgegengehalten, dass es erklärter Wille des Gesetzgebers sei (BT-Drucks. 18/7054, S. 19), in bewusster Abkehr von dieser Rechtsprechung Bargeschäfte auch dann anfechtungsfest zu stellen, wenn der Schuldner erkannt habe, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei (Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn. 19; Foerste, ZInsO 2018, 1034, 1036; Ganter, NZI 2018, 585, 586 f; ders., NZI 2019, 481, 489; Hiebert, ZInsO 2018, 1657; Tolani, ZIP 2018, 1997, 2001).

23c) Richtigerweise handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.

24aa) Dies ergibt sich aus der Auslegung des Gesetzes. Der Begriff des unlauteren Handelns verlangt eine über den Benachteiligungsvorsatz hinausgehende Bewertung des schuldnerischen Verhaltens.

25(1) Das Merkmal der Unlauterkeit knüpft nach der Gesetzesbegründung an die Rechtsprechung zur Benachteiligungsabsicht nach § 31 Nr. 1 KO an (BT-Drucks. 18/7054, S. 32). Danach war Benachteiligungsabsicht in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur erhielt, was ihm rechtlich gebührte, insbesondere dann anzunehmen, wenn sich ergab, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten oder auf Erlangung weiterer Kredite ankam, sondern mehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger (vgl. , BGHZ 12, 232, 237 f; vom - II ZR 171/83, NJW 1984, 1893, 1898 unter V.3., insoweit in BGHZ 90, 381 nicht abgedruckt; vom - IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 unter II.2.a mwN; dafür Braun/Riggert, InsO, 10. Aufl, § 142 Rn. 23). Eine Handlung, durch die einer Rechtspflicht genügt werde, könne durch den Zweck, auf den sie gerichtet sei, unlauteren Charakter bekommen. In solchen Fällen sei das die Handlung des Schuldners bestimmende Motiv maßgebend für ihre Charakterisierung. Dieses Motiv müsse unter Würdigung der gesamten Tatumstände festgestellt werden ( aaO).

26(2) Diese Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften ist vom Gesetzgeber angestrebt (BT-Drucks. 18/7054, S. 13); sie verringert Anfechtungsrisiken und stärkt das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit von Geschäften mit Schuldnern in der Krise. Das Merkmal des unlauteren Handelns erfordert mehr als das Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Dies ergibt sich gesetzessystematisch daraus, dass anderenfalls dem vom Gesetzgeber bewusst neu eingeführten Tatbestandsmerkmal unlauteren Handelns kein eigenständiger Regelungsgehalt neben den für den Ausschluss eines Bargeschäfts weiterhin vorgesehenen Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zukäme.

27bb) Daran gemessen kommt unlauteres Verhalten in verschiedenen Fallgestaltungen in Betracht.

28(1) Unlauter kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für Gegenleistungen sein, die nicht zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Dies kommt etwa wegen einer gezielten Benachteiligung der Gläubigergesamtheit insbesondere bei einem bargeschäftlichen Einsatz von Vermögen für Leistungen in Betracht, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder der Abstoßung von für die Betriebsfortführung notwendigem Vermögen, wenn der Schuldner den Gegenwert entziehen will (vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 19; , BGHZ 123, 320, 324).

29(2) Eine gezielte Benachteiligung von Gläubigern und damit unlauteres Handeln kann ferner vorliegen, wenn es dem Schuldner (statt auf die Erfüllung einer bestehenden vertraglichen Pflicht aus dem Bargeschäft) auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt. Dies hat die Rechtsprechung bejaht, wenn ein Schuldner zahlt, um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten (, BGHZ 155, 75, 84 zu § 133 InsO). Gleiches kann gelten, wenn ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch im Vorfeld eines als unabwendbar erkannten und vom Schuldner beabsichtigten Insolvenzantrags erfolgt (vgl. , BGHZ 233, 70 Rn. 56). Schließlich kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für eine Sanierungsberatung für einen untauglichen Sanierungsversuch ein unlauteres Handeln des Schuldners erfüllen (vgl. aaO Rn. 47 ff).

30(3) Ein unlauteres Verhalten kommt weiter in Betracht, wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger. Dann sprechen die objektiven Umstände dafür, dass bestimmendes Motiv für die Erfüllung der Forderung das persönliche oder gesellschaftsrechtliche Näheverhältnis ist. Eine gezielte Bevorzugung eines Gläubigers zum Schaden der anderen Gläubiger kann ferner dann vorliegen, wenn diesem gezielt letzte Vermögenswerte übertragen werden. Denkbar ist ein unlauteres Handeln des Schuldners schließlich, wenn der bargeschäftliche Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen dazu eingesetzt wird, Waren und Leistungen an den Schuldner abzusetzen, um dessen verbleibende Vermögenswerte auf das liefernde Unternehmen überzuleiten.

31cc) Hingegen liegt ein unlauteres Handeln nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet. Ebenso wenig ergibt sich ein unlauteres Handeln des Schuldners deshalb, weil sein Handeln § 15a InsO oder § 15b InsO verletzt.

32(1) Unlauteres Handeln liegt nicht schon deshalb vor, wenn der Schuldner, der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Geschäfte tätigt, positiv erkennt, dass die Betriebsfortführung dauerhaft verlustträchtig ist. Der Gesetzgeber will einer Gesellschaft in der Krise die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Die Geschäftspartner sind hierzu aber nur bereit, wenn die Leistung des Schuldners anfechtungsfest ist. Daher kommt der bloßen Fortsetzung eines verlustträchtigen Betriebs ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein über eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung hinausgehender Unwertgehalt zu.

33(2) Gesetzesbegründung und Gesetzesgenese bestätigen diesen Befund. Die Gesetzesbegründung, die ein Gericht zur Auslegung eines Gesetzes heranziehen kann und muss (vgl. , ZIP 2016, 1601 Rn. 27), erklärt ausdrücklich, dass es an der Unlauterkeit fehlen soll, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist (BT-Drucks. 18/7054, S. 19). Der hiervon abweichende Änderungsvorschlag des Bundesrats, statt der erkannten Unlauterkeit darauf abzustellen, dass der Gläubiger erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich sei noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens diene, ist trotz der vom Bundesrat geäußerten Bedenken gegen das Merkmal der Unlauterkeit (vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 28 f) nicht Gesetz geworden. Er hätte dazu geführt, dass das Bargeschäftsprivileg allein in den seltenen Fällen Anwendung gefunden hätte, in denen der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz profitabel gewirtschaftet hat (BT-Drucks. 18/7054, S. 32). Dies wollte der Gesetzgeber nicht.

34(3) Ebenso wenig ergeben sich aus § 15a InsO oder § 15b InsO ausreichende Gründe, einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch allein deshalb als unlauteres Handeln anzusehen. Der Senat hat zum Benachteiligungsvorsatz des § 133 InsO bei kongruenten Handlungen bereits entschieden und ausführlich begründet, dass das von §§ 15a, 15b InsO verfolgte, anderen Voraussetzungen unterliegende Schutzkonzept zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger nicht darüber bestimmt, wann ein Eingriff in die Interessen eines einzelnen Gläubigers zulässig ist (vgl. , BGHZ 233, 70 Rn. 29 ff). Für § 142 InsO, der die Anfechtbarkeit des (ebenfalls kongruenten) Bargeschäfts nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung erlaubt und sie zusätzlich von unlauterem Verhalten des Schuldners abhängig macht, kann nichts anderes gelten.

35d) Daran gemessen, hat das Berufungsgericht vorliegend Unlauterkeit zu Recht verneint. Der Kläger hat sich allein darauf berufen, dass die Schuldnerin einen verlustträchtigen Betrieb fortsetzte. Dies begründet keine Unlauterkeit der Zahlungen an den Beklagten.

36aa) Bei der bezahlten Bauleitung und -überwachung der Bauprojekte der Schuldnerin handelt es sich nicht um ein neu - etwa erst in der Krise - mit einem Gesellschafter abgeschlossenes Geschäft, sondern um die unveränderte Fortsetzung einer laufenden und bereits seit längerem, insbesondere außerhalb der Krise begründeten Geschäftsbeziehung, die für die Unternehmensfortführung notwendig war.

37bb) Die Geschäftsführung hielt die Schuldnerin bei Mitwirkung der Gesellschafter und der Gläubiger für grundsätzlich sanierungsfähig. Erkennbar gescheitert war die Sanierung zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen (noch) nicht. Die Gesellschafter hatten Frist bis zum , um über ihre Beteiligung zu entscheiden. Aus dem Umstand, dass der Beklagte (später) keine Einzahlung vornahm, kann nicht rückgeschlossen werden, dass er zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen war, sich an einer Sanierung der Schuldnerin, die ein einvernehmliches Zusammenwirken mehrerer Beteiligter voraussetzte, zu beteiligen, und dass die Schuldnerin dies und damit ein Scheitern ihrer Sanierungsbemühungen erkannt hätte.

38cc) Dass sich die Schuldnerin an den im Schreiben vom angekündigten Zahlungsstopp nicht gehalten hat, begründet für sich genommen keine Unlauterkeit. Ein darin möglicherweise liegender Verstoß gegen das gesetzliche Zahlungsverbot aus § 15b InsO genügt hierfür allein nicht (vgl. oben Rn. 34). Vorliegend spricht entscheidend gegen Unlauterkeit, dass die Zahlungen für Leistungen erfolgten, die für den Fortgang der Bauprojekte der Projektgesellschaften essentiell waren und damit unmittelbar dazu dienten, den einstweiligen Fortbestand des Geschäftsbetriebs während laufender Sanierungsbemühungen zu sichern.

39dd) Auch der Umstand, dass die angefochtenen Zahlungen an einen Gesellschafter flossen, indiziert vorliegend keine Unlauterkeit. Insoweit ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin damit den Beklagten gegenüber anderen, der Schuldnerin nicht nahestehenden Gläubigern (§ 138 InsO) bevorzugt behandelte. Die Schuldnerin bezahlte im Zeitraum vom bis zum nicht nur die Rechnungen des Beklagten, sondern zugleich Rechnungen verschiedener anderer Gläubiger. Das Zahlungsverhalten gegenüber dem Beklagten entsprach - auch im zeitlichen Ablauf - dem vor dem Schreiben der Geschäftsführer vom . Es ist weder vorgetragen noch festgestellt, dass der Beklagte auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, entgegen dem angekündigten Zahlungsstopp Zahlungen fortzusetzen, eingewirkt hätte.

40Schließlich begründet es keine Unlauterkeit, dass die Schuldnerin Leistungen des Beklagten bezahlt hat, ohne dessen Bereitschaft zur Leistung des geforderten, die Rechnungsbeträge weit überschießenden Nachschusses abzuklären, und (Aus-)Zahlungen an ihn nicht bis zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt hat. Die Schuldnerin hat den Beklagten wie andere Gläubiger behandelt.

41ee) Soweit die Revision den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis für nicht ausreichend hält, hat der Senat die Verfahrensrüge geprüft, sie aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht er ab (§ 564 ZPO).

Schoppmeyer                         Röhl                         Schultz

                       Selbmann                   Kunnes

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051224UIXZR122.23.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-81368