Instanzenzug: Az: 325 KLs 7/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten des Besitzes „eines verbotenen Gegenstandes (Butterflymessers)“ schuldig gesprochen, verwarnt und seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 110 € vorbehalten. Es hat ihn von dem Vorwurf freigesprochen, in 1.041 tateinheitlich verwirklichten Fällen mit Betäubungsmitteln oder Cannabis Handel getrieben zu haben. Die auf den Teilfreispruch und den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erhebt eine Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das im Umfang der Sachrüge vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
2Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten neben dem abgeurteilten, nach den Feststellungen am begangenen Waffendelikt folgendes zur Last:
3Der Angeklagte habe in den Jahren von 2017 bis 2019 gemeinsam mit mindestens einem weiteren Beteiligten auf verschiedenen Marktplätzen des Darknet zwei Verkaufsplattformen, sog. Vendoren, betrieben, über die sie entsprechend dem gemeinsamen Tatplan Kokain, Marihuana, Haschisch, Amphetamin, MDMA und Ecstasy angeboten und gegen Bitcoins verkauft hätten. Der Angeklagte habe die Bestellungen verwaltet und zusammen mit einem engen Freund, dem gesondert verurteilten M. , für den Versand vorbereitet. Nach der Transaktion des vereinbarten Betrags in Bitcoins an einen Treuhänder seien die Drogen per Post an die Abnehmer versandt worden. Die angebotenen Ecstasy-Tabletten habe der Angeklagte zumindest teilweise selbst gemeinsam mit M. unter Verwendung von zwei Tablettiermaschinen hergestellt. M. habe hierzu am auf dem Gelände des K. Großmarkts einen Kellerraum angemietet, in dem die Drogen gelagert, die Ecstasy-Tabletten hergestellt und Versandutensilien bereitgehalten worden seien.
II.
4Die Strafkammer hat sich unter Würdigung verschiedener be- und entlastender Indizien nicht die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte sich täterschaftlich oder als Gehilfe am Betrieb der Vendoren beteiligte oder in anderer Weise in den Handel mit den Drogen eingebunden war.
5Sie hat dabei neben anderen Umständen auch die sichergestellte Kommunikation M. mit dem Angeklagten sowie mit einem Betreiber einer anderen Plattform zum Verkauf von Drogen im Zeitraum eines Umtauschs von Bitcoins in Bargeld in der Zeit vom 7. bis in den Blick genommen und gewürdigt, dass M. unmittelbar vor der von ihm vorhergesehenen Durchsuchung seiner Wohnung am Abend des mehrere Minuten mit dem Angeklagten telefonierte.
6Soweit für das Rechtsmittel von Interesse, ist das Landgericht zudem in Bezug auf den Teilfreispruch zu folgenden Feststellungen und Wertungen gelangt:
7Über die beiden Verkaufsplattformen wurden bis zum die in der Anklage zugrunde gelegten Drogenmengen gegen Bezahlung in Bitcoins verkauft. M. , ein langjährig enger Freund des Angeklagten, kannte die Betreiber der Vendoren persönlich und unterstützte ihren Handel spätestens seit dem durch unterschiedliche Tätigkeiten. Neben Tätigkeiten beim Versand der Drogen und beim Umtausch der Bitcoins in Bargeld mietete er zum einen unmöblierten Kellerraum auf dem Gelände des K. Großmarkts. Den leeren Raum richtete er mit einer Couch, einem Kühlschrank, einer Mikrowelle, Regalen und zwei Tischen ein. Er bewahrte Schlüssel zu dem Raum in seiner Wohnung auf und händigte weitere den Betreibern der Vendoren aus. In dem Raum wurden die Drogen gelagert, die Ecstasy-Tabletten mit zwei Tablettiermaschinen hergestellt und Versandutensilien bereitgehalten. M. selbst hielt sich mehrfach dort auf. Aus Zahl, Art und Umständen der Auffindung von DNA-Spuren des Angeklagten an einem Getränkebecher mit Trinkhalm, einer Flasche und einer Getränkedose hat sich die Strafkammer die Überzeugung verschafft, dass auch der Angeklagte sich zu einem Zeitpunkt zwischen der Anmietung und der polizeilichen Durchsuchung des Kellerraums am dort aufhielt. Sie hat indes nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte aus einem anderen Grund als zur Produktion der Ecstasy-Tabletten oder einer anderen Einbindung in den Handel mit den Drogen dort war.
III.
8Die Aufklärungsrüge, mit der die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Landgericht von einer weiteren Beweiserhebung zu einer DNA-Mischspur an einem Einweghandschuh aus dem Kellerraum abgesehen hat, ist unzulässig, da die Revision ein zu erwartendes Beweisergebnis weder konkret bezeichnet noch bestimmt behauptet. Ohnedies bliebe sie aus den vom Generalbundesanwalt mitgeteilten Gründen auch in der Sache ohne Erfolg.
IV.
9Auch der Sachrüge bleibt sowohl hinsichtlich ihres Angriffs gegen den Teilfreispruch (1.) als auch gegen den Strafausspruch im Verurteilungsfall (2.) der Erfolg versagt.
101. Der Teilfreispruch gründet auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
11a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. , NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 18). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa , Rn. 26 mwN).
12b) Die Beweiswürdigung, auf die das Landgericht den Teilfreispruch gestützt hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nach dem dargestellten Maßstab stand.
13aa) Die Würdigung der Spuren an Trinkhalm, Flasche und Dose lässt keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler erkennen.
14Auch eingedenk der Kenntnis des Angeklagten von früherer Verwicklung seines Freundes in kriminelle Geschäfte hat die Strafkammer aus dem Aufenthalt des Angeklagten in dem Kellerraum einen Schluss auf seine Einbindung in den Handel nicht ziehen wollen. Dass ihr dabei die Möglichkeit einer Beteiligung durch die Mithilfe an der Einrichtung des Kellers als Raum zur Lagerung von Drogen aus dem Blick geraten sein könnte, besorgt der Senat nicht.
15bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist sachlich-rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer aus der Mischspur an einem Einweghandschuh keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen hat. Dass er Urheber dieser Spur war, ist durch die Beweisaufnahme nicht erwiesen worden.
16cc) Dass die Strafkammer M. Aussage, der Angeklagte sei weder der Betreiber der Vendoren noch in anderer Weise in den Handel eingebunden gewesen, sondern (ausschließlich) einer legalen Tätigkeit nachgegangen, als solcher keine be-, sondern entlastende Bedeutung beigelegt hat, lässt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinen Rechtsfehler erkennen. Gleiches gilt für den Umstand, dass bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am keine Beweismittel gefunden wurden, wobei die Strafkammer in ihre Erwägungen aufgenommen hat, dass seit den Durchsuchungen des Kellerraums und der Wohnungen M. und des gesondert verurteilten weiteren Drogenhändlers A. bereits mehrere Monate verstrichen waren, die hätten genutzt werden können, um belastendes Material zu entfernen.
17dd) Soweit die Beschwerdeführerin aus den Umständen der Anbahnung des Bitcoin-Umtauschs in der Zeit vom 7. bis auf das Tauschinteresse noch einer weiteren Person neben M. selbst und A. und daraus wiederum auf den Angeklagten als den dritten Tauschinteressenten schließen will, unternimmt sie in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise den Versuch, ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
18ee) Nach dem Gesamtzusammenhang der Beweiswürdigung besorgt der Senat trotz für sich bedenklicher einzelner Formulierungen der Urteilsgründe auch nicht, die Strafkammer habe ihre Befugnis verkannt, solche Schlüsse auf eine strafbare Beteiligung des Angeklagten zu ziehen, die nicht zwingend oder sicher, sondern nur möglich gewesen wären.
19ff) Schließlich ist die Strafkammer im Zusammenhang der Gesamtschau der belastenden Indizien von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Sie hat nicht verkannt, dass voneinander unabhängige Indizien, anders als solche, die erst aufeinander aufbauen, die Wahrscheinlichkeit der Haupttatsache erhöhen. Dass sie sich aufgrund der mit den Indizien verknüpften Unsicherheiten und der von ihr gewürdigten entlastenden Umstände gleichwohl auch in der Gesamtschau nicht die Überzeugung von einer Beteiligung des Angeklagten verschafft hat, lässt einen diesen begünstigenden Rechtsfehler nicht erkennen.
202. Auch die Strafzumessung weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten nicht auf. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 29, 319, 320 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom – 1 StR 350/14, Rn. 14; und vom – 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368).
21Ausgehend von diesen Grundsätzen lassen weder die Strafrahmenwahl noch die konkrete Strafzumessung und die Entscheidung des Landgerichts, die Verurteilung zu der verwirkten Geldstrafe vorzubehalten und den Angeklagten lediglich zu verwarnen, einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erkennen.
V.
22Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft veranlasste umfassende Prüfung des Urteils (§ 301 StPO) hat ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler bei der Strafzumessung im verurteilenden Teil zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
Menges Meyberg Grube
Schmidt Zimmermann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:091024U2STR103.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-81010