BVerwG Urteil v. - 11 A 1/23

Tatbestand

1Die Klägerin, eine nordrhein-westfälische Stadt, wendet sich gegen die Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung und einer Umspannanlage.

2Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss vom genehmigt die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung im Abschnitt Attendorn - Landesgrenze Rheinland-Pfalz in Oberschelden, Stadt Siegen, sowie einer 110-kV-Bahnstromleitung (DB 0474) und der Umspannanlage Junkernhees. Die 380-kV-Leitung ist Abschnitt C des als Nr. 19 in den Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz aufgenommenen Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Kruckel - Dauersberg, Nennspannung 380 kV".

3Die Klägerin wendet sich gegen die Leitungsführung im Bereich zwischen der bestehenden Umspannanlage Altenkleusheim (Mast 349) und dem Ortsteil Meiswinkel der Stadt Siegen (Mast 380). Die planfestgestellte Trasse verläuft von Mast 359 bis Mast 376 auf ihrem Stadtgebiet unter anderem durch das Heestal. Die Trasse nutzt dabei - abgesehen von einer Umgehung des Ortsteils Kreuztal-Fellinghausen - den Trassenraum einer künftig auf dem Gestänge der neuen Freileitung mitzuführenden 110-kV-Freileitung (Bl. 0071) und einer rückzubauenden 220-kV-Höchstspannungsfreileitung (Bl. 2319). Bei Mast 373 (Punkt Hofwiese) befindet sich der Anschlusspunkt der Umspannanlage Junkernhees, die südöstlich des Trassenraums als gasisolierte Schaltanlage (GIS-Anlage) in einem Bauwerk mit einer Höhe von 15 m, einer Länge von 60 m und einer Tiefe von rd. 20 m auf der sogenannten "Dänischen Wiese" errichtet werden soll.

4Das Vorhaben beansprucht Grundstücke im zivilrechtlichen Eigentum der Klägerin für mehrere Maststandorte sowie für Arbeitsflächen und die Zuwegung zu Maststandorten. Die Klägerin ist außerdem Eigentümerin eines Wegegrundstücks (Gemarkung O., Flur ..., Flurstück ...) zwischen der Kreisstraße (K 26) und der Heesstraße, über das die Zufahrt zur Umspannanlage Junkernhees und zu einem Teil der Masten erfolgen soll.

5Die Klägerin streitet für einen anderen Standort der Umspannanlage und eine andere Trassenführung. Sie macht biotop- und artenschutzrechtliche Fehler geltend. Die Variantenabwägung sei unter anderem im Hinblick auf Belange des Denkmalschutzes und die Lage des Heestals in einem Kulturlandschaftsbereich fehlerhaft. Die von ihr befürwortete "Meiswinkel-Variante" zwischen Mast 371 und Mast 379/380, die östlich der rückzubauenden Bestandstrasse verlaufen würde, dränge sich auf. Auch der Standort der Umspannanlage sei fehlerhaft abgewogen. Vorzugswürdig sei die Erweiterung der Umspannanlage Altenkleusheim bei Mast 349 als Freiluftanlage.

6Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel - Dauersberg, Bl. 4319, Abschnitt C Punkt Attendorn - Landesgrenze Rheinland-Pfalz in Oberschelden, Stadt Siegen, EnLAG-Vorhaben Nr. 19, sowie der 110-kV-Bahnstromleitung DB 0474 und der Umspannanlage Junkernhees in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom und des Planänderungsbeschlusses vom aufzuheben,

hilfsweise, den Planfeststellungsbeschluss vom in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom und des Planänderungsbeschlusses vom für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,

weiter hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom und des Planänderungsbeschlusses vom zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen und Inanspruchnahme, sowie im Hinblick auf die Ermittlungs- und Bewertungsanforderungen im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung sowie den Anforderungen einer hierauf beruhenden Abwägung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

7Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

8Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

9Der Beklagte hat am einen Planergänzungsbeschluss zur Ergänzung der Erwägungen zum globalen Klimaschutz und am einen Planänderungsbeschluss betreffend die Zuwegung zur Umspannanlage erlassen.

Gründe

10A. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 EnLAG i. V. m. Nr. 19 der Anlage zum EnLAG für die Entscheidung über die Klage zuständig.

11Die Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie Eigentümerin von Grundstücken ist, die für das Vorhaben in Anspruch genommen werden. Ihre Klagebefugnis erfasst den gesamten Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die Verletzung weiterer Rechte möglich erscheint (vgl. 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 17 m. w. N.).

12B. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder eine erneute Entscheidung über Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Der Planfeststellungsbeschluss verletzt sie nicht in eigenen Rechten.

13Die Klägerin als von einer Fachplanung betroffene Gemeinde kann nur die Verletzung von Vorschriften rügen, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Eine Gemeinde ist auch nicht befugt, im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger wie z. B. Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen geltend zu machen (stRspr, vgl. 3 A 2.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 79 Rn. 26, vom - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 13 und vom - 9 A 22.18 - BVerwGE 165, 185 Rn. 11). Es ist ihr verwehrt, sich zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufzuschwingen ( 7 VR 4.24 - juris Rn. 22). Sie kann nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange rügen (stRspr, 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25, vom - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13 und vom - 4 A 16.20 - juris Rn. 11). Wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehungen kann sie auch die Kontrolle der den eigenen Belangen bei der Abwägung gegenübergestellten Belange verlangen ( 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 54, vom - 7 A 10.19 - juris Rn. 38 und vom - 4 A 16.20 - juris Rn. 16).

14Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).

15I. Ein beachtlicher Verfahrensfehler, auf den die Klägerin sich berufen kann, liegt nicht vor.

161. Die Rüge, die dem erkennenden Senat vorgelegten Verwaltungsakten seien unvollständig, kann keinen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses begründen. Das Gericht ist von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (§ 86 Abs. 1 VwGO), so dass eine mangelhafte Aktenführung der Behörde im gerichtlichen Verfahren kompensiert werden kann. Mängel in der Dokumentation des Verwaltungsverfahrens begründen daher keinen Verfahrensfehler, können sich aber auf die Beweisführung und Beweislast auswirken (vgl. 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 42 ff.).

172. Ein Fehler der Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht dargetan.

18Die Klägerin rügt eine unzureichende Bekanntmachung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegten Unterlagen gemäß § 9 Abs. 1a Nr. 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der vor dem geltenden Fassung vom (BGBl. I S. 94, UVPG a. F.), die hier gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 UVPG anwendbar ist (siehe auch PFB S. 71). Das bleibt erfolglos. § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a. F. verpflichtet die zuständige Behörde, die Öffentlichkeit zu Beginn des Beteiligungsverfahrens darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG a. F. vorgelegt wurden. Damit ist eine vollständige Auflistung aller vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen nicht gefordert; es genügt schon ein aussagekräftiger Überblick (vgl. 4 A 10.21 - UPR 2023, 495 Rn. 16 m. w. N.). Der Bekanntmachungstext für die Auslegung vom 23. Januar bis zum (Verwaltungsvorgang Bd. 1, Bl. 42 ff.) genügt diesen Anforderungen. Er enthält unter Nr. 10 eine konkrete Auflistung im Einzelnen näher umschriebener Dokumente. Dass relevante Unterlagen fehlten, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

19Mit der sogenannten 2. Planänderung wurde die Planung vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses teilweise im Hinblick auf die geplante Mastkonfiguration hin zu einer schmaleren Mastform geändert; einzelne Maststandorte wurden um wenige Meter verschoben. Die Klägerin macht geltend, die Betroffenen hätten die geänderten Auswirkungen nicht erkennen können. Dies gelte insbesondere für Veränderungen im Bereich EMF (elektromagnetische Felder) unterhalb der Grenzwerte. Die 2. Planänderung habe außerdem z. B. bei Mast 375 zu Verschlechterungen (Masterhöhung im Vergleich zur ursprünglichen Planung) geführt.

20Auf einen solchen Fehler könnte die Klägerin sich - auch wenn sie als Teil der Öffentlichkeit zu beteiligen war - nicht berufen. Denn sie hat weder dargetan, dass die Veränderungen im Bereich des Immissionsschutzes Grundstücke betrafen, die in ihrem Eigentum stehen und bewohnt sind (vgl. 4 A 6.18 - juris Rn. 31), noch, dass ihre kommunalen Rechte durch die Änderungen berührt waren. Abgesehen davon genügten die ausgelegten Unterlagen und die diesbezügliche Bekanntmachung den Anforderungen. Der Senat verweist insoweit auf das Urteil vom selben Tage im Parallelverfahren 11 A 3.23.

213. Auf die verfahrensrechtlichen Anforderungen der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/EU der Kommission vom (ABl. L 311 S. 32) - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) kann die Klägerin sich ebenfalls nicht als eigenes (Verfahrens-)Recht berufen. Abgesehen davon sind die verfahrensrechtlichen Anforderungen der Richtlinie gewahrt (vgl. näher das Urteil vom selben Tage im Parallelverfahren 11 A 3.23).

22II. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt keine materiellen subjektiven Rechte der Klägerin.

231. Weil die Klägerin keinen Vollüberprüfungsanspruch hat, kann sie sich auf die gerügten Verstöße des Planfeststellungsbeschlusses gegen zwingendes Artenschutz-, Biotopschutz- und Wasserrecht nicht berufen (vgl. 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 24). Insbesondere der im Parallelverfahren auf die Klage des dortigen Klägers zu 2 festgestellte Verstoß des Planfeststellungsbeschlusses gegen Biotopschutzrecht verhilft ihrer Klage deshalb nicht zum Erfolg. Die Beweisanträge der Klägerin zu den Themen Biotopschutzrecht (Anträge I.1.a bis 1.1.d, I.2.a und I.2.b aus dem Schriftsatz vom ) und zum Artenschutzrecht (Anträge II.1., II.2. und II.3. aus dem Schriftsatz vom ) sowie die Beweisanträge I.a bis I.e, II.a und II.b aus dem Schriftsatz vom waren daher abzulehnen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich sind.

242. Die Rüge fehlerhafter Abwägung der eigenen schutzwürdigen Belange der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

25Eine insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung kann die nicht im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG enteignungsbetroffene Klägerin nicht verlangen. Sie ist grundsätzlich auf die Rüge beschränkt, ihre geschützten Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen, also fehlerhaft zurückgesetzt worden (vgl. 4 A 6.18 - juris Rn. 40 und vom - 4 A 16.20 - juris Rn. 16). Der Wahl der planfestgestellten Trasse und der Umspannanlage Junkernhees kann sie die Vorzugswürdigkeit der von ihr favorisierten Meiswinkel-Variante und des Umspannanlagen-Standorts Altenkleusheim deshalb nur entgegenhalten, wenn bei der Entscheidung für die planfestgestellte Variante ihre eigenen Belange rechtswidrig zu kurz gekommen sind (vgl. 4 A 6.18 - juris Rn. 40). Als eigene Belange kommen - neben dem einfachgesetzlichen Eigentum - nur solche Belange in Betracht, die sich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen lassen (stRspr, vgl. 7 A 10.19 - juris Rn. 38 m. w. N.).

26a) Die Inanspruchnahme privaten Eigentums einer Gemeinde ist in die planerische Abwägung einzubeziehen, auch wenn Gemeinden sich nicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen können ( 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101 f.> m. w. N.). Der Schutz des Eigentums privater Dritter (Art. 14 Abs. 1 GG) wird es allerdings regelmäßig gebieten, vorrangig Grundstücke, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, heranzuziehen (vgl. 9 VR 10.03 - juris Rn. 13 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund ist die umfangreiche Heranziehung von Grundstücken der Klägerin nicht zu beanstanden.

27b) Die aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden abwägungsbeachtlichen Belange der Klägerin wurden fehlerfrei ermittelt und gewichtet.

28Im Hinblick auf die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnden Belange kann die Klägerin sich gegenüber der Fachplanung nicht auf alle Belange als "eigene" berufen, die die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen. Aus ihrer grundsätzlich umfassenden Wahrnehmungsbefugnis für diese Belange - einschließlich der städtebaulichen Belange im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB - folgt kein Abwehrrecht gegenüber allen das Gemeindegebiet berührenden Auswirkungen von Fachplanungen. Eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 43 Abs. 3 EnWG einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet folgt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur unter bestimmten qualifizierten Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund weist der Planfeststellungsbeschluss mit Blick auf die gemeindliche Planungshoheit (aa), das Selbstgestaltungsrecht (bb) und kommunale Einrichtungen der Klägerin (cc) keinen Abwägungsfehler auf.

29aa) Die nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Planungshoheit der Klägerin ist nicht betroffen.

30(1) Das Vorhaben stört keine Planung oder konkrete Planungsabsicht der Klägerin. Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 43 Abs. 3 EnWG einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn ein Vorhaben der Fachplanung eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig stört oder wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden ( 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 58 m. w. N.). Derartige Beeinträchtigungen legt die Klägerin nicht dar.

31Mit der Rüge, der Planfeststellungsbeschluss habe die erhebliche Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Heestals unterschätzt, kann sie unter Berufung auf ihre Planungshoheit nicht durchdringen. Die Klägerin meint, dass die negativen Auswirkungen auf die Landschaft, den Kulturlandschaftsbereich und das städtische Erholungsgebiet im Gegensatz zur Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses nicht gering oder maximal mittel, sondern substantiell sein werden. Das städtische Erholungsgebiet werde zukünftig gemieden und verliere so seine Funktion.

32Die Erhaltung eines Erholungsgebiets oder generell eines Freiraumes ist zwar ein öffentlicher Belang. Nicht alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft stellen aber "eigene", durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Belange dar, auf die sich die Klägerin gegenüber der Fachplanung berufen kann. Aus ihrer grundsätzlich umfassenden Wahrnehmungsbefugnis für diese Belange - einschließlich städtebaulicher Belange im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB - folgt kein generelles Abwehrrecht gegenüber fremden Fachplanungen. Maßgeblich ist vielmehr, inwiefern eigene Planungen oder Einrichtungen der Gemeinde betroffen sind. Die Funktion des Heestals als "städtisches Naherholungsgebiet" ist keiner planerischen Entscheidung zuzuschreiben, so dass ihr insoweit kein Abwehranspruch gegen die Fachplanung zusteht (vgl. 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 9 m. w. N.).

33Abgesehen davon sieht der Planfeststellungsbeschluss eine Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Heestals (PFB S. 85 f., 376 f.), er musste diesem Belang aber kein ausschlaggebendes Gewicht einräumen (vgl. näher das Urteil vom selben Tage im Parallelverfahren 11 A 3.23).

34(2) Die Planungshoheit der Klägerin ist nicht durch die Inanspruchnahme des städtischen Weges für die Erschließung der Umspannanlage verletzt.

35Die Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vermittelt der Klägerin als Erschließungsträgerin (§ 123 BauGB) ein Abwehrrecht gegen die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich, dessen Erschließung nicht ausreichend gesichert ist. Wenn im Außenbereich ein nicht ausreichend erschlossenes Vorhaben durchgeführt wird, so leitet dies eine ungeordnete städtebauliche Entwicklung ein, zu deren Verhinderung der Gemeinde eine wehrfähige Rechtsposition eingeräumt ist (vgl. 4 CB 2.84 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 26 S. 9 f.). Die Klägerin kann deshalb die Berücksichtigung der Auswirkungen einer etwaigen unzureichenden Erschließung auf ihre städtebauliche Entwicklung im Rahmen der Planfeststellung aus eigenem Recht verlangen. Es sind aber weder eine unzureichende Erschließung noch Auswirkungen auf ihre städtebauliche Entwicklung dargetan oder ersichtlich.

36Nachdem die Klägerin zunächst eingewandt hat, die Erschließung der Umspannanlage sei - jedenfalls in Bezug auf die Nutzung durch den Schwerlastverkehr während der Bauphase - nicht ausreichend gesichert, regelt der Planfeststellungsbeschluss nunmehr in der Fassung des Planänderungsbeschlusses vom detailliert auch die Zuwegung zur Umspannanlage und deren Verbreiterung für die Bauphase. Die hiergegen erhobenen Einwände (insbesondere mit Blick auf die Regelung des Rad- und Fußgängerverkehrs und die Bestimmtheit der Grundstücksinanspruchnahmen) berühren die städtebauliche Entwicklung der Klägerin nicht. Die von ihr befürchteten Schäden betreffen nicht die Erschließung als solche, sondern die Funktionsfähigkeit des Weges und ihrer darunter verlaufenden Leitungen als kommunale Einrichtungen (siehe dazu unten).

37bb) Das Vorhaben beeinträchtigt nicht das Ortsbild und damit das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin.

38Aus dem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden gemeindlichen Selbstgestaltungsrecht erwachsen Abwehransprüche, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. 9 A 31.15 - juris Rn. 26 m. w. N., vom - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 23 und vom - 7 A 10.20 - juris Rn. 42).

39Der Planfeststellungsbeschluss schließt solche prägenden Einwirkungen auf das Ortsbild indes zu Recht aus (PFB S. 291). Die planfestgestellte Trasse verläuft in dem Bereich der Gemarkung der Klägerin, der von der Meiswinkel-Variante verschont bliebe (Mast 371 bis Mast 376), außerhalb der Ortslage. Gleiches gilt für den Standort der Umspannanlage. Zwar kann auch ein Vorhaben außerhalb der Ortslage erhebliche negative Auswirkungen auf das Ortsbild entfalten, etwa wenn an zentraler Stelle die Sichtbeziehungen in Richtung der Stadt entscheidend verändert werden (vgl. 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 25: massive Wirkung einer 371 m langen Brücke mit Immissionsschutzwänden und beidseits anschließenden Dämmen). Solche Auswirkungen auf das Ortsbild der Klägerin sind hier aber weder dargetan noch ersichtlich.

40Hinsichtlich der geltend gemachten Beeinträchtigungen der Baudenkmäler, der Landschaft und der Kulturlandschaft ist die Klägerin nicht rügebefugt, denn dabei handelt es sich um öffentliche Belange, die nicht ihr zur Wahrnehmung zugewiesen sind. Die Beweisanträge der Klägerin zum Thema Landschaftsbild, Kulturlandschaftsbereich, Raumwirkung der Denkmäler und Gewöhnungseffekt (Anträge III.1.a bis III.1.e, III.2.a und III.2.b, III.3 und III.4 aus dem Schriftsatz vom ) waren folglich abzulehnen, weil sie nicht entscheidungserheblich sind. Die Klägerin ist auch nicht befugt, die Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes ihrer Einwohner geltend zu machen. Allenfalls könnte sie sich - unter Umständen - auf die Abwehrinteressen von Mietern oder Pächtern berufen. Sie trägt aber nicht vor, dass auf Grundstücken, die in ihrem Eigentum stehen, Wohngebäude errichtet sind. Somit fehlt von vornherein ein Ansatzpunkt für die Ausweitung der Rügebefugnis (vgl. 4 A 16.20 - juris Rn. 31).

41cc) Ein beachtlicher Abwägungsfehler zulasten kommunaler Einrichtungen der Klägerin - insbesondere: städtischer Wege und Leitungen - ist nicht aufgezeigt.

42Die Funktionsfähigkeit einer kommunalen Einrichtung ist ein beachtlicher Abwägungsbelang, wenn sie durch eine Fachplanung erheblich beeinträchtigt wird (vgl. nur 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 58 m. w. N.). Der Planfeststellungsbeschluss schließt zwar eine erhebliche Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen durch das Vorhaben pauschal aus (PFB S. 284), setzt sich aber gleichwohl im Einzelnen mit kommunalen Einrichtungen auseinander und trifft Vorkehrungen, um etwaige Beeinträchtigungen zu vermeiden. Ein (teilweiser) Abwägungsausfall, den die Klägerin insofern rügt, kann dem Planfeststellungsbeschluss daher nicht vorgeworfen werden.

43(1) Dass das Heestal als Naherholungsgebiet eine gemeindliche Einrichtung oder Teil einer solchen ist, ist weder dargetan noch ersichtlich (vgl. auch 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 24 <Badestelle> und vom - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 73 <Wattfläche>). Dessen Beeinträchtigung kann die Klägerin folglich auch unter diesem Aspekt nicht mit Erfolg rügen.

44(2) Eine kommunale Einrichtung ist aber der barrierefreie städtische Wander- bzw. Fuß- und Radweg im Heestal. Der Planfeststellungsbeschluss sieht die (visuelle) Betroffenheit dieses Weges (PFB S. 376 f.). Eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit musste er aber nicht annehmen. Der Weg wird durch das Vorhaben nicht unmittelbar in Anspruch genommen. Die optische Wirkung des planfestgestellten Vorhabens steht seiner Nutzung zu Sport- und Freizeitzwecken nicht von vornherein entgegen. Zudem ist der Weg nicht in voller Länge, sondern nur im stadtnäheren Bereich betroffen.

45(3) Der städtische Wirtschaftsweg zwischen der Kreisstraße (K 26) und Mittelhees ist eine städtische Einrichtung, die unmittelbar in Anspruch genommen wird. Darunter verläuft eine städtische Abwasserdruckleitung, also eine weitere Einrichtung der Klägerin.

46Der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planänderungsbeschlusses vom stellt den ca. 250 langen Wirtschaftsweg als Zuwegung zur Umspannanlage (und zu den zwischen der K26 und Mittelhees liegenden Freileitungsmasten) fest. Für die Bauphase wird eine temporäre Verbreiterung für den Baustellenverkehr und den Fuß- und Radweg sowie die temporäre Umleitung des Fuß- und Radverkehrs planfestgestellt (PFB S. 160, PÄB S. 6, 19).

47Die Klägerin befürchtet vor allem durch den Transformatorentransport eine Beschädigung des Weges sowie der in geringer Tiefe verlaufenden Leitungen. Der Planfeststellungsbeschluss trifft aber ausreichend Vorkehrungen zur Vermeidung von Schäden. Nach der Nebenbestimmung 4.2.4 des Planänderungsbeschlusses (PÄB S. 8 f.) sind die bei dem Transport der Transformatoren zu überfahrenden Trinkwasser-, Versorgungs- und Abwasserleitungen durch geeignete Maßnahmen, wie eine ausreichende Überdeckung der Rohrleitungen gegebenenfalls unter Ergänzung von lastenverteilenden Platten, zu schützen. Um die Sicherheit der Versorgungsleitungen und die Einhaltung der entsprechenden Regelwerke zu gewährleisten, ist die für den Transformatorentransport in Anspruch zu nehmende Grundstücksfläche so auszubauen, dass die Mindestüberdeckung eingehalten sowie eine Traglast von SLW60 gewährleistet wird. Die Maßnahmen sind mit den zuständigen Stellen im Vorfeld des Transports im Detail abzustimmen; die Protokolle der Abstimmungen sind der Planfeststellungsbehörde im Vorfeld des Transports zuzusenden. Die Detailplanung des Straßenkörpers für die dem Transport der Transformatoren dienende temporäre Baustraße ist der Planfeststellungsbehörde mindestens sechs Wochen vor dem Transport vorzulegen. Gemäß der Nebenbestimmung 4.2.6 ist vor Beginn und nach Beendigung der Nutzung des Weges für den Transformatorentransport eine Bestandsdokumentation und Beweissicherung zur Beschaffenheit des in Anspruch zu nehmenden Grundstücks vorzunehmen (PÄB S. 9). Nach dem letzten Transport hat die Vorhabenträgerin gemäß Nebenbestimmung 4.2.7 einen dem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen gleichartigen Zustand herzustellen (PÄB S. 9).

48Das genügt den Anforderungen an die Problembewältigung. Die Absicherung des Weges und der darin bzw. daneben verlaufenden Leitungen sind klassische Fragen der Bauausführung. Solche Fragen dürfen in der Regel aus der Planfeststellung ausgeklammert werden, sofern nach dem Stand der Technik zur Problembewältigung geeignete Lösungen zur Verfügung stehen und die Wahrung der entsprechenden Regelwerke sichergestellt ist (stRspr, vgl. 7 A 7.22 - BVerwGE 179, 30 Rn. 67 m. w. N.). Hiervon durfte der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planänderungsbeschlusses ausgehen (vgl. PÄB S. 54). Die Bedenken der Klägerin gegen die vorgeschlagene Lösung zeigen auch nicht auf, dass eine (ggf. andere) Lösung nach dem Stand der Technik von vornherein ausgeschlossen wäre.

49Die Beweisanträge V.a und V.b (Sitzungsprotokoll vom , S. 4), wonach die Nutzung des Wirtschaftsweges als Baustellenzuwegung dazu führen wird, dass die im Bereich des Weges verlegten Leitungen (insbesondere die in ca. 70 cm Tiefe verlaufende, aus Polyethylenkunststoff hoher Dichte bestehende und etwa alle 100 m mit Elektroschweißmuffen verbundene Abwasserdruckleitung) beschädigt werden, und es keine technische Möglichkeit gibt, die Rohrleitung in der planfestgestellten Bauweise und die Böschungen des temporären Weges sicher vor Beschädigungen zu bewahren, waren nach alledem abzulehnen. Da die Klägerin nicht aufgezeigt hat, weshalb eine besondere Situation bestehen sollte, die eine Problembewältigung nach den üblichen technischen Regeln in der Bauausführung ausschließt, sind die Anträge unsubstantiiert und ins Blaue hinein gestellt.

50(4) Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 4) hat die Klägerin geltend gemacht, im Bereich der Masten 371, 372, 375, 376 und 377 verlaufe mit zu geringem Abstand eine Ferntransport- und Druckwasserleitung des Wasserverbands Siegen-Wittgenstein. Es kann offenbleiben, ob die Leitung des Wasserverbands als kommunale Einrichtung der Klägerin anzusehen ist. Jedenfalls sind das diesbezügliche Vorbringen und die entsprechenden Beweisanträge V.1.a, V.1.b, V.1.c und V.1.d aus dem Schriftsatz vom nicht zu berücksichtigen und die Beweisanträge abzulehnen, weil die Klägerin damit präkludiert ist. Die Klagebegründung vom enthielt zu dem Thema keine Ausführungen. Nach Ablauf der 10-Wochenfrist des § 6 Satz 1 UmwRG kann der Tatsachenvortrag zwar vertieft, der Prozessstoff als solcher jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 6 Satz 2 bis 4 UmwRG, die hier nicht vorliegen, erweitert werden.

513. Die Kritik der Klägerin an der Ermittlung und Bewertung der bei der Abwägung ihren Belangen gegenübergestellten Belange bleibt ohne Erfolg.

52Die Inanspruchnahme des zivilrechtlichen Eigentums der Klägerin ist durch gegenläufige, ordnungsgemäß ermittelte Belange gerechtfertigt. Die Vorteile des Vorhabens - die zugleich Nachteile der von der Klägerin befürworteten Varianten sind - sind ohne Ermittlungs- und Bewertungsfehler in die Abwägung einbezogen worden.

53a) Die Vorteile des planfestgestellten Trassenverlaufs im Heestal wurden abwägungsfehlerfrei einbezogen.

54Die Entscheidung gegen die von der Klägerin befürwortete Meiswinkel-Variante begründet der Planfeststellungsbeschluss im Wesentlichen mit Vorteilen bei der Walderhaltung. An der grundsätzlichen technischen Umsetzbarkeit dieser Variante hat er keinen Zweifel; der diesbezügliche, als vorsorglich bezeichnete Beweisantrag der Klägerin (VI. aus dem Schriftsatz vom ) war mangels Beweisbedürftigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache abzulehnen.

55Der Planfeststellungsbeschluss stellt maßgeblich darauf ab, dass durch die Meiswinkel-Variante deutlich größere Waldflächen erstmalig in Anspruch genommen und bislang zusammenhängende Waldbereiche zerschnitten werden (PFB S. 150). Das ist nicht zu beanstanden. Die Kritik der Klägerin an der Ermittlung und Bewertung des Belangs der Walderhaltung führt nicht auf einen Abwägungsfehler des Planfeststellungsbeschlusses.

56aa) Der Planfeststellungsbeschluss durfte dem Belang der Walderhaltung hohes Gewicht beimessen (PFB S. 148). Der Planfeststellungsbeschluss bezieht sich auf die Vorgabe in Ziff. 7.3-1 LEP NRW, wonach Waldbereiche für entgegenstehende Planungen und Maßnahmen ausnahmsweise nur dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn für die angestrebten Nutzungen ein Bedarf nachgewiesen ist, dieser nicht außerhalb des Waldes realisierbar ist und die Waldumwandlung auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt (PFB S. 139). Diese Vorgabe verleiht dem Grundsatz der Walderhaltung erhebliches Gewicht, auch wenn es sich entgegen der Bezeichnung nicht um ein Ziel der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt (vgl. 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 52).

57bb) Das Ausmaß einer Inanspruchnahme vorhandener Waldbereiche darf grundsätzlich als Kriterium beim Variantenvergleich herangezogen werden. Der Einwand der Klägerin, die Meiswinkel-Variante führe zu erheblichem Teil durch - vom Borkenkäfer zerstörte - Fichtenforste, wohingegen die Antragstrasse wertvolle Waldränder betreffe, führt nicht auf einen Abwägungsfehler.

58Der Planfeststellungsbeschluss erkennt im Rahmen der Abwägung der Varianten, dass bei der Meiswinkel-Variante weniger ökologisch hochwertige Waldbereiche betroffen sind als bei der Antragstrasse, misst aber der erstmaligen Zerschneidung einer bislang nicht in Anspruch genommenen Fläche und deren Größe höheres Gewicht bei (PFB S. 148). Angesichts der sehr großen Unterschiede beim Flächenverbrauch (PFB S. 142 f., 148: ca. 19,8 ha für Maststandorte, Arbeitsflächen sowie die Schutzstreifen, gegenüber 2,9 ha in der Antragstrasse) mussten die ökologischen Qualitätsunterschiede der betroffenen Waldflächen sowie deren tatsächlicher Zustand nicht als weiteres Kriterium herangezogen werden. Das gilt auch in Bezug auf Kalamitätsflächen, denen der Planfeststellungsbeschluss im Übrigen nachvollziehbar eine hohe ökologische Bedeutung für die Waldentwicklung beimisst (vgl. PFB S. 97, 152).

59Dem Beweisantrag IV.1.a aus dem Schriftsatz vom , dass die planfestgestellte Schutzstreifenaufweitung in dem Bereich, der durch die Meiswinkel-Variante verschont werden könnte, insbesondere ökologisch hochwertige Waldränder bzw. Saumbiotope betrifft, war nicht nachzugehen. In seiner pauschalen Formulierung ist der Beweisantrag unsubstantiiert und geht ins Blaue hinein. Im Übrigen geht auch der Planfeststellungsbeschluss - wie dargelegt - davon aus, dass im Bereich der Antragstrasse ökologisch höherwertige Bereiche betroffen sind.

60Auch der von der Klägerin geforderte Biotopwertvergleich musste nicht durchgeführt werden, so dass ihr hierauf gerichteter Beweisantrag (IV.1.b aus dem Schriftsatz vom ) abzulehnen war.

61Es gibt keine allgemeinverbindliche Methode für die Ermittlung und Bewertung des Belanges "Wald". Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der von ihr bzw. von ihrem Sachbeistand angestellte Biotopwertvergleich fachlich zwingend ist oder auch nur zu besseren Erkenntnissen führt. Der vorgelegte und in der mündlichen Verhandlung präsentierte Biotopwertvergleich geht von der Prämisse aus, dass bei der Meiswinkel-Variante keine Waldflächenverluste eintreten, weil alle Schutzstreifen mit lebensraumtypischen Baumarten wieder bepflanzt werden. Hierdurch würde der Biotopwert der betroffenen Waldfläche im Zuge des Vorhabens sogar steigen (vgl. Schriftsatz vom , S. 79). Die Klägerin legt ihrer Betrachtung damit nicht den eigentlichen Eingriff zugrunde, sondern einen angestrebten Zustand in der Zukunft (Prognosewert Zeitraum 30 Jahre, vgl. Schriftsatz vom , S. 79). Diese Betrachtung musste der Planfeststellungsbeschluss nicht anstellen. Er durfte bei dem Vergleich der Trassenvarianten auf das für die Verwirklichung des jeweiligen Trassenverlaufs zunächst notwendige Freischlagen der Trasse und die diesbezügliche Fläche abstellen. Auch dem Beweisantrag IV.1.c (Schriftsatz vom ), dass die Biotopaufwertung durch die Meiswinkel-Variante dem von Wald und Holz NRW angestrebten Waldumbau (als Reaktion auf den Klimawandel) entspricht, war nicht nachzugehen. Auf die unter Beweis gestellte Tatsache kommt es nicht an.

62cc) Die Klägerin wendet sich gegen die Annahme des Planfeststellungsbeschlusses, ein Nachteil der Meiswinkel-Variante sei die Zerschneidung von Versuchsflächen für die Wiederbewaldung nach den Sturmschäden durch "Kyrill" (PFB S. 148).

63Der Planfeststellungsbeschluss wertet Versuchsflächen als bedeutsam für die Forschung (PFB S. 148). Darüber hinaus macht er sich an anderer Stelle (PFB S. 291, 97) die Bewertung des Landesbetriebs Wald und Holz im Rahmen der sogenannten 2. Planänderung zu eigen, dass eine zusätzliche Zerschneidung geschlossener Waldgebiete durch Alternativtrassen abzulehnen sei, da gerade im Hinblick auf die immer noch andauernde Großkalamität "Dürre und Borkenkäfer" die hier jüngeren Mischbestände nach dem Sturm "Kyrill" sowie intakte Laubwaldbestände jeder Qualität als Trittsteine für die Wiederbewaldung unentbehrlich und unbedingt zu erhalten seien.

64Die Klägerin macht geltend, dass es bereits durch sehr geringfügige Optimierungen der Meiswinkel-Variante zu weiteren Entlastungen der Waldversuchsfläche käme. Das führt nicht auf einen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses.

65Die Planfeststellungsbehörde musste die Variantenprüfung nicht bis zuletzt offenhalten, nachdem der von ihr im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Verlauf der Meiswinkel-Variante im Dialog mit ihren Befürwortern erarbeitet worden war (vgl. PFB S. 143 f.). Zu einer nachträglichen Berücksichtigung immer weiter optimierter Trassenvarianten ist die Behörde nicht verpflichtet (vgl. 4 A 10.20 - juris Rn. 20 m. w. N.). Im Übrigen liegt auf der Hand, dass die Trittsteinfunktion einer wiederbewaldeten Versuchsfläche nicht nur dann beeinträchtigt wird, wenn die Trasse mit ihren Wuchsbeschränkungen innerhalb der Versuchsfläche liegt, sondern auch dann, wenn sie sich daneben befindet.

66b) Die Vorteile der Umspannanlage Junkernhees wurden fehlerfrei ermittelt und in die Abwägungsentscheidung einbezogen.

67aa) Den maßgeblichen Vorteil der Umspannanlage Junkernhees sieht der Planfeststellungsbeschluss in der kürzeren Anschlussleitung für die Anbindung der Umspannanlage Setzer Wiese (PFB S. 163 f., 169). Das ist nicht zu beanstanden.

68Der Standortabwägung liegt zugrunde, dass von der neuen Umspannanlage (Altenkleusheim oder Junkernhees) die Umspannanlage Setzer Wiese über den Punkt Fellinghausen (Mast 371) mittels einer (zusätzlich auf dem Gestänge der Bl. 4319 mitzuführenden) 110-kV-Anschlussleitung angebunden werden muss. Die Umspannanlage Altenkleusheim befindet sich bei Mast 349, 7,4 km nördlich von Pkt. Fellinghausen, der bei Mast 371 liegt. Die Umspannanlage Junkernhees ist bei Mast 373 und damit 710 m südwestlich des Punktes Fellinghausen geplant. Entsprechend würde die zusätzliche 110-kV-Anschlussleitung als Zubeseilung auf dem Gestänge der Bl. 4319 zur Umspannanlage Altenkleusheim eine Länge von rd. 7,4 km mit Erhöhungen an insgesamt 23 Masten und zur UA Junkernhees eine Länge von rd. 710 m mit Erhöhungen an den drei Masten 371 bis 373 erfordern. Gegen diese tatsächlichen Annahmen erhebt die Klägerin keine Einwände.

69Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass mit zunehmender Länge der Anschlussleitung die Kurzschlussleistung sowie die Spannungsqualität abnehme. Dies könnte die Netzstabilität nachteilig beeinträchtigen. Wegen des im Vergleich zu den beiden anderen Standortalternativen doppelt so großen Abstandes bis zur Umspannanlage Setzer Wiese könne es bei der Standortalternative Altenkleusheim eher zu Beeinträchtigungen der Netzfrequenz und des Kurzschlussstroms kommen (PFB S. 163 ff., 169).

70Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. J. und Dipl.-Ing. S. vom August 2022 sowie weitere Stellungnahmen der Verfasser halten dem entgegen, die Länge der Anschlussleitung sei nicht der entscheidende Faktor zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Netzfrequenz und der Kurzschlussleistung; maßgeblich seien auch andere Faktoren. Damit stellen sie die Grundannahme des Planfeststellungsbeschlusses, dass eine kürzere Anschlussleitung technisch vorteilhaft ist, jedoch nicht in Frage. Der Planfeststellungsbeschluss musste von Rechts wegen auch keine darüberhinausgehenden Erwägungen anstellen, dass und wie auf anderen Wegen - etwa anhand der Art und Anzahl der eingesetzten 380/110-kV-Transformatoren - die technischen Parameter vorteilhaft beeinflusst werden könnten.

71Die Klägerin rügt ferner, die Mindestkurzschlussleistung sei am Standort Altenkleusheim gewahrt. Eine Übererfüllung der Anforderungen sei nicht sinnvoll und sogar - im Hinblick auf die höheren Kosten - unzulässig. Der Einwand greift nicht durch. Der Planfeststellungsbeschluss musste die Erfüllung der Mindestkurzschlussleistung nicht als ausreichend ansehen, sondern durfte auch ein darüber hinausgehendes Bestreben nach Minimierung und Vermeidung betrieblicher Risiken in seine Abwägung einstellen (vgl. 4 A 17.20 - BeckRS 2022, 44373 Rn. 19).

72Unter Bezugnahme auf Prof. Dr. J. und Dipl.-Ing. S. kritisiert die Klägerin, die geplante Umspannanlage Junkernhees könne nur eine (n-1)-Ausfallsicherheit gewährleisten. Der Einwand ist unerheblich. Der Planfeststellungsbeschluss stellt auf die (n-1)- oder (n-2-)-Ausfallsicherheit der Umspannanlagen nicht ab. Das musste er auch nicht. Im Übrigen bezieht sich die Ausfallsicherheit - wie die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - auf das gesamte Netz, nicht auf einzelne Anlagen.

73bb) Der Planfeststellungsbeschluss stellt in seine Abwägung ein, dass die durch die Zubeseilung notwendig werdende Erweiterung der Schutzstreifen bei der Umspannanlage Junkernhees mit 15 000 qm geringer ausfällt als bei der Umspannanlage Altenkleusheim mit 20 500 qm (PFB S. 164).

74Der Senat hatte keinen Anlass, dem Beweisantrag IV.c der Klägerin aus dem Schriftsatz vom nachzugehen, wonach die Zubeseilung auch erfolgen könne, ohne dass Schutzstreifen verbreitert werden müssten. Die Beigeladene hat nicht bestritten, dass solche technischen Möglichkeiten bestehen, in der mündlichen Verhandlung aber dargelegt, dass dies in hohem Maße nachteilige Veränderungen der Mastformen nach sich zöge. Damit hat die Klägerin sich nicht auseinandergesetzt. Der Beweisantrag ist daher weder beweisbedürftig noch entscheidungserheblich.

75cc) Der Planfeststellungsbeschluss hält die visuellen Belastungen durch die Anbindungsleitung im Hinblick auf die notwendigen 23 Masten zur Umspannanlage Altenkleusheim für deutlich höher als im Fall der Umspannanlage Junkernhees, bei der nur drei Masten betroffen sind (vgl. PFB S. 164 f.). Das ist nicht zu beanstanden.

76Sofern die Klägerin dem die Möglichkeit einer Erdverkabelung entgegenhält, deren Kosten sie mit nicht mehr als 11 Mio. € veranschlagt, zeigt dies keinen Abwägungsfehler auf. Der Planfeststellungsbeschluss hat zwar die Führung eines Erdkabels neben der vorhandenen Freileitung als Variante im Heestal geprüft (PFB S. 154 f.), geht aber zu Recht davon aus, dass es fernliegt, im Verbund mit einer neuen Freileitung eine Leitung als Erdkabel zu errichten, die auf der Freileitung mitgeführt werden kann (PFB S. 175, vgl. auch 4 A 13.18 - juris Rn. 127). Die hierauf bezogenen Beweisanträge (Beweisantrag IV.d und IV.e aus dem Schriftsatz vom ) waren als unerheblich abzulehnen.

77Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:200624U11A1.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-81171