Instanzenzug: LG Chemnitz Az: 1 KLs 800 Js 37638/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es ihn aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Teilfreispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
21. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit ihrer (mit Ausnahme einer Ortsbezeichnung) unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage neben dem zur Verurteilung gelangten Besitz von Betäubungsmitteln drei Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt, die er im Zeitraum vom 28. März bis zum begangen haben soll. Dabei soll er stets ein Krypto-Mobiltelefon der Marke EncroChat mit der Kennung „s. “ genutzt haben. Am soll der Angeklagte nach Hinweis des unter „o. “ aufgetretenen gesondert verfolgten Na. von der unbekannt gebliebenen Person „f. “ 50 g Kokain (Wirkstoffgehalt: mindestens 70 % KHC) erworben und erhalten haben. Am soll er bei dem Nutzer „f. “ den Kaufpreis für Kokain angefragt und ein Angebot über 42.000 Euro für 1 kg Kokain bester Qualität erhalten haben. Ferner soll er am bei dem gesondert verfolgten Na. 12 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt: mindestens 10 % THC) bestellt und spätestens am erhalten haben.
32. Das Landgericht hat nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen vermocht, dass es der Angeklagte war, welcher die drei Handelstaten begangen hat. Er hat die Taten bestritten und angegeben, zu keinem Zeitpunkt ein EncroChat-Handy besessen oder genutzt zu haben.
II.
4Die Revision hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft macht zu Recht geltend, dass die Beweiswürdigung (§ 261 StPO) des Landgerichts sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
51. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, muss das Revisionsgericht es grundsätzlich hinnehmen, wenn dieses Zweifel an dem Vorliegen eines den Angeklagten belastenden Sachverhalts nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (st. Rspr.; vgl. Rn. 11 mwN; vom – 5 StR 309/22 Rn. 8; vom – 5 StR 406/23 Rn. 17). Das Urteil muss aber stets erkennen lassen, dass das Tatgericht die Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2021, 116 Rn. 6 mwN).
62. Gemessen hieran ist die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung der für eine Zuordnung der EncroChat-Kennung „s. “ zum Angeklagten sprechenden Indizien rechtsfehlerhaft. Denn das Landgericht hat sich jedes Indiz lediglich einzeln vor Augen geführt und durch eine isolierte Abhandlung vorschnell entwertet (vgl. Rn. 15 mwN). Bedeutung erlangen Indizien aber gerade durch die Zusammenschau mit anderen Indizien und nicht nur bei gesonderter Betrachtung (vgl. Rn. 19; vom – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83).
7So hat es die Übereinstimmungen zwischen den Lebensverhältnissen des Angeklagten und dem Nutzer „s. “ wie die örtlichen Bezüge zu seinem Wohnort und die Anzahl der Kinder jeweils separat durch den Hinweis entkräftet, dass diese Umstände auf eine Vielzahl von Personen zuträfen. Die Mitteilung der seit 2006 auf den Angeklagten vergebenen Mobiltelefonnummer durch „s. “ an den Nutzer „o. “ sei auch dadurch erklärbar, dass eine unbestimmte Anzahl von Personen Zugriff auf dieses in den Werkstatträumen des Angeklagten frei zugängliche Mobiltelefon hatten. Dass „s. “ einem anderen EncroChat-Nutzer mitgeteilt hat, er habe in Kontakt zu einem „B. “ gestanden, weise für die Strafkammer „eher darauf hin“, dass es sich bei „s. “ nicht um einen S. (der Vorname des Angeklagten) oder „B. “ handele.
8Die Strafkammer hätte diese Indizien jedoch mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die erforderliche Gesamtwürdigung einstellen und in diesem Rahmen in ihrem Beweiswert würdigen müssen. Erst wenn die gebotene Gesamtschau kein eindeutiges Beweisergebnis erbracht hätte, wäre Raum für die Anwendung des – hier der Sache nach isoliert bemühten – Zweifelssatzes gewesen, der keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel ist (st. Rspr.; vgl. nur mwN). Das Landgericht ist dem nicht nachgekommen, denn es hat die Indizien lediglich aufgezählt, ohne sie gegeneinander zu wägen.
93. Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass die Beweiswürdigung auch bei der Auseinandersetzung mit einzelnen Indizien zum Teil Lücken aufweist. So hätte die Strafkammer erörtern müssen, ob die Mobiltelefonnummer des Angeklagten innerhalb der gewöhnlichen Werkstattzeiten an den Nutzer „o. “ weitergegeben wurde; eine Nutzung des Mobiltelefons durch einen Dritten läge außerhalb der Öffnungszeiten nicht nahe. Zudem hat das Landgericht zur Würdigung der Nachricht des „s. “, er habe Kontakt zu „B. “ gehabt, nicht erkennbar in den Blick genommen, dass der Angeklagte mit dem Zeugen F. befreundet ist, der sich häufig in der Werkstatt des Angeklagten aufhielt. Insgesamt wäre damit die Frage in den Blick zu nehmen gewesen, wie wahrscheinlich es ist, dass noch weitere Menschen existieren, die so wie der Angeklagte die von der Strafkammer angeführten Bezüge in ihrer Person vereinen.
104. Der Freispruch beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Gericke Mosbacher Köhler
von Häfen Werner
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181124U5STR348.24.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-81145