Instanzenzug: Az: 5 StR 401/24 Beschlussvorgehend LG Chemnitz Az: 6 KLs 880 Js 29039/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, wegen Betruges in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, mit der sie rügt, dass der Angeklagte in den versuchten Betrugsfällen nicht wegen vollendeten Betruges und insgesamt in den Betrugsfällen nicht wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges verurteilt worden ist. Darüber hinaus beanstandet sie in allgemeiner Form den Rechtsfolgenausspruch. Das Rechtsmittel hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Der Angeklagte erklärte sich zur Schaffung einer Einnahmequelle von einigem Umfang und Dauer gegenüber einem im Libanon aufhältigen Hintermann bereit, an dessen Betrugshandlungen zum Nachteil deutscher Unternehmen mitzuwirken. Der Hintermann gab sich nach Beschaffung entsprechender Daten gegenüber Mitarbeitern der kontoführenden Banken als Kontoverfügungsberechtigter aus und veranlasste die Bankmitarbeiter telefonisch unter einer Legende dazu, Eilüberweisungen zu Lasten der Geschäftskonten auf Konten angeblicher Geschäftspartner zu tätigen. Tatsächlich handelte es sich bei den Empfängerkonten um solche von Personen, die ein in Deutschland agierender Komplize des Hintermannes angeworben hatte, um ihre Konten gegen eine Provision für eingehende Überweisungen zur Verfügung zu stellen. Im Tatzeitraum übernahm diese Aufgabe der Angeklagte; er akquirierte – teilweise unter Einschaltung des nicht revidierenden Mitangeklagten oder weiterer Dritter – die Kontoinhaber, begleitete sie in einigen Fällen zu den Bankfilialen, nahm die Überweisungsbeträge entgegen und leitete sie – nach Einbehalt seiner eigenen Provision in Höhe von 10 % des jeweiligen Betrags – an den Hintermann im Libanon weiter.
4Im Zeitraum vom 30. Juli bis zum kam es in sieben Fällen zu Anrufen des Hintermannes bei Banken und entsprechenden Überweisungsaufträgen. In einem Fall (Fall 1.c der Urteilsgründe) wurde der Betrugsversuch erkannt, bevor die Überweisungen ausgeführt wurden, in einem weiteren Fall (Fall 1.d der Urteilsgründe) konnten die bereits getätigten Überweisungen „zurückgeholt“ werden, weil eine Mitarbeiterin des geschädigten Unternehmens das Konto online überwachte und ihr die unberechtigten Überweisungen aufgefallen waren.
5Hinsichtlich der letzten Betrugstat vom ging der Angeklagte davon aus, dass der Empfänger der Überweisungen ihm 9.500 Euro vorenthielt. Deshalb begab er sich am mit drei gesondert Verfolgten zu dem Empfänger, um diesen mit einer Schreckschusspistole und Messern zur Herausgabe des Geldes zu veranlassen. Als der Empfänger von den Angreifern umringt war, forderte ihn der Angeklagte zur Herausgabe des Geldes auf und hielt ihm ein Messer an die Kehle, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Als sich der Empfänger wehrte, stach ihm der Angeklagte mit der Messerspitze in die Brust, wobei der Angeklagte sowohl den Empfänger als auch sich selbst an der rechten Hand verletzte. Zwei der gesondert Verfolgten fügten dem Empfänger ebenfalls Stich- und Schnittverletzungen im Oberbauch und am Oberarm zu, die später mit zahlreichen Stichen genäht werden mussten. Als der Bruder des Empfängers diesem zur Hilfe kommen wollte, wurde auch er von einem der Angreifer mit dem Messer angegangen und erlitt Schnittverletzungen an der Stirn und an der Oberlippe, was der Angeklagte – wie auch sämtliche Verletzungen des Empfängers – billigend in Kauf genommen hatte. Als der Empfänger aufgrund der erlittenen Verletzungen reglos am Boden lag und sein Sohn dessen vermeintlichen Tod beklagte, verließen der Angeklagte und die gesondert Verfolgten den Tatort.
62. Das Landgericht ist in den Fällen 1.c und d der Urteilsgründe – ohne nähere rechtliche Ausführungen – davon ausgegangen, dass die Betrugstaten nur versucht worden seien. Eine bandenmäßige Begehung habe sich nicht feststellen lassen, weil unklar geblieben sei, ob der Angeklagte von weiteren durch den Hintermann rekrutierten Anwerbern Kenntnis hatte oder er nur von einer singulären Verbindung zu seinem Hintermann ausgegangen sei. Auch aus der Einbindung der Kontoinhaber, der sogenannten Finanzagenten, oder des nicht revidierenden Mitangeklagten lasse sich nicht auf eine bandenmäßige Begehungsweise schließen, weil die „Finanzagenten“ von vornherein für eine einmalige Einbindung vorgesehen gewesen seien und meist keine Kenntnis von dem deliktischen Hintergrund gehabt hätten. Letzteres gelte jedenfalls zu Beginn des Tatzeitraums auch für den Nichtrevidenten; aus seiner späteren Kenntnis des deliktischen Hintergrunds (jedenfalls im September 2021) lasse sich nicht auf eine Bandenabrede zwischen dem Hintermann, dem Angeklagten und dem Nichtrevidenten schließen.
II.
7Die wirksam auf den Schuldspruch in den Fällen 1.a bis g der Urteilsgründe und den Rechtsfolgenausspruch insgesamt beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
81. Es begegnet durchgreifenden revisionsgerichtlichen Bedenken, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall 1.d der Urteilsgründe nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt hat. Nach den Feststellungen wurden infolge des Anrufs des Hintermannes im Libanon mehrere Überweisungen von dem Konto des geschädigten Unternehmens durchgeführt, unter anderem auch zwei auf das Konto des von dem Angeklagten akquirierten Empfängers; diese konnten aber später „zurückgeholt“ werden. Angesichts dessen kommt in Betracht, dass die Überweisungsbeträge dem Konto des „Finanzagenten“ bereits gutgeschrieben worden waren, er darüber verfügen konnte und deshalb der Betrug bereits vollendet war (st. Rspr.; vgl. etwa , wistra 2016, 311 mwN). Dass das Landgericht dies nicht in den Blick genommen hat, stellt einen Erörterungsmangel dar, der insoweit zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigt.
92. Die weitergehenden Einwendungen der Staatsanwaltschaft gegen den Schuldspruch in den Fällen im Tatkomplex 1. der Urteilsgründe verfangen hingegen nicht:
10a) Im Fall 1.c der Urteilsgründe ist die Annahme des Landgerichts, der Betrug sei noch nicht vollendet gewesen, auf der Grundlage der Feststellungen, dass die Überweisungen durch die beauftragten Banken nicht ausgeführt wurden, nicht zu beanstanden. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist unbeschadet möglicherweise missverständlicher Ausführungen der Strafkammer in der Beweiswürdigung jedenfalls belegt, dass es zu einer Gutschrift der Überweisungsbeträge auf dem Empfängerkonto nicht gekommen ist. Damit war aber auch ein Schaden – und sei es nur in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung – (noch) nicht eingetreten (vgl. Rn. 27).
11b) Mit der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat die Revision der Staatsanwaltschaft weiter keinen Erfolg, soweit sie die Ablehnung bandenmäßigen Handelns des Angeklagten rügt. Nachdem das Landgericht der Einlassung des Angeklagten, er sei von dem bereits in die Straftaten involvierten Mitangeklagten angeworben worden, auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung nicht gefolgt ist, vielmehr die im Einklang mit weiteren Beweisergebnissen stehende Einlassung des Nichtrevidenten ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat, nach der dieser erst im Verlauf der Tatbegehung von dem deliktischen Hintergrund der Überweisungen erfahren habe, ist der Schluss der Strafkammer revisionsrechtlich unbedenklich, aus der Einbindung des Nichtrevidenten ergebe sich eine Bandenabrede nicht. Gleiches gilt für ihre Schlussfolgerung, die jeweils nur für einzelne Taten herangezogenen „Finanzagenten“ seien keine Bandenmitglieder gewesen. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung darauf abgestellt hat, der Hintermann habe eine „mafiöse Struktur“ aufgebaut, lässt sich daraus nicht ohne Weiteres schließen, dass der Angeklagte von einer solchen Struktur Kenntnis hatte; im Gegenteil haben die Ermittlungen nach den Angaben des Ermittlungsführers eine Kenntnis des Angeklagten von anderen für den Hintermann tätigen Anwerbern nicht erbracht.
12c) Soweit die Beschwerdeführerin meint, das Landgericht habe den Angeklagten auch wegen Geldwäsche verurteilen müssen, zeigt sie Rechtsfehler nicht auf. Der Strafaufhebungsgrund des § 261 Abs. 7 StGB greift zugunsten des Angeklagten, weil er an den Vortaten – den Betrugshandlungen – beteiligt war. Die Überweisungen auf die Konten der „Finanzagenten“ waren als die maßgeblichen Vermögensverfügungen Tathandlungen des Betruges und stellten deshalb kein Inverkehrbringen im Sinne von § 261 Abs. 7 StGB dar. Eine strafbare Selbstgeldwäsche, also eine Geldwäschehandlung mit Unrechtssteigerung (vgl. , BGHSt 63, 268 Rn. 11) lag auch nicht in den Weiterleitungen an den Hintermann, weil das Erlangen der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch einen Mittäter ohne zusätzliche Verschleierungshandlungen dafür regelmäßig nicht genügt (vgl. , NStZ 2024, 90, 91; MüKo-StGB/Neuheuser, 4. Aufl., § 261 Rn. 134). Dass die Weiterleitungen mit weiteren Verschleierungshandlungen verbunden waren, lässt sich den im Rahmen der Sachrüge allein maßgeblichen Urteilsgründen nicht entnehmen; eine Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft insoweit nicht erhoben. Hinzu kommt, dass die dafür von der Beschwerdeführerin benannten Handlungen – Überweisungen mittels Western Union und Moneygram – von der Anklageschrift nicht umfasst waren und sich auch aus dem Urteil nicht ergibt, dass der Angeklagte diese veranlasste.
133. Der Strafausspruch weist zugunsten des Angeklagten durchgreifende Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung führen. Darüberhinausgehende Rechtsmängel des Rechtsfolgenausspruchs sind hingegen nicht ersichtlich.
14a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, erweist sich die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft als rechtsfehlerhaft. Aufgrund der obligatorischen Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB ist sie für die Strafzumessung in aller Regel ohne Bedeutung (; vom – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31). Eine strafmildernde Berücksichtigung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Haftvollzugs hinzutreten oder eine gesteigerte Haftempfindlichkeit (; Urteil vom – 5 StR 104/24 Rn. 39). Ein solcher Fall ist hier nicht festgestellt; eine besondere Haftempfindlichkeit ergibt sich hier auch nicht aus den von der Strafkammer benannten „eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen“, denn solche sind weder belegt noch verstehen sie sich bei dem seit zehn Jahren in Deutschland lebenden Angeklagten, der mit seiner deutschen Lebensgefährtin zwei Kinder hat, von selbst. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt zudem darauf hingewiesen, dass sich aus den Feststellungen auch im Übrigen keine besonderen Beschwernisse der Untersuchungshaft ergeben.
15b) Die Annahme des vertypten Milderungsgrunds des § 46a StGB im Fall 2 der Urteilsgründe (versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen) ist hier schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte nur mit einem der Opfer in der Hauptverhandlung eine „Schlichtungsvereinbarung“ (Täter-Opfer-Ausgleich) getroffen hat; denn sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (, NStZ 2018, 276 mwN). Hinzu kommt, dass – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – auch im Hinblick auf den geschädigten Empfänger die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht nachvollziehbar dargelegt sind, weil sich das Urteil nicht dazu verhält, wie sich dieses Opfer zu der Zahlung durch den Angeklagten gestellt und ob er diese und die in der Hauptverhandlung abgegebene Entschuldigung als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert hat. Angesicht der erheblichen Verletzungen versteht sich dies mit Blick auf die vergleichsweise niedrige Zahlung auch nicht von selbst.
16c) Der Rechtsfolgenausspruch hält im Übrigen revisionsgerichtlicher Überprüfung stand; dies gilt insbesondere für die Einziehungsentscheidungen.
174. Auf den genannten Rechtsfehlern beruht das Urteil zugunsten des Angeklagten (§ 337 Abs. 1 StPO). Insoweit bedarf es auf die Revision der Staatsanwaltschaft mithin im tenorierten Umfang erneuter Verhandlung und Entscheidung. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
185. Über die umfassend eingelegte Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom entschieden.
196. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt Anlass zu folgendem Bemerken:
20Die Sachverhaltsschilderung muss das Geschehen enthalten, in dem das Tatgericht die Merkmale der Straftat als verwirklicht ansieht. Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Den gesetzlichen Anforderungen (§ 267 Abs. 1 Satz 2 StPO) an eine aus sich heraus verständliche Beweiswürdigung genügt es, klar und bestimmt die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts im Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen einer strukturierten, verstandesmäßig einsichtigen Darstellung hervorzuheben. Als Ergebnis einer wertenden Auswahl des Tatgerichts zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist das Beweisergebnis daher nur so weit zu erörtern, wie es für die Entscheidung (noch) von Bedeutung ist. Eine Dokumentation des Ermittlungsverfahrens und der Beweisaufnahme ist damit ebenso wenig angezeigt wie die umfangreiche Schilderung und Würdigung des Tatvor- und Nachgeschehens (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa Rn. 22 mwN).
Gericke Mosbacher Köhler
Resch von Häfen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:191124U5STR401.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-80661