BGH Beschluss v. - V ZA 4/24

Instanzenzug: OLG Celle Az: 4 U 77/22vorgehend Az: 21 O 12/21

Gründe

I.

1    Die Klägerin ist eine GmbH und war Eigentümerin von zwei Grundstücken. Eines der Grundstücke war mit einer Grundschuld über 300.000 DM zugunsten der Beklagten und beide Grundstücke waren mit einer Gesamtgrundschuld über 350.000 € zugunsten einer Sparkasse belastet. Die Grundpfandrechte sicherten jeweils Forderungen der Grundschuldgläubigerinnen gegen eine andere GmbH (nachfolgend Insolvenzschuldnerin). Nachdem im August 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet worden war, nahmen die Sparkasse und die Beklagte die Klägerin aus den Grundschulden in Anspruch. Zur Vermeidung der Zwangsversteigerung veräußerte die Klägerin die Grundstücke im Februar 2017 an einen Dritten. Ein Teil des Veräußerungserlöses wurde über das Notaranderkonto in Höhe von 228.131,96 € an die Beklagte und in Höhe von 102.671,09 € an die Sparkasse ausgezahlt, wobei letztere aufgrund einer Treuhandabrede 100.000 € an die Beklagte weiterleitete. Im Februar 2020 schlossen die Beklagte und der Insolvenzverwalter eine sog. Vergleichsvereinbarung, in der sich die Beklagte u.a. zur Rücknahme ihrer Forderungsanmeldung sowie dazu verpflichtete, künftig keine weiteren Forderungsanmeldungen vorzunehmen.

2    Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der unterbliebenen Abtretung der vormals gesicherten Forderung mit einem Hauptantrag und mehreren Hilfsanträgen auf Schadensersatz in Höhe von 328.131,96 € in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

3    Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen, unter denen einer juristischen Person Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, nicht vorliegen.

4    1. Eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung erhält gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Durch dieses Erfordernis soll verhindert werden, dass mittellose Verbände eigene wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen. Es trägt den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen und rechtsfähigen Vereinigungen Rechnung, die eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung nur dann besitzen, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen. Der Anwendungsbereich des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO beschränkt sich daher auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können. Ein allgemeines Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in Mitleidenschaft gezogen würde, die Vereinigung gehindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhinge, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht. Diese Voraussetzungen können auch erfüllt sein, wenn eine erfolgreiche Rechtsverfolgung die Befriedigung einer Vielzahl von Kleingläubigern ermöglichen würde (vgl. Senat, Beschluss vom  - V ZA 10/20, juris Rn. 3 mwN; , ZInsO 2022, 143 Rn. 7 mwN).

5    2. Dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuwiderlaufen würde, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Klägerin nimmt keine Aufgaben im allgemeinen Interesse wahr. Sie ist nach den Angaben ihres Geschäftsführers in der dem Antrag auf Prozesskostenhilfe beigefügten eidesstattlichen Versicherung seit Jahren nicht mehr operativ tätig und beschäftigt keine Mitarbeiter mehr. Eine Vielzahl von Gläubigern ist nicht betroffen. Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin handelt es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um den einzigen Vermögenswert der GmbH.

6    3. Ob ein Grund für die angestrebte Zulassung der Revision möglich erscheint, ist nur im Rahmen der gemäß § 116 Satz 2, § 114 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO vorgeschriebenen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung von Bedeutung. Das in § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erwähnte „allgemeine Interesse“ tritt zusätzlich neben das Erfordernis der Erfolgsaussicht und hat daher eine darüber hinausgehende Bedeutung (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZA 10/20, juris Rn. 7 mwN).

Brückner                            Haberkamp                            Hamdorf

                  Malik                                      Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:071124BVZA4.24.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-80911