Die Potenzialfeststellung für Unteroffiziere bedarf einer gesetzlichen Grundlage
Leitsatz
1. Die Potenzialfeststellung für Unteroffiziere bedarf als unmittelbar (mit-)entscheidendes Auswahlkriterium für den Aufstieg in die Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes einer gesetzlichen Grundlage. Die bisherige, allein auf Verwaltungsvorschriften gestützte Praxis wird dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Bereich des Art. 33 Abs. 2 GG nicht gerecht.
2. Der Mangel einer gesetzlichen Grundlage kann auch nicht für eine Übergangszeit hingenommen werden.
3. In ihrer bisherigen Form können die Ergebnisse der Potenzialfeststellung nur als "ergänzendes Hilfsmittel" herangezogen werden, wenn sich nach vollständiger Ausschöpfung der gesetzlich verankerten Auswahlinstrumente (Regelbeurteilung, Personalentwicklungsbewertung) ein Vorsprung eines Bewerbers nicht feststellen lässt.
Tatbestand
1Die Antragstellerin begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes.
2Die ... geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin in der Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes. Zuletzt wurde sie im November ... zum Hauptfeldwebel befördert. Derzeit wird sie als Materialdisponentin im ...zentrum der Bundeswehr in ... verwendet.
3Mit Formularantrag vom beantragte die Antragstellerin ihre Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Auswahljahr 2023 im Werdegang ... Mit Bescheid vom lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr diesen Antrag ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem Beschwerde.
4Mit Bescheid vom wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin ein erforderliches Auswahlkriterium, nämlich einen Indexwert im Potenzialfeststellungsverfahren kleiner oder gleich 48 Punkte, nicht erfülle. Die Antragstellerin überschreite mit dem in der Potenzialfeststellung vom festgestellten Gesamtindex von 52 Punkten diesen Wert. Sie habe auch bei einem Test am nicht die erforderliche Punktzahl erreicht, um an einer vorfristigen Wiederholung der Potenzialfeststellung teilzunehmen.
5Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den hier gegenständlichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt. Einen weiteren Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Zulassung zum Offizierlehrgang hat der Senat mit Beschluss vom - 1 W-VR 13.23 - abgelehnt.
6Zur Begründung ihres Antrags in der Hauptsache führt die Antragstellerin - unter Einbezug ihres Vortrags im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - insbesondere aus:
7Die Ablehnung des Antrags auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 SG. In der Reihung der Bewerber in der sogenannten Vorsortierliste nehme sie bei insgesamt 16 Möglichkeiten der Laufbahnzulassung den fünften Rangplatz ein. Ihre Bewerbung sei allein deshalb abgelehnt worden, weil sie den für eine Laufbahnzulassung vorgegebenen Indexwert von 48 Punkten beim Ergebnis der Potenzialfeststellung mit 52 Punkten geringfügig überschritten habe. Das Ergebnis der Potenzialfeststellung sei dadurch zu einem Ausschlusskriterium geworden, das ihre hervorragenden anderen Bewertungen (aktuelle Beurteilung A+, Vorbeurteilung 8,25, Laufbahnbeurteilung "in außergewöhnlichem Maß geeignet", Entwicklungsprognose "bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn", Personalentwicklungsbewertung "Eignung Offizier militärfachlicher Dienst") rechtswidrig entwerte. Sie weise darauf hin, dass bei der Auswahl von Feldwebeln und Fachunteroffizieren zum Berufssoldaten im Auswahljahr 2024 das Nichterfüllen der dort geforderten Indexwerte der Potenzialfeststellung ausdrücklich nicht zum Ausschluss von der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren geführt habe. Nicht nachvollziehbar sei auch, warum es ihr verwehrt sei, das schlechtere Ergebnis der Potenzialfeststellung durch ihre im Übrigen exzellenten Bewertungen zu kompensieren.
8Angesichts der hohen Bedeutung der Potenzialfeststellung für den Laufbahnaufstieg bedürfe es für dieses Instrument einer normativen Grundlage, an der es bisher fehle. Sie verweise hierzu auf die neuere Rechtsprechung des Senats zum Vorbehalt des Gesetzes für dienstliche Beurteilungen und für die Laufbahnnachzeichnung freigestellter Soldaten. Die derzeitige Regelung der Potenzialfeststellung allein durch Verwaltungsvorschriften genüge diesen Anforderungen nicht. Das gelte auch für die Festlegung eines zu erfüllenden Mindestwerts. Der Senat habe in einer früheren Entscheidung nicht beanstandet, dass die Potenzialfeststellung in einem bestimmten Auswahljahr nicht zur Ermittlung des Punktsummenwerts herangezogen worden sei. Es sei deshalb nicht hinnehmbar, dass das Verfahren der Potenzialfeststellung ohne ausreichende gesetzliche Grundlage auch nur für eine Übergangszeit weiter angewendet werde.
9Sie stelle ferner in Frage, dass die im Rahmen der Potenzialfeststellung durchgeführten psychologischen Tests aktuellen wissenschaftlichen Standards genügten und zu verlässlichen und fundierten Aussagen über die Eignung für den Laufbahnaufstieg führten. Ihrer Kenntnis nach sei die computerassistierte Testung (CAT) von der Bundeswehr selbst entwickelt. Eine Zertifizierung des Verfahrens nach DIN 33430 oder ISO 1066 liege nicht vor. Die zugrunde liegende Methodik sei - generell wie auch in der Anwendung in ihrem Fall - nicht transparent, wodurch sie sich einer konkreten Kontrolle und Kritik entziehe. Jedenfalls das Interview sei offenbar nicht standardisiert. Auch sei der Schwellenindexwert von 48 eine gegriffene Zahl ohne erkennbare wissenschaftliche Grundlage. Nicht nachvollziehbar sei ferner, inwiefern dasselbe Indexwert-Verfahren valide Aussagen für gänzlich unterschiedliche Auswahlverfahren (Übernahme von Feldwebeln und Fachunteroffizieren als Berufssoldat, Laufbahnaufstieg von Feldwebeln zum Offizier des militärfachlichen Dienstes) ermöglichen soll.
10Die Antragstellerin beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom in Gestalt des Beschwerdebescheids vom zu verpflichten, über ihren Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Auswahljahr 2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
11Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
12Zur Begründung verweist es darauf, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes nach dem Grundsatz der Bestenauslese hinreichende Rechtsgrundlagen im Soldatengesetz und in der Soldatenlaufbahnverordnung bestünden. Die nähere Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens dürfe in Verwaltungsvorschriften geregelt werden. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht mehrfach das bestehende Auswahlmodell, einschließlich des Kriteriums der Potenzialfeststellung, als rechtmäßig bestätigt.
13Das bei der Potenzialfeststellung angewandte psychologische Verfahren liefere verlässliche und gültige wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Eignung einer Person im Sinne einer Bewährungswahrscheinlichkeit für die betreffende Laufbahn oder Verwendung in der Bundeswehr. Eine vergleichbare Methodik komme auch bei anderen Auswahlverfahren der Bundeswehr (etwa der Auswahl zum Offizier) zur Anwendung. Die bundeswehrinternen Vorgaben für die Entwicklung und Anwendung psychologischer Auswahlverfahren überträfen die Anforderungen der DIN 33430 und ISO 1066 in weiten Teilen. Allerdings seien die eingesetzten Verfahren durch Kompromittierung, d. h. Bekanntwerden von Testinhalten und Testprinzipien, gefährdet und deshalb als "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft und nicht zertifiziert. Mit Schreiben vom hat das Bundesministerium der Verteidigung - unter Hinweis auf die entsprechenden, dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorschriften - eine allgemeine Darstellung des Verfahrens der Potenzialfeststellung und der Ermittlung der Testergebnisse gegeben; hierauf wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Mit Schreiben vom hat das Bundesministerium der Verteidigung auch die konkreten Ergebnisse der Antragstellerin aus der Eignungsfeststellung vom und der Wiederholungstestung vom vorgelegt.
14Bei der Potenzialfeststellung würden nur relativ wenige und stabile Merkmale (Gewissenhaftigkeit, Persönlichkeits- und Verhaltensstabilität sowie kognitive Leistungsfähigkeit) erfasst, für die grundsätzlich eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren angenommen werden könne. Die Möglichkeit der vorzeitigen Wiederholung sei für den Fall vorgesehen, dass im Einzelfall eine deutliche Persönlichkeitsentwicklung erkennbar sei. Bei einer diesbezüglichen Vorprüfung habe die Antragstellerin jedoch keine solche Entwicklung erkennen lassen, weswegen auch eine Wiederholung der Potenzialfeststellung unterblieben sei. Das Kriterium eines Indexwerts bei der Potenzialfeststellung von "kleiner oder gleich 48" beruhe auf den bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen, die einheitliche Mindestanforderungen für Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren enthielten. Der Grenzwert von "kleiner oder gleich 48" bedeute dabei, dass der Bewerber im Testverfahren mindestens eine Durchschnittsnote von "3" ("Bewerberin bzw. Bewerber zeigt Verhaltensweisen, die gut durchschnittlich sind") über die betrachteten Eignungsmerkmale hinweg erreicht habe. Der auf das Auswahljahr 2024 begrenzte Verzicht auf die Erfüllung des Grenzwerts betreffe nur die Auswahl von Feldwebeln und Fachunteroffizieren zum Berufssoldaten und nicht den hier gegenständlichen Laufbahnaufstieg.
15Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat haben bei der Beratung die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung, die Personalgrundakte der Antragstellerin und die Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegen.
Gründe
16Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
171. Der Antrag ist zulässig.
18a) Der Rechtsstreit hat sich nicht dadurch in der Hauptsache erledigt, dass der Termin für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Auswahljahr 2023 bereits verstrichen ist. Nach der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung in der mündlichen Verhandlung kann eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn aufgrund einer Ausnahmegenehmigung erfolgen, wenn der Zulassungsantrag in der Sache erfolgreich ist (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 8.17 - NVwZ 2018, 1140 Rn. 14 m. w. N.).
19b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes unterliegt als Aufstieg in eine höherwertige Laufbahn dem Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG (vgl. 1 WB 10.21 - juris Rn. 18 m. w. N.). Der Soldat, der die Laufbahnzulassung beantragt hat oder für sie vorgeschlagen wurde, hat einen Bewerbungsverfahrensanspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. 1 WB 51.12 - juris Rn. 28).
202. Der Antrag ist auch begründet.
21Das bei der Auswahl für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes herangezogene Verfahren der Potenzialfeststellung beruht auf Verwaltungsvorschriften, für die eine - vom Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes geforderte - hinreichende normative Grundlage fehlt. Die Bewerbung der Antragstellerin durfte deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie über kein ausreichendes Ergebnis der Potenzialfeststellung verfügt. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom ist damit rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. § 6 Satz 1 SG. Sie kann verlangen, dass über ihren Antrag vom auf Laufbahnzulassung im Auswahljahr 2023 unter Beachtung der nachfolgenden Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wird (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
22a) Das Verfahren der Potenzialfeststellung ist im Wesentlichen in der vom Bundesamt für das Personalmanagement unter Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses herausgegebenen Allgemeinen Regelung C1-1340/49-5000 über die "Potenzialfeststellung für Unteroffiziere" und deren Anlage 5.1 ("Fachlich-methodische Bestimmungen für die Potenzialfeststellung für Unteroffiziere") geregelt.
23Die Potenzialfeststellung ist danach Bestandteil des Auswahlverfahrens für die Umwandlung des Dienstverhältnisses von Fachunteroffizieren und Feldwebeln im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten (im Folgenden ausgeblendet) sowie - hier von Interesse - für die Zulassung von Feldwebeln zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Ihr Ziel ist es, das geistige und charakterliche Potenzial für den Laufbahnaufstieg festzustellen. Das Verfahren der Potenzialfeststellung dauert in der Regel einen Tag und besteht aus der Analyse biographischer Daten, einer computerassistierten Testung (CAT) sowie einem Einzelgespräch (Interview). Der mündliche Anteil der Potenzialfeststellung wird durch eine zentrale Auswahlkommission bei einem Karrierecenter der Bundeswehr durchgeführt, die aus einem für diese Funktion ausgebildeten Stabsoffizier/Offizier und einer Psychologin bzw. einem Psychologen besteht.
24Im diagnostischen Verfahren der Potenzialfeststellung werden Erkenntnisse zu drei als besonders stabil erachteten Eignungsmerkmalen, nämlich zu Gewissenhaftigkeit, zu Persönlichkeits- und Verhaltensstabilität und zu kognitiver Leistungsfähigkeit, erhoben und bewertet. Gewissenhaftigkeit wird beschrieben als Fähigkeit, sich mit gestellten Aufgaben zu identifizieren und sich in seinem sach- und sozialbezogenen Verhalten zuverlässig und pflichtbewusst zu zeigen. Persönlichkeits- und Verhaltensstabilität bezeichnet den persönlichen Entwicklungsgrad, der sich in der Gesamtheit aller individuellen Persönlichkeitsmerkmale sowie in den charakteristischen Anpassungsweisen im Rahmen der Auseinandersetzung mit personeninternen und personenexternen Gegebenheiten und in der Auseinandersetzung mit dem Selbst- und Weltbild manifestiert; dies schließt die Fähigkeit ein, erfolgreiches, gemeinschaftsförderndes und rechtskonformes Verhalten zu zeigen. Kognitive Leistungsfähigkeit schließlich wird verstanden als Fähigkeit und Fertigkeit eines Bewerbers, den geistigen Anforderungen der Tätigkeit zu entsprechen; dies beinhaltet auch Aspekte der Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie der Merkfähigkeit. Einzelheiten des Ablaufs und der Durchführung des diagnostischen Verfahrens sind beschrieben in Abschnitt 2.3.1 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000.
25Alle personalpsychologischen Messungen einschließlich der Bewertung der Eignungsmerkmale erfolgen auf einer Skala von "1" ("weit überdurchschnittlich") bis "7" ("weit unterdurchschnittlich"). Aus ihnen wird als Ergebnis der Potenzialfeststellung und als Indikator für die Bewährungswahrscheinlichkeit des Bewerbers in der angestrebten Laufbahn ein Gesamtindex ermittelt, der in einem Wertebereich von 16 (bestmöglicher Gesamtindex) bis 112 (schlechtestmöglicher Gesamtindex) liegt (vgl. im Einzelnen Abschnitt 2.3.2 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000). Der Gesamtindex wird dem Bewerber unmittelbar nach Abschluss des Verfahrens bekanntgegeben und ein entsprechender Ergebnisnachweis ausgehändigt. Der Gesamtindex bleibt für die Dauer von fünf Jahren gültig. Frühestens nach Ablauf von zwei Jahren ist eine vorzeitige Wiederholung des Prüfverfahrens möglich, sofern bei dem Bewerber eine deutliche Persönlichkeitsentwicklung festgestellt werden kann (vgl. zum Verfahren im Einzelnen Abschnitt 3 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000).
26b) Das Ergebnis der Potenzialfeststellung für Unteroffiziere (Gesamtindex) hat im Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes eine entscheidungserhebliche Bedeutung und kann im Einzelfall - wie dem der Antragstellerin - ausschlaggebend für die Zulassung oder Nichtzulassung zum Laufbahnaufstieg sein.
27aa) Die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes unterliegt den folgenden Maßgaben:
28(1) § 27 Abs. 2 bis 6 SG legt auf formell-gesetzlicher Ebene wesentliche Strukturelemente der soldatischen Laufbahnen sowie Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Laufbahnen fest. § 27 Abs. 1 und § 93 Abs. 1 Nr. 2 SG ermächtigen die Bundesregierung, nach den Grundsätzen des § 27 Abs. 2 bis 6 SG nähere Vorschriften über die Laufbahnen der Soldaten durch Rechtsverordnung zu erlassen. Hierauf basierend sind die Voraussetzungen für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes in den §§ 43 ff. SLV, der hier gegenständliche Laufbahnaufstieg insbesondere in § 47 SLV, geregelt. Diese normativen Regelungen beruhen auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und stehen mit dieser in Einklang (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 32.20 - BVerwGE 171, 357 Rn. 17 ff. und vom - 1 WB 50.21 - juris Rn. 33). § 49 SLV schließlich ermächtigt das Bundesministerium der Verteidigung zu - dort näher bezeichneten - weitergehenden Regelungen durch Verwaltungsvorschriften.
29(2) Im Einzelnen ausgestaltet ist das Auswahlverfahren für die Laufbahnzulassung vor allem in Abschnitt 4.7.5 der Allgemeinen Regelung A-1340/49 über die "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung mil. Personals" (zuvor Kapitel 9 der entsprechenden ZDv A-1340/49), in der Zentralen Dienstvorschrift A-1340/75 über die "Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes" sowie in der diese weiter konkretisierenden Zentralvorschrift A1-1340/75-5000. Nr. 103 ZV A1-1340/75-5000 verweist für die Auswahl durch das Bundesamt für das Personalmanagement insbesondere auf die bundeswehrgemeinsamen "Bedarfsträgerforderungen für militärische Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren" (Zentrale Dienstvorschrift A-1340/78), in denen Kriterien und Anforderungen auch für den hier gegenständlichen Aufstieg von Feldwebeln in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes aufgeführt sind. Gemäß Nr. 203 ZV A1-1340/75-5000 werden schließlich die aktuellen Zulassungsvoraussetzungen für die jeweilige Auswahlkonferenz nochmals in Form von "Gemeinsamen Arbeitshilfen und Informationen für die Personalbearbeitung" (GAIP), im vorliegenden Fall für das Auswahljahr 2023, bekanntgegeben.
30(3) In Konkretisierung des Ziels, die nach Eignung, Befähigung und Leistung am besten geeigneten Bewerber für die in Rede stehende Laufbahn auszuwählen und zur Zulassung vorzuschlagen, wird, soweit die Anzahl der geeigneten Bewerber den Bedarf übersteigt, gemäß Nr. 304 ZV A1-1340/75-5000 eine "Vorsortierung" als Grundlage der Betrachtung gebildet. Als quantifizierbare Kriterien zur Erstellung der Vorsortierung werden die letzte Beurteilung, die Potenzialfeststellung, die vorletzte Beurteilung und die Laufbahnbeurteilung der Bewerber herangezogen (Nr. 305 ZV A1-1340/75-5000). Anhand von Eignungs- und Leistungskriterien werden Punkte vergeben, nach denen sog. Punktsummenwerte der Bewerber ermittelt werden und eine Reihung gebildet wird. Entscheidend sind dabei der jeweilige Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung und die Entwicklungsprognose in den beiden genannten (planmäßigen) Beurteilungen, der Empfehlungsgrad aus der Laufbahnbeurteilung und die Indexpunkte (Gesamtindex) aus der Potenzialfeststellung. Die Gewichtung dieser Kriterien ist in den Anlagen 4.1 und 4.2 der Zentralvorschrift im Einzelnen dargestellt.
31Wie sich aus der vorgelegten Anlage 12 zur GAIP für das Auswahljahr 2023 ergibt, ist das geschilderte Verfahren der Vorsortierung auch nach dem Übergang auf das zum in Kraft getretene neue Beurteilungssystem für die Soldatinnen und Soldaten (Allgemeine Regelung A-1340/50) in seiner wesentlichen Struktur erhalten geblieben. Soweit zunächst bei den aktuellen und später dann auch bei den vorletzten Beurteilungen das neue Beurteilungssystem zum Tragen kommt, treten - mit gewissen Abweichungen in der Gewichtung - dessen Kriterien der Leistungsbewertung (Gesamturteil) und der prospektiven Eignungs- und Befähigungseinschätzung (Personalentwicklungsbewertung) an die Stelle der bisherigen Kriterien. Unberührt geblieben - allerdings mit einer Minderung der Gewichtung von bisher 25 % auf nunmehr 20 % - ist das hier strittige Auswahlkriterium der Potenzialfeststellung.
32(4) Für alle Auswahlkriterien sind schließlich Mindestanforderungen festgelegt, die bei jedem einzelnen Kriterium übertroffen werden müssen. Erreicht ein Bewerber dieses Mindestniveau (z. B. Gesamturteil in der Regelbeurteilung "mindestens C-") auch bei nur einem einzigen Auswahlkriterium nicht, so kommt er für eine positive Auswahl nicht in Betracht. Die Mindestanforderungen beruhen im Kern auf den bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen und sind für den Aufstieg von Feldwebeln in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in Anlage 4.5 zur Zentralen Dienstvorschrift A-1340/78 zusammengefasst.
33Für die Potenzialfeststellung ist dort ein Gesamtindex von "gleich oder besser <d. h. niedriger> als 48" gefordert. Die Bedarfsträgerforderungen übernehmen so die Aussagen der fachlich-methodischen Bestimmungen für die Potenzialfeststellung, die das Potenzial für den Laufbahnaufstieg als gegeben erachten, wenn der Gesamtindex in dem Wertebereich von "16 bis 48" liegt (Nr. 225 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000). Ein entsprechender Hinweis, dass bei einem Index von "48 bis 16" das Potenzial nicht nur für die Übernahme als Berufssoldat in der Feldwebellaufbahn, sondern weitergehend auch für den Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes besteht, findet sich auch auf dem Vordruck des dem Soldaten ausgehändigten Ergebnisnachweises. Der Grenzwert von "48" ergibt sich nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidigung aus der Forderung, dass die Testperson über die getesteten Eignungsmerkmale hinweg im Durchschnitt mindestens die Note "3" erzielt haben muss, wobei sich der Wert von "48" daraus ergibt, dass bei der Berechnung des Gesamtindexes die gerundeten Werte mit dem Faktor 16 multipliziert werden (Nr. 223 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000). Die Note "3" bedeutet in der verbalen Beschreibung "gut durchschnittlich" auf der siebenstufigen Skala von "1" bis "7" (siehe oben II.2.a).
34bb) In Anwendung dieser Maßgaben war für die Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin ihr vergleichsweise schlechtes Abschneiden bei der Potenzialfeststellung entscheidend.
35In dem für die Antragstellerin einschlägigen Werdegang ... standen im Auswahljahr 2023 nach dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren für bis zu 16 Bewerber die Möglichkeit der Laufbahnzulassung zur Verfügung. Tatsächlich ausgewählt wurden ausweislich der vorgelegten Auswahlliste 15 Bewerber bei einer Gesamtzahl von 67 Bewerbungen (Anträge und Vorschläge). Die 15 für die Laufbahnzulassung ausgewählten Bewerber zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils bei allen fünf Auswahlkriterien die festgelegten Mindestanforderungen erfüllten (Gesamturteil aktuelle planmäßige Beurteilung "besser oder gleich C-", Eignungsaussage Personalentwicklungsbewertung "geeignet", Potenzialaussage Personalentwicklungsbewertung "A 9 MZ", Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung vorletzte planmäßige Beurteilung "besser oder gleich 7,36" nach dem früheren Beurteilungssystem, Potenzialfeststellung "gleich oder besser als 48"). Die übrigen 52 Bewerber erfüllten bei einem oder mehreren Auswahlkriterien nicht die jeweilige Mindestanforderung. Hierzu zählt auch die Antragstellerin, deren Gesamtindex in der Potenzialfeststellung "52" und damit mehr als die geforderten "gleich oder niedriger als 48" betrug.
36Für alle 67 Bewerber sind in der vorliegenden Auswahlliste sämtliche Bewertungen zu den einzelnen Auswahlkriterien sowie der sich nach der Vorsortierung ergebende Punktsummenwert angegeben. Danach war die Antragstellerin mit einem Punktsummenwert von "985,50" die beste unter den abgelehnten Bewerbern (Rangplatz 16). Ohne das Erfordernis, bei allen fünf Auswahlkriterien die festgelegten Mindestanforderungen zu erfüllen, wäre die Antragstellerin in der Reihung der Bewerber allein nach dem Punktsummenwert auf den Rangplatz 5 gelangt. Mit diesem Rangplatz in der Vorsortierung wäre sie nach dem Grundsatz der Bestenauslese aller Voraussicht nach für den Laufbahnaufstieg ausgewählt worden. Ebenso wäre die Antragstellerin - vorbehaltlich einer Überprüfung ihrer gesundheitlichen Eignung - zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes auch dann zugelassen worden, wenn bei allen Bewerbern die Ergebnisse der Potenzialfeststellung ganz außer Betracht geblieben wären und das Auswahlverfahren allein auf der Grundlage der sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Bewertungen durchgeführt worden wäre. Denn auf der Auswahlliste für das Jahr 2023 gab es nur sieben Bewerber, die wie die Antragstellerin aktuell mit "A+" bewertet worden sind und die Antragstellerin belegte mit der Bewertung "8,25" unter ihnen den mittleren Platz.
37c) Dem derzeit allein auf Verwaltungsvorschriften beruhenden Verfahren der Potenzialfeststellung für Unteroffiziere fehlt, soweit seine Ergebnisse unmittelbar mitentscheidende Bedeutung für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes haben, die nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts erforderliche normative Grundlage. Die Bewerbung der Antragstellerin durfte deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie über kein ausreichendes Ergebnis bei der Potenzialfeststellung verfüge.
38aa) Regelungen, die in das grundrechtsgleiche Recht der Soldaten auf ein dienstliches Fortkommen nach Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) eingreifen oder die dieses Recht maßgeblich ausgestalten, unterliegen dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (vgl. zum gesamten Folgenden zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 36 ff. und - 1 WB 64.22 - BVerwGE 180, 140 Rn. 32 ff.).
39Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Entscheidung einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes ab. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Als wesentlich sind also Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen (vgl. u. a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 m. w. N.).
40Diese Maßgaben gelten auch für das grundrechtsgleiche Recht des Art. 33 Abs. 2 GG, das jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet, und für den daraus abgeleiteten Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese (vgl. 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 55). Einer normativen Grundlage bedarf es danach stets, wenn der durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Leistungsgrundsatz eingeschränkt wird (vgl. 1 WB 48.10 - BVerwGE 140, 342 Rn. 30 m. w. N.). Losgelöst von dem Merkmal des Eingriffs unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes aber auch die Ausgestaltung eines Rechtsbereichs, der materiell-rechtlich wesentlich von dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG geprägt ist (vgl. 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 38 m. w. N.).
41Hat der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Vorgaben selbst geregelt, kann er die nähere Ausgestaltung in einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmten Ermächtigungsnorm gemäß Art. 80 Abs. 1 GG dem Verordnungsgeber überlassen. Innerhalb dieser Vorgaben darf die Verwaltung die weiteren Einzelheiten durch Verwaltungsvorschriften regeln (vgl. 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 18). Verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Gesetzgeber allerdings nicht, wenn er auf jegliche eigene Regelung verzichtet und die Ausgestaltung in Form von Verwaltungsvorschriften allein der Exekutive überlässt (vgl. 2 B 63.20 - juris Rn. 23).
42Nach diesen Maßstäben hat der Senat zuletzt mehrfach ausgesprochen, dass für Instrumente und Modelle, mittels derer in der Bundeswehr über das dienstliche Fortkommen der Soldatinnen und Soldaten nach dem Leistungsprinzip entschieden wird, keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden normativen Grundlagen bestehen. Dies betraf insbesondere das gesamte Feld der dienstlichen Beurteilungen, die die maßgebliche Grundlage in allen Auswahlverfahren und für alle Maßnahmen der Personalentwicklung bilden (vgl. 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 41 ff.). Das Fehlen einer hinreichenden normativen Grundlage wurde ferner für das mit dem neuen Beurteilungssystem zum eingeführte Instrument der Personalentwicklungsbewertung beanstandet (vgl. 1 WB 64.22 - BVerwGE 180, 140 Rn. 38 ff.). Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldatinnen und Soldaten aus der Bundeswehr sowie zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I Nr. 392) hat der Gesetzgeber in § 27a Abs. 1 SG eine Rechtsgrundlage für dienstliche Beurteilungen und in § 27a Abs. 3 SG für die Personalentwicklungsbewertung geschaffen. Dabei dient die in § 27a Abs. 1 Nr. 2 SG vorgesehene Anlassbeurteilung traditionell und die in § 27a Abs. 3 SG vorgesehene Personalentwicklungsbewertung nach dem Normtext speziell als Personalauswahlinstrument zur Einschätzung der "Eignung für Status- und Laufbahnwechsel".
43bb) In gleicher Weise wie die vorgenannten Instrumente unterfällt auch die Potenzialfeststellung für Unteroffiziere dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, weil sie - wie etwa die Regelbeurteilung oder die Personalentwicklungsbewertung - ein Instrument der Personalsteuerung darstellt, mit dem über das grundrechtsgleiche Recht der Soldaten auf ein angemessenes dienstliches Fortkommen entschieden wird.
44(1) Das Ergebnis der Potenzialfeststellung (Gesamtindex) hat wesentlichen Einfluss auf die Auswahl für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes nach dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Unabhängig davon, ob der Gesamtindex - wie früher - mit einer Gewichtung von 25 % oder mit der derzeitigen Gewichtung von rund 20 % in die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende Reihung der Bewerber (Vorsortierliste) eingeht, beeinflusst er damit unmittelbar die Chancen auf Laufbahnzulassung. Zwar unterliegt die Vorsortierung noch einer "ganzheitlichen Betrachtung" (Nr. 306 ZV A1-1340/75-5000). Nach Kenntnis des Senats aus zahlreichen Verfahren über die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes folgt die Auswahl jedoch typischerweise und weitestgehend der Reihung der Vorsortierliste. Abweichungen erfolgen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen. Die Beeinflussung der Auswahlchancen ist auch nicht bloß unerheblich; denn nach der mit rund 40 % gewichteten Wertung der aktuellen Regelbeurteilung (Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung oder Gesamturteil) ist das Ergebnis der Potenzialfeststellung das Kriterium mit der zweithöchsten Gewichtung unter den fünf herangezogenen Auswahlkriterien.
45Die Beeinflussung der Chancen für das dienstliche Fortkommen wird anschaulich illustriert durch die Auswahlliste für das hier strittige Auswahlverfahren 2023. Der jeweilige Gesamtindex der dortigen Bewerber weist eine erhebliche Spreizung zwischen "24" (bester Wert) und "71" (schlechtester Wert) auf. Ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der Potenzialfeststellung würde sich die Reihung der Bewerber nach dem Punktsummenwert in nahezu allen Positionen mehr oder weniger weitgehend verändern. Je nachdem, wie groß der Bedarf des Dienstherrn im Auswahljahr ist und wie viele Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet sind, können auch nur geringfügige Verschiebungen in der Platzierung für die Auswahl entscheidend sein. Zu wesentlichen Veränderungen würde es - umgekehrt - auch führen, wenn die Ergebnisse der Potenzialfeststellung uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf die Mindestanforderung eines Gesamtindexes von "gleich oder besser als 48", bei der Reihung berücksichtigt würden. Dann würden außer der Antragstellerin auch die - nicht ausgewählten - Bewerber auf den Rangplätzen 18 bis 20, die ebenfalls sehr hohe Punktsummenwerte aufweisen, aber an der Hürde der Mindestanforderung gescheitert waren, mit besten Erfolgschancen in die vorderen Ränge der Vorsortierliste aufrücken.
46(2) Die mitentscheidende Rolle, die die Potentialfeststellung im Auswahlverfahren für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes spielt, unterscheidet sich von den Konstellationen, in denen das Bundesverfassungsgericht (vgl. - BVerfGE 141, 56 Rn. 58 f.; Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 764/11 - NVwZ 2011, 1191 Rn. 11 f. und vom - 2 BvR 1120/12 - NVwZ 2013, 573 <574 f.>; alle zu dienstlichen Beurteilungen von Bewerbern in unterschiedlichen Statusämtern) und das Bundesverwaltungsgericht für das - insoweit vergleichbare - Beamtenrecht eine "ergänzende" Heranziehung "weiterer Hilfsmittel neben der dienstlichen Beurteilung" auch ohne bestehende normative Grundlagen für zulässig erachtet haben.
47Es handelt sich dabei durchweg um Fälle, in denen zwei oder mehrere Bewerber über formal gleichwertige dienstliche Beurteilungen verfügten und sich ein Vorsprung eines Bewerbers auch nach vollständiger inhaltlicher Auswertung der (aktuellen und ggf. zurückliegenden) Beurteilungen nicht feststellen ließ. So hielt es zuletzt der für das Beamtenrecht zuständige 2. Senat des 2 VR 1.24 - Rn. 32 f.) im Ergebnis für zulässig, dass bei der Entscheidung über die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens beim Bundesnachrichtendienst unter den verbliebenen Bewerbern ein Assessmentverfahren durchgeführt wurde, nachdem zuvor in fünf stetig verfeinerten Durchgängen die dienstlichen Beurteilungen ausgewertet und verglichen worden waren und sich dabei nach dem Grundsatz der Bestenauslese kein Bewerber gegenüber den anderen durchsetzen konnte. Von diesen Konstellationen, in denen weitere Hilfsmittel erst nach vollständiger Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen im "Stichentscheid" herangezogen werden, unterscheidet sich die Potenzialfeststellung grundlegend dadurch, dass ihre Ergebnisse schon zu Beginn des Auswahlverfahrens in der ersten Abschichtung und Reihung des Bewerberfelds - selbstständig neben den gesetzlich geregelten dienstlichen Beurteilungen und Personalentwicklungsbewertungen - zum Tragen kommen.
48cc) Die damit auch für die Potenzialfeststellung erforderliche normative Grundlage ist derzeit nicht gegeben. Die geltenden Verwaltungsvorschriften bilden keine hinreichende Grundlage dafür, das Ergebnis einer Potenzialfeststellung als unmittelbar mitentscheidendes Auswahlkriterium bei der Zulassung für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes heranzuziehen. Soweit der Senat bisher eine Regelung durch Verwaltungsvorschriften für ausreichend erachtet hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 38.10 - juris Rn. 40, vom - 1 WB 48.17 - juris Rn. 29 und vom - 1 WB 58.19 - juris Rn. 33), hält er daran nicht mehr fest.
49(1) Auf der Ebene des formellen (Parlaments-)Gesetzes fehlt es an einer - nunmehr in § 27a SG für die dienstliche Beurteilung und die Personalentwicklungsbewertung enthaltenen - Regelung, die das Instrument der Potenzialfeststellung (oder allgemein: ein Instrument der psychologischen Eignungsdiagnostik) für den Einsatz in Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Bestenauslese vorsieht. Eine entsprechende Bestimmung findet sich auch nicht in den gesetzlichen Regelungen über die Laufbahnen der Soldaten (§ 27 SG), etwa in § 27 Abs. 5 SG im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für den Aufstieg aus den Laufbahnen der Unteroffiziere in die Laufbahnen der Offiziere.
50Die Verordnungsermächtigung des § 27 Abs. 1 SG, wonach Vorschriften über die Laufbahnen der Soldaten nach den Grundsätzen der Absätze 2 bis 6 durch Rechtsverordnung erlassen werden, ist ebenfalls ungeeignet für die Einführung der Potenzialfeststellung. Da sich den "Grundsätzen der Absätze 2 bis 6" keine einschlägigen Leitlinien entnehmen lassen, genügt § 27 Abs. 1 SG für sich genommen nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG an eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Ermächtigung des Verordnungsgebers, um das Spektrum der Auswahlinstrumente - über die dienstlichen Beurteilungen und die Personalentwicklungsbewertung hinaus - zu erweitern. Unabhängig davon sieht derzeit auch die Soldatenlaufbahnverordnung, weder in ihrem allgemeinen Teil (Kapitel 1) noch in ihrem Unterabschnitt über den militärfachlichen Dienst (§§ 43 bis 47 SLV), den Einsatz der Potenzialfeststellung oder sonstiger Verfahren der psychologischen Eignungsdiagnostik vor.
51(2) Sofern das Verfahren der Potenzialfeststellung oder ein sonstiges Verfahren der psychologischen Eignungsdiagnostik weiterhin mit einer (mit-)entscheidenden Bedeutung bei der Auswahl für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes herangezogen werden soll, bedarf es deshalb einer normativen Grundlage. Soweit die erforderliche Regelung nicht unmittelbar auf gesetzlicher Ebene, insbesondere im Soldatengesetz, getroffen wird, muss eine gesetzliche Verordnungsermächtigung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung vorgeben. Durch formelles Gesetz sind - ähnlich etwa wie bei der Personalentwicklungsbewertung (§ 27a Abs. 3 SG) – zumindest die wesentlichen Elemente der Potenzialfeststellung zu regeln. Hierzu zählt die Einführung dieses Instruments (als solches), seine grundsätzliche Charakterisierung und Zweckrichtung sowie die Bezeichnung der Auswahlverfahren, für die es konzipiert ist. Mit diesen Leitlinien kann - nach dem Muster der §§ 27a und 27b SG sowie §§ 2 bis 3a SLV - zur näheren Ausgestaltung im Wege der Rechtsverordnung ermächtigt werden.
52(3) In ihrer bisherigen, allein auf Verwaltungsvorschriften beruhenden Form können die Ergebnisse der Potenzialfeststellung nur in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen sich nach vollständiger Ausschöpfung der gesetzlich verankerten Auswahlinstrumente (Regelbeurteilungen, Personalentwicklungsbewertungen) ein - für die Laufbahnzulassung erheblicher - Vorsprung eines Bewerbers gegenüber einem oder mehreren anderen Bewerbern nicht feststellen lässt und es deshalb zulässig ist, "ergänzende Hilfsmittel" für die Auswahlentscheidung heranzuziehen (siehe oben II.2.c.bb.<2>).
53dd) Im Übrigen ist das Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage jedoch auch nicht für eine Übergangszeit hinzunehmen.
54Der Mangel einer erforderlichen gesetzlichen Grundlage führt in der Regel zur Unbeachtlichkeit darauf gestützter Verwaltungsvorschriften. Eine Abweichung von der Unanwendbarkeitsfolge kommt vor allem in Betracht, wenn die Rechtsprechung in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit eines Handelns durch Verwaltungserlass ausgegangen ist und wenn durch die mangelnde Beachtung einer Verwaltungsvorschrift in einer Übergangszeit ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage (vgl. - BVerfGE 150, 345 Rn. 81 f.; 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> sowie Beschlüsse vom - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 35 und vom - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 44 ff.). Eine solche Konstellation ist hier indes nicht gegeben.
55Zwar ist der Senat bisher davon ausgegangen, dass Verwaltungsvorschriften eine ausreichende Grundlage für das Potenzialfeststellungsverfahren bilden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass durch die Änderung der Rechtsprechung und den Wegfall der Potenzialfeststellung bis zu einer gesetzlichen Regelung ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung weiter entfernt wäre als die bisherige Lage. Zum einen hat der Gesetzgeber mit der Anlassbeurteilung und Personalentwicklungsbewertung erst kürzlich ein Instrumentarium geschaffen und normativ verankert (§ 27a SG, § 3 SLV), das dazu dient, die Eignung des Soldaten (u. a.) für Laufbahnwechsel und zukünftige Verwendungen einzuschätzen, so dass andere oder zusätzliche Personalauswahlinstrumente ohne gesetzliche Grundlage nicht mehr als gleichwertige Kriterien herangezogen werden können. Zum anderen hat das Bundesamt für das Personalmanagement bereits in der Vergangenheit für den Auswahljahrgang 2019 von der Einbeziehung einer Potenzialfeststellung abgesehen, weil nicht für alle Bewerber hinreichend aktuelle Potenzialfeststellungen vorlagen (zum Erfordernis der Aktualität vgl. 1 WB 48.17 - juris Rn. 29 bis 32) und diese mangels ausreichender personeller Kapazitäten auch nicht nachträglich erstellt werden konnten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 8.19 - juris Rn. 27 und vom - 1 WB 58.19 - juris Rn. 33). Diese Modifikation des Verfahrens war rechtmäßig, weil die verbliebenen Auswahlkriterien aus der letzten und vorletzten dienstlichen Beurteilung sowie aus der Laufbahnbeurteilung zweifelsfrei einen aussagekräftigen und rechtlich bedenkenfreien Vergleich der Bewerber nach Eignung, Leistung und Befähigung ermöglichten. Das gilt auch für das hier gegenständliche Verfahren der Antragstellerin und für künftige Auswahljahrgänge bis zur Schaffung hinreichender gesetzlicher Grundlagen.
563. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:291024B1WB36.23.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-81168