Instanzenzug: LG Konstanz Az: 4 Ks 40 Js 6091/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe), wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen in acht Fällen (Fälle II. B. 2. bis II. B. 9. der Urteilsgründe), wegen Körperverletzung mit Todesfolge (Fall II. B. 10. der Urteilsgründe) und wegen vorsätzlich unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlich unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe in vier tateinheitlichen Fällen, mit vorsätzlich unerlaubtem Besitz von Munition und mit vorsätzlich unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (Fall II. B. 11. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Schuldspruch erweist sich in den Fällen II. B. 2. bis 8. der Urteilsgründe als durchgreifend rechtsfehlerhaft; insoweit ist der Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1 StPO aus Rechtsgründen freizusprechen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3Der verheiratete Angeklagte unterhielt ab Sommer 2021 eine Liebesbeziehung zum späteren Tatopfer M. . Beide bezogen nach einem „Verlöbnis“ im September 2021 ab Anfang des Jahres 2022 eine gemeinsame Wohnung in E. . Am schlug der Angeklagte M. anlässlich eines Beziehungsstreits mit der Faust ins Gesicht, wodurch diese Hämatome und eine Vorverlagerung eines Frontzahns erlitt (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe). Anschließend trennte sich M. von dem Angeklagten und dieser zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Da der Angeklagte die Trennung nicht akzeptierte und M. weiterhin kontrollieren wollte, fertigte er einen auf eine Länge von 3,28 Meter ausfahrbaren „Selfie-Stick“ an. An dessen Ende befestigte er sein Mobiltelefon und filmte mit diesem im Zeitraum vom bis zum zu sieben verschiedenen Gelegenheiten von außen durch das Fenster in das im 1. Obergeschoss gelegene Wohnzimmer von M. . Die Videoaufnahmen zeigten diese jeweils in bekleidetem Zustand auf dem Sofa sitzend und fernsehend oder in eine Decke eingehüllt schlafend (Fälle II. B. 2. bis 8. der Urteilsgründe). Am folgte der Angeklagte M. mittels eines heimlich an ihrem Fahrzeug angebrachten GPS-Trackers zur Wohnung ihres neuen Lebensgefährten in Me. . Auch dort filmte er mit dem „Selfie-Stick“ samt Mobiltelefon von außen in das Wohnzimmer. Die Videoaufnahmen zeigen den Lebensgefährten und M. beim Geschlechtsverkehr (Fall II. B. 9. der Urteilsgründe). Am Morgen des verletzte der Angeklagte M. im Rahmen eines Beziehungsstreits vorsätzlich, indem er sie würgte, drosselte oder ihr einen Schlag versetzte, und verursachte durch das Abschneiden der Luftzufuhr oder durch den Schlag und einen hierdurch bedingten Sturz für ihn vorhersehbar ihren Tod. Anschließend entsorgte er die Leiche an einem unbekannten Ort (Fall II. B. 10. der Urteilsgründe). Anlässlich einer nachfolgenden Durchsuchung seiner Wohnung und seines Fahrzeugs wurden beim Angeklagten eine halbautomatische Kurzwaffe, diverse Schusswaffen und (Kriegswaffen-)Munition sichergestellt, für deren Besitz er nicht über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügte (Fall II. B. 11. der Urteilsgründe).
42. a) Die Verfahrensrügen greifen aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts nach § 244 Abs. 3, Abs. 6 StPO wegen Zurückweisung des in der Hauptverhandlung am gestellten Hilfsbeweisantrags. Der Angeklagte macht geltend, dass das Landgericht diesen nicht in der Sache beschieden habe, sondern rechtsfehlerhaft von einem Beweisermittlungsantrag ausgegangen sei.
5aa) Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
6In der Hauptverhandlung am beantragte die Verteidigung des Angeklagten für den Fall, dass das Gericht beabsichtige, den Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts zu verurteilen, die Vernehmung der Zeugin Mü. zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte am ab 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr die Heizung seiner Ehefrau in deren Wohnung in K. reparierte. Zur Begründung gab die Verteidigung an, dass die Zeugin entsprechende Angaben bei der Polizei gemacht habe. Die Aussage werde belegen, dass der Angeklagte in der obengenannten Zeit nicht etwa die Leiche des Tatopfers entsorgt haben könne. Nach dem zu den Verfahrensakten genommenen und mit der Revisionsbegründung vorgelegten Vernehmungsprotokoll des Polizeipräsidiums Ko. vom hatte die Zeugin gegenüber den vernehmenden Polizeibeamten bekundet, dass sie eine gute Freundin der Ehefrau des Angeklagten sei und diese ihr wenige Tage vor dessen Festnahme am Telefon erzählt habe, dass der Angeklagte ihre Heizung repariert habe und diese nunmehr wieder funktionstüchtig sei. Die Strafkammer behandelte den Hilfsbeweisantrag in den Urteilsgründen mangels Vortrags zur sogenannten Konnexität als Beweisermittlungsantrag und wies ihn zurück. Die Verteidigung habe nicht dargelegt, warum die Zeugin Mü. überhaupt etwas zur Tätigkeit des Angeklagten im benannten Zeitraum sagen könne; insbesondere sei unklar, ob sie während der behaupteten Heizungsreparatur vor Ort gewesen sei.
7bb) Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Die Strafkammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Antrag vom um einen Beweisermittlungsantrag handelt. Der zugleich geltend gemachte Verstoß gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO liegt gleichfalls nicht vor.
8(a) Nach der Legaldefinition des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO, welche mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom (BGBl. I S. 2121) in das Gesetz eingefügt wurde, ist von einem förmlichen Beweisantrag auszugehen, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Die letztgenannte Angabe betrifft das von der Rechtsprechung entwickelte und ausgeformte Erfordernis der sogenannten Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache, welches der Gesetzgeber ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen wollte (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 33 f.; Rn. 19). Das Merkmal der Konnexität nach bisherigem wie nach neuem Recht fordert, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht, etwa wenn ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann. Nur dann, wenn ein solcher Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung sind dagegen nicht erforderlich (vgl. , BGHSt 66, 250 Rn. 20 ff. mwN).
9(b) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht mangels Darlegung der Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Angeklagte keinen förmlichen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gestellt hat. Der Antrag lässt erforderliche Ausführungen dazu vermissen, weshalb die Zeugin Mü. überhaupt bekunden können solle, dass der Angeklagte zur benannten Zeit an der Wohnanschrift seiner Ehefrau mit Reparaturarbeiten beschäftigt gewesen sei. Es bleibt offen, in welcher Beziehung die Zeugin zur Ehefrau des Angeklagten steht und ob sie am besagten Tag in der Wohnung der Ehefrau des Angeklagten – gar durchgehend – persönlich anwesend war, während dieser die Heizung reparierte, oder lediglich Zeugin vom Hörensagen ist.
10(c) Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der Senatsentscheidung vom – 1 StR 379/13 (Rn. 17) betreffend den Tatvorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie der Steuerhinterziehung (Lohnsteuer) im Zusammenhang mit der Beschäftigung von nicht gemeldeten Arbeitnehmern im Baugewerbe unter Verschleierung von Schwarzlohnzahlungen durch sogenannte Abdeckrechnungen diverser Firmen über angebliche Subunternehmerleistungen. Der Senat hielt dort zu einem Antrag auf Vernehmung von Zeugen zum Beweis der tatsächlichen Erbringung der fakturierten Subunternehmerleistungen weitergehenden Vortrag zur Eigenschaft der benannten Zeugen als Geschäftsführer oder Gesellschafter der betreffenden Subunternehmergesellschaften unter dem Gesichtspunkt der Konnexität allein deshalb für entbehrlich, weil sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nach dem Revisionsvorbringen „von selbst verstanden“ hatte. Denn die Revision machte im dortigen Verfahren geltend, aus den „vorgelegten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“ ergebe sich, dass es sich bei den benannten Zeugen um die Geschäftsführer oder Gesellschafter der Subunternehmer handele. Dies sei „nach Aktenlage offenkundig und damit den Verfahrensbeteiligten bekannt gewesen“. Diesem Vorbringen war die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsgegenerklärung nicht entgegengetreten. Angesichts dessen bestand aus Sicht der Verfahrensbeteiligten auch ohne weitere Erörterung ein nachvollziehbarer Grund für die Annahme, dass die benannten Geschäftsführer und Gesellschafter zu den Subunternehmertätigkeiten der von ihnen verantworteten Unternehmen Angaben würden machen können.
11Der Entscheidung kann damit nicht entnommen werden, dass der Vortrag zur Wahrnehmungskompetenz eines in einem Beweisantrag benannten Zeugen stets dann entbehrlich sei, wenn sich diese aus den Strafakten ergebe. Die obigen Ausführungen betrafen vielmehr lediglich einen Einzelfall, in dem weiterer Vortrag zur Konnexität ausnahmsweise entbehrlich war. Einen vergleichbaren Fall der „Offenkundigkeit“ der Wahrnehmungskompetenz der benannten Zeugin Mü. für alle Verfahrensbeteiligten legt die Revision hier schon nicht dar. Der bloße Umstand, dass sich in den Strafakten ein polizeiliches Protokoll ihrer Vernehmung befindet – welches obendrein zum Zeitrahmen der behaupteten Reparaturarbeiten des Angeklagten schweigt –, genügt hierfür nicht. Anderenfalls liefe das Konnexitätserfordernis weitgehend leer. Es behielte lediglich für diejenigen Fälle Bedeutung, in denen die Verteidigung oder die Staatsanwaltschaft einen Zeugen benennt, der im Ermittlungsverfahren noch nicht bekannt war und dessen Person daher nicht aktenkundig ist. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangt jedoch übergreifend ausdrücklich, dass „dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“. In der Begründung des Beweisantrags soll ein nachvollziehbarer Grund dafür anzugeben sein, weshalb mit dem bezeichneten Beweismittel die Beweisbehauptung nachgewiesen werden kann. Hiervon soll der Antragsteller nur dann befreit sein, „wenn sich dies [...] von selbst versteht“ (BT-Drucks. 19/14747, S. 33 f.). Auch dies spricht dafür, das nunmehr gesetzlich geregelte Konnexitätserfordernis nicht durch eine extensive Annahme von Ausnahmetatbeständen faktisch leerlaufen zu lassen.
12(d) Aus den genannten Gründen scheidet auch eine Aufklärungspflichtverletzung aus (§ 244 Abs. 2 StPO). Bei der Zeugin handelt es sich um eine Zeugin vom Hörensagen, die keine näheren Angaben zur Dauer der Heizungsreparatur durch den Angeklagten gemacht hat, sodass sich ihre Vernehmung der Strafkammer angesichts des im Übrigen gesicherten Beweisergebnisses nicht aufdrängen musste.
13b) Der Schuldspruch wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB in den Fällen II. B. 2. bis 8. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit ist der Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1 StPO aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
14aa) Gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Zwar stellte der Angeklagte in allen Fällen unbefugt Bildaufnahmen von der in ihrer Wohnung befindlichen M. her. Die Strafkammer hat aber übersehen, dass es in den vorgenannten Fällen an dem von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorausgesetzten Erfolg einer durch die Herstellung der Bildaufnahmen bewirkten „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person“ fehlt. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB dient dem Schutz des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen vor Eingriffen durch Bildaufnahmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 563/18 Rn. 6 und vom – 4 StR 328/14, BGHR StGB § 201a Abs. 1 Nr. 1 Bildaufnahmen 1 Rn. 6; BT-Drucks. 15/2466, S. 1, 4, 5). Nicht jede heimliche Aufnahme einer Person in ihrer Wohnung führt aber zugleich zu einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs.
15(a) Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ an den Begriff der „Intimsphäre“ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelehnt und erfasst vor allem, aber nicht nur, die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität. Die Intimsphäre umfasst grundsätzlich die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, beispielsweise Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben sowie Nacktaufnahmen. Zur Intimsphäre gehören z.B. auch die gynäkologische Untersuchung einer Frau, die Benutzung von Toiletten, Saunen, Solarien und Umkleidekabinen. Auch bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben können dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen sein, insbesondere solche Tatsachen aus dem Familienbereich, die die wechselseitigen persönlichen Bindungen, Beziehungen und Verhältnisse innerhalb der Familie betreffen, darum unbeteiligten Dritten nicht ohne weiteres zugänglich sind und Schutz vor dem Einblick Außenstehender verdienen (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5).
16(b) Hingegen bedürfen Situationen, die zwar der Privatsphäre zuzuordnen sind, aber ein neutrales Verhalten zeigen, des strafrechtlichen Schutzes typischerweise noch nicht; auch der bloße „freche Blick“ im Sinne eines primär die Gebote des Anstands verletzenden unbefugten Beobachtens beinhaltet regelmäßig noch keine strafwürdige Rechtsgutsverletzung (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 4). In der Folge bewirkt die Herstellung einer Bildaufnahme von „neutralen“ Handlungen wie dem Arbeiten, Kochen, Lesen, Fernsehen, Essen oder Schlafen in der Wohnung – wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – noch keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Opfers (vgl. Heuchemer in BeckOK-StGB, 62. Ed., § 201a Rn. 15; Graf in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 201a Rn. 71; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 201a Rn. 15; Kargl in NK-StGB, 6. Aufl., § 201a Rn. 61, 63; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 30. Aufl., § 201a Rn. 3; Altenhain in Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 201a Rn. 19; Valerius in LK-StGB, 13. Aufl., § 201a Rn. 94; a.A. Bosch in SSW-StGB, 6. Aufl., § 201a Rn. 17 [Regelvermutung für Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs bei allen Aufnahmen der Person in ihrer Wohnung]; ähnlich Fischer, StGB, 71. Aufl., § 201a Rn. 32).
17bb) Die Bildaufnahmen von M. in den Fällen II. B. 2. bis 8. der Urteilsgründe zeigen diese im bekleideten Zustand im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzend und fernsehend oder in eine Decke eingehüllt schlafend. Beim Fernsehen und Schlafen handelt es sich um „neutrale“ Handlungen, die die Intimsphäre von M. nicht tangieren. Ihr höchstpersönlicher Lebensbereich wird durch die Bildaufnahmen in diesen Fällen daher nicht verletzt.
18cc) Der Strafausspruch hat gleichwohl Bestand. Der Senat kann angesichts einer Einsatzstrafe von acht Jahren Freiheitsstrafe im Fall II. B. 10. der Urteilsgründe und weiterer Einzelstrafen von neun Monaten Freiheitsstrafe im Fall II. B. 11. der Urteilsgründe sowie Geldstrafen zu 100 Tagessätzen im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe und 60 Tagessätzen im Fall II. B. 9. der Urteilsgründe ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO analog), dass die Strafkammer bei Wegfall der Einzelstrafen von jeweils 30 Tagessätzen Geldstrafe in den Fällen II. B. 2. bis 8. der Urteilsgründe eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als acht Jahre und sechs Monate verhängt hätte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:011024B1STR299.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-80916