Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - Rechtsprechung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes - Gerichtsbescheid - ordnungsgemäße Zustellung - fehlende Beglaubigung der zugestellten Abschrift - Heilung durch tatsächlichen Zugang beim Zustellungsempfänger - Verfahrensmangel - Urteil - fehlender Verkündungsvermerk auf der zugestellten Abschrift
Gesetze: § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 105 Abs 1 S 3 SGG, § 134 Abs 3 SGG, § 135 SGG, § 63 Abs 2 S 1 SGG, § 169 Abs 2 ZPO, § 169 Abs 3 ZPO, § 189 ZPO
Instanzenzug: Az: S 8 AS 180/23 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 9 AS 2963/23 Urteil
Gründe
1 Der Kläger hat mit einem von ihm selbst unterzeichneten und am eingegangenen Schreiben vom selben Tag gegen die oben bezeichnete Entscheidung des LSG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
2 Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall.
3 Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der genannten Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
4 Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten ersichtlich. Die jedenfalls sinngemäße Behauptung des Klägers, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; zB - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; - SozR 4-1500 § 96 Nr 12 RdNr 8).
5 Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, die Berufung des Klägers sei nicht fristgerecht eingelegt worden und daher zu verwerfen, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Folgen des Fehlens der Beglaubigung (§§ 135, 105 Abs 1 Satz 3, § 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 169 Abs 2, 3 ZPO) der dem Kläger zugestellten Abschrift des . Zwar hat das BSG diese Frage noch nicht tragend entschieden, doch kann auch die Rechtsprechung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes die Klärungsbedürftigkeit ausschließen. Dies ist hier der Fall, denn nach der Rechtsprechung des BGH führt die Übersendung einer solchen nicht beglaubigten Abschrift zur Unwirksamkeit der Zustellung, jedoch wird dieser Mangel grundsätzlich nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang beim Zustellungsempfänger geheilt ( - juris RdNr 26 ff; vgl auch - BGHZ 208, 255). Dem hat sich das BSG, wenn auch nicht tragend, angeschlossen ( BH - juris RdNr 10).
6 Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen.
7 Ebenfalls ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).
8 Dies gilt zunächst für die vom Kläger gerügten Mängel der Zustellung des Gerichtsbescheids des SG sowie der ihm zugestellten Abschrift der Entscheidung des LSG. Grundsätzlich kann die Nichtzulassungsbeschwerde nur auf Verfahrensmängel im unmittelbar vorangehenden Rechtszug gestützt werden. Ein Verfahrensmangel des SG kann die Zulassung der Revision nur ausnahmsweise rechtfertigen, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel der Entscheidung des LSG anzusehen ist (stRspr; zB - juris RdNr 18 mwN). Ein fortwirkender Mangel liegt nicht im Fehlen der Beglaubigung (§§ 135, 105 Abs 1 Satz 3, § 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 169 Abs 2, 3 ZPO) der dem Kläger zugestellten Abschrift des Gerichtsbescheids des SG. Zwar führt die Übersendung einer solchen nicht beglaubigten Abschrift zur Unwirksamkeit der Zustellung, doch wird dieser Mangel - wie dargelegt - nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang an den Zustellungsempfänger geheilt (vgl BH - juris RdNr 10; - BGHZ 208, 255; - juris RdNr 26 ff). Gleiches gilt für die angegriffene Entscheidung des LSG.
9 Zur Zulassung der Revision führende Verfahrensfehler des LSG sind auch im Hinblick auf den Verkündungsvermerk (§ 134 Abs 3 SGG), dessen Fehlen der Kläger rügt, nicht zu erkennen. Das Fehlen dieses Vermerks auf der zugestellten Abschrift des Urteils stellt von vornherein keinen für das Rechtsmittelverfahren relevanten Verfahrensfehler dar ( - BGHZ 8, 303; - juris RdNr 3; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 134 RdNr 7).
10 Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:010824BB4AS3724BH0
Fundstelle(n):
HAAAJ-81015