Beihilfe zur räuberischen Erpressung
Leitsatz
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet auch bei einer bloßen Beihilfe zur räuberischen Erpressung die Höchstmaßnahme.
Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 2 VL 37/19 Urteil
Tatbestand
1Das disziplinargerichtliche Berufungsverfahren betrifft im Wesentlichen den vom Truppendienstgericht mit der Feststellung eines Dienstvergehens geahndeten Vorwurf, zu einer räuberischen Erpressung Beihilfe geleistet zu haben.
2Nachdem der ... geborene frühere Soldat den Hauptschulabschluss erworben hatte, absolvierte er eine Ausbildung zum Koch, bevor er ... in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen wurde. Seine Dienstzeit endete planmäßig Ende September ... ... wurde er zuletzt zum Oberstabsgefreiten (Besoldungsgruppe A 5 EZ) befördert. Nach seiner Verwendung bei der ...regiment ... gehörte er seit 2010 der ...regiment (später: ...bataillon) ... an, wo er als Truppführer, Verpflegungswart und Feldkoch eingesetzt war. Vom bis zum und vom 25. April bis diente er im Einsatzverband KFOR.
3Der frühere Soldat wurde nicht förmlich beurteilt. Nach einer Äußerung des Leumundszeugen Major A vom war der frühere Soldat in seiner Teileinheit der leistungsstärkste Soldat und im Kompanievergleich im oberen Drittel zu verorten. In einer weiteren Stellungnahme von ihm vom heißt es, der frühere Soldat habe ständig weit über dem Durchschnitt liegende Leistungen erbracht. Ihn zeichne besonders seine hohe Kreativität bei der Projektumsetzung aus. Hervorzuheben sei sein sehr großer Fleiß. Auch außerhalb der allgemeinen Dienstzeit nehme er Zusatzaufgaben bereitwillig an und erledige sie hervorragend. Sein Engagement, seine Eigeninitiative und Kreativität seien sprichwörtlich. Exzellent verbinde er die Qualitäten eines weit überdurchschnittlichen Feldkochs mit denen eines vorbildlichen Soldaten.
4In einer Stellungnahme des vorangegangenen Disziplinarvorgesetzten Oberstleutnant B vom heißt es unter anderem, der frühere Soldat habe sich charakterlich gefestigt gezeigt und dessen Leistungen seien stets vorbildlich gewesen. Rückblickend sei er im oberen Leistungsdrittel einzuordnen. Das Dienstvergehen habe sich nicht nachteilig auf seine Leistungen ausgewirkt. Ob es in der Einheit bekannt geworden sei, könne er nicht abschließend beantworten.
5Der frühere Soldat ist berechtigt, die Schützenschnur der Stufe III (Gold) zu tragen. 2012 wurde ihm die Auslandseinsatzmedaille der Bundeswehr (KFOR) in Bronze verliehen.
6Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister des früheren Soldaten enthält zum Anschuldigungspunkt 1 dessen Verurteilung im sachgleichen Strafverfahren durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts ... vom zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung (§ 249 Abs. 1, § 253 Abs. 1 und 2, § 255 StGB) sowie einen zum Anschuldigungspunkt 2 sachgleichen rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen je 60 € wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1, § 303c StGB). Der letzte Disziplinarbuchauszug vom weist neben den strafrechtlichen Verurteilungen eine 2012 erteilte förmliche Anerkennung aus.
7Der frühere Soldat ist verheiratet und Vater eines Kleinkindes. Bis Ende August 2024 erhielt er Übergangsgebührnisse in Höhe von monatlich 1 982,07 € netto. Die Übergangsbeihilfe in Höhe von 15 851,64 € wird einbehalten. Aus einer Tätigkeit im Bereich der Gebäudereinigung erzielt er variierende Einkünfte von monatlich 2 000 bis 5 000 €. Dem stehen monatliche Verpflichtungen in Höhe von ca. 1 600 € gegenüber. In der Berufungshauptverhandlung hat sich der frühere Soldat eingelassen, seine finanziellen Verhältnisse seien angespannt, weil die Übergangsgebührnisse sowie das Elterngeld von etwa 570 € zwischenzeitlich entfallen seien.
Gründe
81. Nachdem die Wehrdisziplinaranwaltschaft am Kenntnis von einer gegen den früheren Soldaten gerichteten Strafanklage, am 23./ Kenntnis von dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Landgerichts ... sowie am 29. August/ Kenntnis von dem Strafbefehl des Amtsgerichts ... erlangt hatte, hat sie nach Anhörung unter dem das disziplinargerichtliche Verfahren gegen ihn eingeleitet.
92. Auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom hat das Truppendienstgericht das Verfahren unter Feststellung eines Dienstvergehens mit Urteil vom eingestellt. In der mündlichen Verhandlung hatte es festgestellt, dass die ehrenamtliche Richterin Major C zwar derselben Kompanie angehöre wie der frühere Soldat und sie formal dessen letzte nächste Disziplinarvorgesetzte gewesen sei. Sie habe ihm gegenüber jedoch konkret keine Disziplinarbefugnis ausgeübt, da der frühere Soldat zu jener Zeit bereits im Berufsförderungsdienst gewesen sei. Gegen die Besetzung wurden keine Bedenken erhoben.
10a) In tatsächlicher Hinsicht stellte das Truppendienstgericht zum Anschuldigungspunkt 1 fest, dass es den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts ... in dessen rechtskräftigem und auf einer Verständigung beruhendem Urteil folge. Sich davon zu lösen bestehe kein Anlass. Demzufolge stehe nach den strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen fest:
"Zu einem nicht mehr näher nachvollziehbaren Zeitpunkt vor oder am fassten die Angeklagten D und E - ehemalige leitende Mitglieder des mittlerweile aufgelösten Charters ... der Rockervereinigung ... MC - den gemeinsamen Entschluss, die Ausübung der Straßenprostitution im Bereich ...straße, ..., zu kontrollieren und hierfür von den jeweiligen Prostituierten und ihren Zuhältern ein sogenanntes 'Standgeld' zu verlangen. In Ausführung dieser Abrede forderten D und E entweder alleine oder gemeinsam zu den unten näher aufgeführten Zeitpunkten die Geschädigten F, 'G' und 'H' zur Zahlung von 300,- EUR pro Prostituierter und Woche auf.
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen und für den Fall der Weigerung stellten D und E den jeweiligen Geschädigten entweder ausdrücklich oder durch ein martialisches und einschüchterndes Auftreten die Anwendung von erheblichen körperlichen Repressalien in Aussicht. Auch war zwischen D und E vorgesehen, dass diese bei Bedarf andere ihnen nahestehenden Personen aus dem Rotlicht- und Rockermilieu, namentlich die weiteren, in die Abrede von D und E jedenfalls seit dem eingeweihten Angeklagten I und J, sowie den mittlerweile verstorbenen K hinzurufen würden, um ihre überlegene Stellung zu demonstrieren und eine Drohkulisse aufzubauen. Aus Angst vor den so in Aussicht gestellten körperlichen Repressalien erklärten sich die Geschädigten zur Zahlung bereit. Die Zahlungen wurden mit einer Ausnahme (lat Ziff. 1, , 22:46 Uhr - Zahlung an den mittlerweile verstorbenen K) an D oder E geleistet und anschließend zwischen D und E aufgeteilt. Im Gegenzug sicherten D und E den Geschädigten eine geregelte Ausübung der Straßenprostitution in dem genannten Bereich zu und hinderten zu diesem Zweck weitere, nicht zahlende Personen an der Ausübung der Straßenprostitution durch Gewalt oder die Inaussichtstellung von Gewalt [...].
Die Angeklagten I [...] und J (der mit D und E befreundet war und mit ihnen die Leidenschaft für Motorräder teilte) erklärten sich auf Anfrage von D und E am Abend des bereit, den beiden bei der Eintreibung des Schutzgeldes von F durch ihre Anwesenheit am Tatort (Zeigen von 'Präsenz', weisungsgemäßes Erscheinen in schwarzer Kleidung) behilflich zu sein. Ihnen war zwar bekannt, dass D und E beabsichtigten, 'Schutzgeld' im Bereich der Straßenprostitution in der ...straße unter Gewaltandrohung zu erpressen, nicht jedoch die Höhe der Beute oder die Namen der Geschädigten. I und J erhielten von D und E für ihre Mithilfe jeweils einen kleineren Betrag zwischen 10,- und 20,- €.
Allen vier Angeklagten war bewusst, dass sie nicht über einen entsprechenden einredefreien, fälligen und durchsetzbaren Anspruch hinsichtlich der von den Geschädigten zu leistenden (Schutz-)Geldzahlungen verfügten.
Im Einzelnen kam es in Ausübung dieser Abrede im Weiteren dann gegenüber folgenden Geschädigten zu folgenden Taten:
1. Tat zum Nachteil des F:
Nachdem D am Abend des unter nicht mehr näher nachvollziehbaren Umständen erfahren hatte, dass sich im Bereich ...straße Personen aufhielten, die noch keine Zahlungen an D und dessen Gruppierung leisteten, beriet er sich gegen 21:20 Uhr telefonisch und anschließend persönlich mit E über die weitere Vorgehensweise. Anschließend beauftragten D und E gemeinsam K, I und J damit, zur ...straße zu fahren, wo K, I und J gegen 22:00 Uhr auch eintrafen. Hier trafen sie auf den geschädigten Zuhälter F, den sie absprachegemäß allein auf Grund ihrer Präsenz einschüchterten. Dies und die telefonische Drohung durch D, er werde ihm bei Nichtzahlung den Kopf einschlagen, veranlassten den Geschädigten F gegen 22:46 Uhr entweder persönlich oder einen entsprechend instruierten, bislang nicht identifizierten Dritten zu einer Anzahlung von 50,- EUR an K, der das Geld anschließend auf Anweisung von D zwischen sich, J und I aufteilte."
11Im Weiteren kam es unter dem Eindruck der beschriebenen Drohungen zu erpressten Zahlungen durch F an D in Höhe von mindestens 12 450 €.
12Ergänzend stellte das Truppendienstgericht fest, dass der frühere Soldat am Abend des vermutlich von Herrn D als einem der Haupttäter angerufen und gebeten worden sei, sich schwarz anzuziehen und mit dem Auto in die ...straße zu kommen. Er habe gewusst, dass sich in diesem Bereich der Straßenstrich befunden habe und er dort "Präsenz zeigen" solle. Er habe sich während der Zeit vor Ort überwiegend im Auto auf dem Parkplatz beim "Mediamarkt" aufgehalten und das Geschehen aus etwa 50 m Entfernung beobachtet ohne einzugreifen. Er habe Herrn K gesehen, wie dieser mit einer Prostituierten gesprochen und telefoniert habe. Von jenem habe er am Ende 20 € "Benzingeld" erhalten.
13Nunmehr gegenläufige Einlassungen des früheren Soldaten, insbesondere keine Kenntnis vom Umfang der kriminellen Handlungen der Haupttäter und speziell den in Rede stehenden Summen gehabt zu haben, würden ihn wegen der bindenden Feststellungen im Strafurteil nicht entlasten.
14b) In tatsächlicher Hinsicht stehe zum Anschuldigungspunkt 2 fest, dass der frühere Soldat am Abend des im ...weg auf Höhe des Anwesens ... in ... aus Verärgerung darüber, dass die Türen des aus einer Sackgasse zurücksetzenden Pkw BMW der Frau L, verriegelt gewesen seien und die Insassen ihn durch Auslachen provoziert hätten, mit einer Ellenbogenbewegung den Außenspiegel des Beifahrers abgebrochen habe. Es sei ihm dabei zwar nicht darauf angekommen, diese Beschädigung hervorzurufen, jedoch habe er sie für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Der Schaden habe ca. 250 € betragen. Vorausgegangen sei ein Anruf seiner damaligen Freundin, die sich durch ein Auto verfolgt gefühlt habe. Der frühere Soldat habe ihr empfohlen, zu ihm zu fahren. Das - später von ihm beschädigte - Auto sei dem der Freundin in die vorgenannte Sackgasse nachgefahren. Der frühere Soldat habe die Sachlage klären wollen, indem er zunächst eine Autotür habe öffnen wollen und dann, da diese geschlossen gewesen sei, an eine Fensterscheibe geklopft habe, um mit den Insassen zu sprechen, was diese nicht gewollt hätten. Der frühere Soldat habe den Vorwurf eingeräumt, aber herausgestellt, dass er das Auto nicht habe beschädigen wollen. In subjektiver Hinsicht sei davon auszugehen, dass er damit gerechnet habe, einen Schaden zu verursachen, und ihm dies letztlich egal gewesen sei.
15c) Rechtlich liege damit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG vor. Zu Anschuldigungspunkt 1 liege eine zumindest bedingt vorsätzliche Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG a. F.) vor, weil der frühere Soldat vorsätzlich Beihilfe zu der Haupttat der Täter D und E, die jeweils den Straftatbestand der räuberischen Erpressung verwirklicht hätten, geleistet habe. Auch zu Anschuldigungspunkt 2 liege eine zumindest bedingt vorsätzliche außerdienstliche Wohlverhaltenspflichtverletzung vor, weil er eine Sachbeschädigung begangen habe.
16d) Bei der Maßnahmebemessung bilde eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Die räuberische Erpressung sei vorliegend zwar tatbestandsmäßig vollendet gewesen, jedoch habe der frühere Soldat nur als Gehilfe, ohne Gewaltanwendung und ohne eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gegenüber Dritten gehandelt. Bei einer Beihilfe sei zudem eine Strafmilderung zwingend angeordnet. Dies sei im Disziplinarrecht auch bedeutsam, obgleich hier die Kategorie der Teilnahme wesensfremd sei. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde folglich für die bereits sieben Jahre zurückliegenden Pflichtverletzungen eine Dienstgradherabsetzung, woran auch die außerdienstliche Sachbeschädigung nichts ändere. Denn vor dem Hintergrund der relativ geringen Strafandrohung wäre für sie allenfalls ein Beförderungsverbot anzusetzen.
17Wegen der ganz erheblich überlangen Verfahrensdauer von insgesamt 50 Monaten und der Nachbewährung sei indes vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen abzuweichen, so dass die Kürzung des Ruhegehalts - in Form der Kürzung der Übergangsbeihilfe - die an sich gebotene Disziplinarmaßnahme sei. Dem stehe jedoch wegen der sachgleichen strafrechtlichen Verurteilungen das Verhängungsverbot nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO entgegen, so dass das Verfahren gemäß § 108 Abs. 3 WDO einzustellen sei.
183. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft begründet ihre auf die Anfechtung der Einstellungsentscheidung beschränkte Berufung im Wesentlichen damit, dass Ausgangspunkt der räuberischen Erpressung die Entfernung aus dem Dienstverhältnis bilde. Dies gelte auch, wenn ein Soldat nicht Täter, sondern Gehilfe gewesen sei. Denn auch er erfülle diejenigen Gründe, aus denen sich im Falle der räuberischen Erpressung die Höchstmaßnahme ergebe.
19Selbst wenn man den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen weniger hoch ansetze, sei im Ergebnis nur eine Herabsetzung im Dienstgrad angemessen. Zwar spreche für den früheren Soldaten, dass er glaubhafte Reue zeige und disziplinarisch unvorbelastet sei; an einer Nachbewährung fehle es jedoch, weil er zwar überdurchschnittliche Leistungen gezeigt, sie aber nicht gesteigert habe. Die unangemessene Verfahrensdauer gebiete es, von einer Degradierung in den untersten Dienstgrad abzusehen und ihn lediglich in den Dienstgrad eines Obergefreiten der Reserve herabzusetzen.
204. Wegen der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts, hinsichtlich der in das Verfahren eingeführten Urkunden auf das erstinstanzliche sowie auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung verwiesen.
21Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verfahren ist nicht einzustellen, sondern das Dienstvergehen zu ahnden. Dass der frühere Soldat ein solches begangen hat, war infolge der Berufungsbeschränkung auf das Disziplinarmaß nicht erneut festzustellen. Daher ist das Urteil der Vorinstanz auch nicht aufzuheben, sondern nur abzuändern ( 2 WD 24.12 - juris Rn. 34). Im Einzelnen:
221. Aufgrund der verfahrensfehlerfreien Tat- und Schuldfeststellungen des Truppendienstgerichts steht für den Senat bindend fest, dass der frühere Soldat die unter II 2. a) und b) bezeichneten Taten begangen und dadurch vorsätzlich seine Pflicht zu außerdienstlichem Wohlverhalten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG (a. F.) verletzt hat. Denn bei einer - wie hier - auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung hat der Senat seiner Entscheidung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 327 StPO grundsätzlich die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Dabei steht ebenfalls fest, dass die Bindungswirkung auch die konkreten Straftatbestände - vorliegend die Beihilfe zur räuberischen Erpressung und die Sachbeschädigung - erfasst, aus denen das Truppendienstgericht die disziplinarische Relevanz abgeleitet hat ( 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 21 und vom - 2 WD 11.21 - juris Rn. 30; zum Verstoß gegen § 7 SG: 2 WD 7.14 - juris Rn. 33).
23a) Etwas anderes gilt nur, wenn die erstinstanzliche Entscheidung an schweren Mängeln des Verfahrens im Sinne von § 120 Abs. 1 Nr. 2, § 121 Abs. 2 WDO leidet. Dazu gehört u. a. das Fehlen von ausreichenden und widerspruchsfreien Feststellungen zur Tat- und Schuldfrage. Denn Voraussetzung für die im Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist, dass die durch die Beschränkung der Berufung unangreifbar gewordenen Tat- und Schuldfeststellungen hinreichend nachvollziehbar, in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Unklare, lückenhafte oder widersprüchliche Feststellungen können somit keine ausreichende Grundlage für das festzusetzende Disziplinarmaß bilden ( 2 WD 3.19 - juris Rn. 12 m. w. N. und vom - 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 19 ff.).
24b) Nach Maßgabe dessen liegt kein schwerer Verfahrensmangel vor.
25aa) Er folgt namentlich nicht aus einer wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 2 WDO erstinstanzlich unrichtigen Besetzung des Spruchkörpers durch die Mitwirkung der Frau Major C. Denn die ehrenamtliche Richterin hat im vorliegenden Verfahren nicht als Disziplinarvorgesetzte im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 WDO mitgewirkt; zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am ist sie nicht mehr dessen Disziplinarvorgesetzte gewesen (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 WDO) und hat nicht mehr demselben Truppenteil angehört (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 WDO), weil der frühere Soldat planmäßig bereits Ende September 2021 ausgeschieden war.
26bb) Einen Verfahrensmangel begründet auch nicht, dass das Truppendienstgericht die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen übernommen hat, obwohl das Strafurteil auf einer verständigungsbasierten Absprache beruhte. Ob eine Verständigung entsprechend § 257c StPO im wehrdisziplinargerichtlichen Verfahren dessen Eigenart nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO entgegensteht und dies etwa durch § 60 Abs. 1 Satz 2 BDG gestützt wird (BT-Drs. 14/4659 S. 49; Schade, Der gerichtliche Vergleich im Disziplinarrecht der Beamten, 2017, S. 107 ff.), bedarf keiner Entscheidung (vgl. einerseits TDG Nord, Urteil vom - N 5 VL 9/14 - S. 12; Dau/Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022, § 108 Rn. 2, andererseits Walter, NZWehrr 2016, 203 <206>). Selbst wenn dies zuträfe, läge keine unzulässige Umgehung des Verbotes verständigungsbasierter Geständnisse im Wehrdisziplinarverfahren vor. Denn Anknüpfungspunkt ist nicht § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO, sondern § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO. Letzterer gebietet keine Auslegung dahingehend, dass er nur für strafgerichtliche Urteile gilt, deren Tatsachenfeststellungen auf keinem verständigungsbasierten Geständnis beruhen. Sein Wortlaut gibt für eine solche Anwendungsbeschränkung keinen Anhalt und der Bundesgesetzgeber hat auch nach Aufnahme der Verständigung durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom (BGBl. I S. 2353) bei nachfolgenden Änderungen der Wehrdisziplinarordnung keinen Anlass gesehen, auf verständigungsbasierten Geständnissen beruhende strafgerichtliche Tatsachenfeststellungen dem Anwendungsbereich des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO zu entziehen, zumal Gegenstand der Verständigung nur die strafrechtlichen Folgen, nicht aber die Schuldfrage und die richterlichen Tatsachenfeststellungen sein dürfen (§ 257c Abs. 2 StPO). Daran wird sich nach der Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 20/12197 S. 58 sowie S. 104 zu § 109 Abs. 4 WDO n. F.) voraussichtlich nichts ändern.
27Zudem eröffnet § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO weiterhin die Möglichkeit, evidenten Verfahrensverstößen gegen den - grundsätzlich verfassungsgemäßen (, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - BVerfGE 133, 168 <168 ff.>) - § 257c StPO entgegenzutreten ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 45 ff.). Für die Notwendigkeit eines Lösungsbeschlusses streitet hier nichts, zumal der frühere Soldat gegen das Urteil des Truppendienstgerichts keine Berufung eingelegt und auch nicht das Urteil des Landgerichts zum Gegenstand eines Rechtsmittels gemacht hat ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 43, 47; vgl. auch 2 WD 11.21 - juris Rn. 28).
282. Die wegen der rechtswirksam eingelegten maßnahmebeschränkten Berufung nur noch allein vorzunehmende Bemessung der Disziplinarmaßnahme bestimmt sich nach der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. 2 WD 11.07 - juris Rn. 23 m. w. N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus, das vorliegend dazu führt, den früheren Soldaten nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 62 WDO in einen niedrigeren (Reserve-)Dienstgrad herabzusetzen.
29a) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Danach bildet bei einer räuberischen Erpressung die Höchstmaßnahme - hier die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 58 Abs. 2 Nr. 4 WDO) - den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
30Der Senat hat bereits mit Urteil vom - 2 WD 25.95 - (Wolters Kluwer Online Rn. 26) festgestellt, dass eine strafrechtlich als Raub nach § 249 StGB zu wertende Pflichtverletzung regelmäßig die für eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses unerlässliche Vertrauensgrundlage zerstört. Ein Soldat ist nach Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Auch wenn durch außerdienstliche Zueignungs- und Nötigungsdelikte der dienstliche Bereich nicht unmittelbar berührt wird, offenbaren vorsätzliche Eingriffe in Eigentum und Vermögen Dritter unter Anwendung von Gewalt erhebliche Charaktermängel, die die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Täters beeinträchtigen, Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität wecken sowie sein Ansehen und seine Autorität bei Vorgesetzten und Kameraden mindern.
31Nichts anderes gilt, wenn das Fehlverhalten nicht in einem Raub (§ 249 StGB), sondern wie vorliegend in einer räuberischen Erpressung nach § 255 StGB besteht. Denn § 255 StGB stellt den Unrechtsgehalt einer räuberischen Erpressung ausdrücklich einem Raub gleich. Dieser eindeutigen Wertung ist auch im Disziplinarrecht insbesondere bei außerdienstlichem Fehlverhalten Rechnung zu tragen, weil dadurch verhindert wird, dass die Wehrdienstgerichte ihre jeweils eigene Einschätzung vom Unwertgehalt eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen ( 2 WD 21.18 - NVwZ-RR 2019, 961 Rn. 26). An dieser Zuordnung auf der ersten Bemessungsstufe ändert ebenso wenig, dass der frühere Soldat im Sinne des Strafrechts nicht Täter (§ 25 Abs. 1 StGB), sondern Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) einer räuberischen Erpressung war. Denn das Wehrrecht unterscheidet nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme ( 2 WD 3.95 - BVerwGE 103, 246 <247>; Poretschkin/Lucks, Soldatengesetz, 11. Aufl. 2022, § 23 Rn. 1; Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2021, § 23 Rn. 22), so dass diese strafrechtliche Differenzierung nicht bereits auf der ersten, durch kategoriale Erwägungen bestimmten Bemessungsstufe Bedeutung erlangt.
32b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Dabei müssen sie umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 53). Gewichtige Milderungsgründe liegen vor. Sie gebieten einen Übergang zur nächstmilderen Maßnahmeart der Dienstgradherabsetzung, innerhalb derer sich eine Degradierung zum Obergefreiten der Reserve als angemessen erweist.
33aa) Zwar kann der frühere Soldat nicht den Milderungsgrund jugendlicher Unreife geltend machen, weil er zum Tatzeitpunkt bereits 25 Jahre alt war und damit das 21. Lebensjahr weit überschritten hatte ( 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 36). Ebenso wenig wirkt mildernd, dass die Tathandlung bereits über neun Jahre zurückliegt, weil die Pflichtverletzung strafrechtlich nicht verjährt ist und auch geahndet wurde ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 56). Auch kommt dem Umstand, dass gegen den früheren Soldaten eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr verhängt und er somit nicht bereits kraft Gesetzes (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 SG) aus dem Dienstverhältnis entfernt wurde, keine die Disziplinarmaßnahmebemessung limitierende Indizwirkung zu. Denn steht - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 58). Schließlich liegt auch keine Leistungssteigerung als Grundlage für eine Nachbewährung vor ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 54), weil der frühere Soldat seine Leistungen nach den Beschreibungen der früheren Disziplinarvorgesetzten nicht deutlich gesteigert hat.
34bb) Diesen für ein Festhalten an der Höchstmaßnahme streitenden Gründen stehen jedoch solche entgegen, die den Übergang zur nächst niedrigeren Maßnahmeart in Form einer Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 2 Nr. 3 WDO) gebieten.
35Der frühere Soldat bereut seine Tat und hat sich jedenfalls im Grundsatz geständig eingelassen. Erheblich mildernd wirkt namentlich, dass die Pflichtverletzung in einer einmaligen strafrechtlichen Beihilfehandlung bestand und sie sich in dem Verstärken der vom Haupttäter ausgesprochenen Lebensbedrohung durch Präsenzzeigen erschöpfte, mithin nicht von besonderer Intensität war. Soweit keine besonders intensive Tatbeteiligung vorliegt, kommt mildernd zum Tragen, dass die Rechtsordnung im Bereich des Strafrechts für Beihilfeleistungen zwingend eine Milderung (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) vorsieht ( 2 WD 3.15 - juris Rn. 56). Der wirtschaftlich geringe Vorteil von 20 €, den der frühere Soldat aus der Tat erzielte, lässt zudem dessen Vortrag glaubhaft werden, nicht aus materiellen, sondern aus immateriellen Motiven gehandelt und einen der Täter seinerzeit als Respektsperson angesehen und gleichsam bewundert zu haben. Der frühere Soldat kann zudem mehrere erfolgreiche Auslandseinsätze sowie eine förmliche Anerkennung aufweisen.
36cc) Ausgangspunkt bildet insoweit der obere Rand des für die Herabsetzung im Dienstgrad gesetzlich Zulässigen, weil nur die auf der zweiten Bemessungsstufe vorliegenden Milderungsgründe dazu führen, von der Regelmaßnahme abzuweichen ( 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 37 m. w. N.). Außerdem kommt im vorliegenden Fall besonders erschwerend hinzu, dass die räuberische Erpressung das staatliche Gewaltmonopol als essenzieller Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nachhaltig infrage gestellt hat (vgl. 2 WD 22.18 - juris Rn. 36) und hier Schutzgelderpressungen in ähnlichen Rahmen wie bei organisierter Kriminalität in Rede stehen. Der frühere Soldat hat wissentlich und willentlich dazu beigetragen, dass die zu seinem Motorradclub gehörenden Haupttäter durch Bedrohung von Leib und Leben anderer in ... über einen Teil der Straßenprostitution ein auf Einschüchterung beruhendes Beherrschungssystem aufbauten und mehr als 12 450 € erpressen konnten. Die dafür angemessene weitestgehende Degradierung wäre nach § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO eine Herabsetzung in den untersten Mannschaftsdienstgrad ( 2 WD 18.20 - juris Rn. 27).
37dd) Von einer solchen Degradierungstiefe abzuweichen, verlangt jedoch der weitere Milderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer ( 2 WD 13.15 - juris Rn. 62 und vom - 2 WD 10.22 - juris Rn. 44 ff.). Mit drei Jahren und fünf Monaten führt sie dazu, den früheren Soldaten lediglich in den Dienstgrad eines Obergefreiten herabzusetzen. Ein Sprung in eine mildere Maßnahmeart wäre nicht nur angesichts der Art und Schwere der räuberischen Erpressung unangemessen, sondern namentlich deshalb, weil er eine weitere Pflichtverletzung in Form einer Sachbeschädigung begangen hat. Sie hat bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Maßnahmebemessung noch keine erschwerende Bedeutung erlangt.
38aaa) In Fällen, in denen - wie hier - eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten ist, ist eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende, unangemessene Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd zu berücksichtigen (vgl. 2 WD 18.19 - BVerwGE 169, 228 Rn. 75 m. w. N.; - NStZ 2024, 631 ff.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann der für die Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum bereits vor dem Gerichtsverfahren beginnen und ein behördliches Vorschaltverfahren umfassen (vgl. EGMR, Urteil vom - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 44).
39bbb) Ausgehend davon weist das bei der Verfahrensdauer einzubeziehende disziplinare Vorermittlungsverfahren (vgl. 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 41) eine Überlänge von etwa zwei Monaten auf. Das Verfahren wurde nicht sogleich im März 2017 nach Kenntnis von der Anklage in dem zum Anschuldigungspunkt 1 sachgleichen Strafverfahren, durch das hinreichende Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht eines zu ahndenden Dienstvergehens begründet wurden, eingeleitet, sondern erst am . Dieses Zuwarten war allerdings nur teilweise kausal für die Verfahrensdauer, weil wegen der Vorgreiflichkeit des sachgleichen Strafverfahrens für das Disziplinarverfahren der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet werden durfte (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 WDO; siehe auch 2 WA 6.23 - Rn. 30), der erst mit Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils vom am feststand. Sodann hätte das gerichtliche Disziplinarverfahren aber angesichts der für die Anhörung des früheren Soldaten und der Vertrauensperson erforderlichen Bearbeitungszeit von etwa drei Monaten ( 2 WD 22.20 - juris Rn. 39) spätestens am eingeleitet werden müssen. Damit liegt eine Überlänge des Vorermittlungsverfahrens von zwei Monaten vor.
40ccc) Nicht einzubeziehen ist der Zeitraum zwischen der Zustellung der Einleitungsverfügung an den früheren Soldaten und dem Eingang der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht. Denn der frühere Soldat hat in diesem Verfahrensstadium keinen Antrag beim Truppendienstgericht nach § 101 Abs. 1 Satz 1 WDO gestellt, um auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken (vgl. EGMR, Urteil vom - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 51; 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 42 und vom - 2 WD 20.21 - juris Rn. 73).
41ddd) Der Zeitraum von der Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht (etwa Anfang Mai 2019) bis zum erstinstanzlichen Urteil (im Dezember 2023) erweist sich mit vier Jahren und sieben Monaten als zu lang, wobei dem Truppendienstgericht angesichts des in rechtlicher und - vor allem angesichts der strafgerichtlichen Feststellungen - auch in tatsächlicher Hinsicht nur durchschnittlich schwierigen Falls eine Bearbeitungszeit von einem Jahr zuzubilligen ist. Demzufolge beträgt die weitere Überlänge drei Jahre und sieben Monate.
42eee) Von der überlangen Dauer des Vorermittlungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens um vier Jahre sind kompensatorisch vier Monate wegen des unterdurchschnittlich langen Berufungsverfahrens abzuziehen, weil die Gesamtverfahrensdauer in den Blick zu nehmen ist ( 2 WD 12.22 - juris Rn. 109, 114). Das Berufungsverfahren wurde mit am beim Truppendienstgericht eingegangenem Schriftsatz eingeleitet und mit dem vorliegenden Urteil vom binnen acht Monaten abgeschlossen. An sich wäre nach den vorstehenden Erwägungen eine Bearbeitungszeit von einem Jahr angemessen gewesen. Daraus folgt eine Gesamtüberlänge von drei Jahren und fünf Monaten.
433. Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 140 Abs. 3 Satz 2 WDO, da es nicht unbillig ist, den früheren Soldaten mit den Kosten des gesamten Verfahrens - einschließlich der ihm erwachsenen notwendigen Auslagen - zu belasten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:170924U2WD5.24.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-80485